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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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gäbe der fortschreitenden Genesung des volkswirthschaftlichen Organismus und
des wiederkehrenden Vertrauens kann indeß nicht ausbleiben. Es ist kein Ge¬
heimniß, daß die Luxusindustrie noch immer schwer zu leiden hat; doch wird
man sich kaum irren, wenn man in ihren Absatzverhältnissen gegen das Vor¬
jahr eine erhebliche Besserung zu bemerken glaubt. So wird es auch mit
manchen sonstigen Unternehmungen gehen, nachdem sie das Fegefeuer durch¬
gemacht und die romantischen Zuthaten der Schwindelepoche abgeschüttelt ha¬
ben. Unter den Berliner Gründungen wäre eine solche günstige Wendung
am ersten der in diesen Briefen bereits vor Jahresfrist beklagten Westendeo-
lonie zu wünschen. Unter den verschiedenen Villenansiedelungen, welche sich
in neuerer Zeit um die Hauptstadt gruppirt haben, ist das "Westend" auf
der Anhöhe hinter Charlottenburg unstreitig die anziehendste, soweit von
landschaftlichen Reizen in Berlins unmittelbarer Umgebung überhaupt die Rede
sein kann. Die Quistorp'sche Actiengesellschaft, welche dort ihr Wesen getrie¬
ben, schickt sich eben an, endlich einmal zu ltquidiren. Es ist aber kaum denk¬
bar, daß der Colonie nicht in anderer Form wieder auf die Beine geholfen
werden sollte. Auf die Ausführung der riesenhaften Prachtbauten, deren
Ruinen seit Jahr und Tag so melancholisch ins Land hineinstarren, wird
freilich wohl verzichtet werden müssen.

Ein ähnliches Schicksal, wie den Quistorp'schen Schöpfungen, wurde im
vorigen Winter einer in Charlottenburg unternommenen großartigen An¬
lage auf Actien prophezeit. Allein, Fürst Putbus hat mit derselben mehr
Glück gehabt, als mit der Nordbahn. Die "Flora" mit ihrem Palmen¬
garten -- ich habe ihrer im Frühjahr unmittelbar nach ihrer Eröffnung Er¬
wähnung gethan -- hat sich bewährt und es ist jetzt ausgemachte Sache, daß sie
^und im Winter ein wirksamer Anziehungspunkt bleiben wird. Der wundervolle
Nosenflor, der noch bis tief in den Oktober hinein den Eintretenden begrüßte,
ist nun freilich dahin, die glänzenden Farbeneffecte der mit feinem künstle¬
rischem Geschmacke arrangirten Blumenteppiche sind erloschen, um so über¬
raschender und wohlthuender aber ist der Eindruck der immergrünen Tropen¬
welt. Seit der Eröffnung hat sich die Vegetation des Palmenhauses außer¬
ordentlich reich entwickelt. Tausend Kleinigkeiten sind da zum Vorschein ge¬
kommen, immer Neues entdeckt das forschende Auge, es ist eine Welt voll
sprießenden Lebens und unendlicher Mannichfaltigkeit. Nichts anziehender
aber als der Blick aus dem großen Concertsaale durch das riesige Glasportal
^ das Palmenhaus. Es giebt keinen seltsameren Contrast, als den unge¬
heueren, in tausendfältigen Lichtglanz schimmernden, mit solider Pracht aus¬
gestatteten, von fröhlichen Weisen wiederhallenden Raum und daneben im
Schatten der Dämmerung diesen stillen Hain mit den Gebilden einer fremden
Welt. Es ist keine Frage, unter jenen Orten, die der Bewohner der Haupt-


gäbe der fortschreitenden Genesung des volkswirthschaftlichen Organismus und
des wiederkehrenden Vertrauens kann indeß nicht ausbleiben. Es ist kein Ge¬
heimniß, daß die Luxusindustrie noch immer schwer zu leiden hat; doch wird
man sich kaum irren, wenn man in ihren Absatzverhältnissen gegen das Vor¬
jahr eine erhebliche Besserung zu bemerken glaubt. So wird es auch mit
manchen sonstigen Unternehmungen gehen, nachdem sie das Fegefeuer durch¬
gemacht und die romantischen Zuthaten der Schwindelepoche abgeschüttelt ha¬
ben. Unter den Berliner Gründungen wäre eine solche günstige Wendung
am ersten der in diesen Briefen bereits vor Jahresfrist beklagten Westendeo-
lonie zu wünschen. Unter den verschiedenen Villenansiedelungen, welche sich
in neuerer Zeit um die Hauptstadt gruppirt haben, ist das „Westend" auf
der Anhöhe hinter Charlottenburg unstreitig die anziehendste, soweit von
landschaftlichen Reizen in Berlins unmittelbarer Umgebung überhaupt die Rede
sein kann. Die Quistorp'sche Actiengesellschaft, welche dort ihr Wesen getrie¬
ben, schickt sich eben an, endlich einmal zu ltquidiren. Es ist aber kaum denk¬
bar, daß der Colonie nicht in anderer Form wieder auf die Beine geholfen
werden sollte. Auf die Ausführung der riesenhaften Prachtbauten, deren
Ruinen seit Jahr und Tag so melancholisch ins Land hineinstarren, wird
freilich wohl verzichtet werden müssen.

Ein ähnliches Schicksal, wie den Quistorp'schen Schöpfungen, wurde im
vorigen Winter einer in Charlottenburg unternommenen großartigen An¬
lage auf Actien prophezeit. Allein, Fürst Putbus hat mit derselben mehr
Glück gehabt, als mit der Nordbahn. Die „Flora" mit ihrem Palmen¬
garten — ich habe ihrer im Frühjahr unmittelbar nach ihrer Eröffnung Er¬
wähnung gethan — hat sich bewährt und es ist jetzt ausgemachte Sache, daß sie
^und im Winter ein wirksamer Anziehungspunkt bleiben wird. Der wundervolle
Nosenflor, der noch bis tief in den Oktober hinein den Eintretenden begrüßte,
ist nun freilich dahin, die glänzenden Farbeneffecte der mit feinem künstle¬
rischem Geschmacke arrangirten Blumenteppiche sind erloschen, um so über¬
raschender und wohlthuender aber ist der Eindruck der immergrünen Tropen¬
welt. Seit der Eröffnung hat sich die Vegetation des Palmenhauses außer¬
ordentlich reich entwickelt. Tausend Kleinigkeiten sind da zum Vorschein ge¬
kommen, immer Neues entdeckt das forschende Auge, es ist eine Welt voll
sprießenden Lebens und unendlicher Mannichfaltigkeit. Nichts anziehender
aber als der Blick aus dem großen Concertsaale durch das riesige Glasportal
^ das Palmenhaus. Es giebt keinen seltsameren Contrast, als den unge¬
heueren, in tausendfältigen Lichtglanz schimmernden, mit solider Pracht aus¬
gestatteten, von fröhlichen Weisen wiederhallenden Raum und daneben im
Schatten der Dämmerung diesen stillen Hain mit den Gebilden einer fremden
Welt. Es ist keine Frage, unter jenen Orten, die der Bewohner der Haupt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/323>, abgerufen am 27.07.2024.