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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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solchen Orte nicht gerade auf Rosen gebettet ist, liegt wohl auf der Hand.
Sein Leben ist ein ewiges Ringen und Kämpfen; bei den eigenen Leuten hat
er es oft mit Lauheit und Philisterhaftigkeit zu thun und von den Gegnern
darf er sicher sein, daß er auf Schritt und^ Tritt, Tag und Nacht mit allen
Waffen, rechten und schlechten, bekämpft wird. Das hat Dr. Ju un s Lipp ert
weidlich erfahren, er der treu und fest die deutsche Wacht an der Moldau ge¬
halten hat und von je den Tschechen ein Dorn im Auge war. Welche Freude
für die Tschechen und Ultramontanen, wenn ein solcher Mann von seinem
Posten in Budweis entfernt wird, den er so lange mit Ehren gehalten, den
er um des Deutschthums willen mit zäher Energie vertheidigte.

Julius Lippert ist Historiker und Schulmann. Er ist hoch verdient um
den Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen, dem er vom Anfange
an angehörte und dessen reiche "Mittheilungen" viele vorzügliche, oft mit köst¬
lichem Humor gewürzte Aufsätze aus Lippert's Feder brachten. Er schrieb eine
"Geschichte der königlichen Leibgedingstadt Trautenau" und eine umfangreiche
"Geschichte der Stadt Leitmeritz". Als der "Vater" der tschechischen Nation,
Franz Palacky, seine bekannten rohen Angriffe gegen die Deutschböhmen und
die deutschen Historiker machte, als er schamlos genug war, uns Deutsche ein
"Räubervoik" zu tituliren. da war es Lippert, der vereint mit seinem Freunde
Ludwig Schlesinger die Palacky'schen Angriffe "würdigte" und in einer vor¬
trefflichen Schrift den tschechischen Historiographen gründlich "abführte". Um
die Massen in Fluß zu bringen, sie im deutschnationalen und liberalen Sinne
zu bearbeiten, übernahm Lippert auch die Redaction des deutschböhmischen
Volkskalenders, der alljährlich in großer Auflage über das Land verbreitet
wird und Ultramontanen wie Tschechen ein Dorn im Auge ist. Was brauchen
auch böhmische Bauern von Hütten, von den Reformatoren, von den großen
Geistern Deutschlands, vom deutschen Reiche überhaupt zu wissen! Lippert
war eben von der "Preußenseuche" angesteckt, er bejubelte die Siege der
deutschen Waffen, freute sich der Errichtung eines deutschen Reiches, das die
Ultramontanen bekämpfte und den Handschuh aufhob, welchen Rom in frechem
Uebermuthe ihm hingeworfen. Hier kann so etwas aber Verbrechen sein.

Nun die Geschichte. Lippert war Direktor der Budweiser Oberrealschule
und er hat sie, wie Sachverständige erklären, als ausgezeichneter Schulmann
geführt und zur Blüthe gebracht. Aber was nützt das, wenn die übrige Ge¬
sinnung nicht den herrschenden Ansichten entspricht und wenn ein Schulmann
sich erkühnt, dem Ministerium Borwürfe zu machen, es gar zu kritisiren. Sie
kennen unsern Stremayer, den famosen Cultusminister, der die Altkatholiken
nicht anerkennt, das Stehaufmännchen, das heute liberal, morgen ultramontan
schielt, diesen leibhaftigen Beleg zu dem Ausspruche: "Wahns mir den Pelz,
mach ihn aber nicht naß." Nun, Lippert, der unentwegte Mann, der aus


solchen Orte nicht gerade auf Rosen gebettet ist, liegt wohl auf der Hand.
Sein Leben ist ein ewiges Ringen und Kämpfen; bei den eigenen Leuten hat
er es oft mit Lauheit und Philisterhaftigkeit zu thun und von den Gegnern
darf er sicher sein, daß er auf Schritt und^ Tritt, Tag und Nacht mit allen
Waffen, rechten und schlechten, bekämpft wird. Das hat Dr. Ju un s Lipp ert
weidlich erfahren, er der treu und fest die deutsche Wacht an der Moldau ge¬
halten hat und von je den Tschechen ein Dorn im Auge war. Welche Freude
für die Tschechen und Ultramontanen, wenn ein solcher Mann von seinem
Posten in Budweis entfernt wird, den er so lange mit Ehren gehalten, den
er um des Deutschthums willen mit zäher Energie vertheidigte.

Julius Lippert ist Historiker und Schulmann. Er ist hoch verdient um
den Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen, dem er vom Anfange
an angehörte und dessen reiche „Mittheilungen" viele vorzügliche, oft mit köst¬
lichem Humor gewürzte Aufsätze aus Lippert's Feder brachten. Er schrieb eine
„Geschichte der königlichen Leibgedingstadt Trautenau" und eine umfangreiche
„Geschichte der Stadt Leitmeritz". Als der „Vater" der tschechischen Nation,
Franz Palacky, seine bekannten rohen Angriffe gegen die Deutschböhmen und
die deutschen Historiker machte, als er schamlos genug war, uns Deutsche ein
„Räubervoik" zu tituliren. da war es Lippert, der vereint mit seinem Freunde
Ludwig Schlesinger die Palacky'schen Angriffe „würdigte" und in einer vor¬
trefflichen Schrift den tschechischen Historiographen gründlich „abführte". Um
die Massen in Fluß zu bringen, sie im deutschnationalen und liberalen Sinne
zu bearbeiten, übernahm Lippert auch die Redaction des deutschböhmischen
Volkskalenders, der alljährlich in großer Auflage über das Land verbreitet
wird und Ultramontanen wie Tschechen ein Dorn im Auge ist. Was brauchen
auch böhmische Bauern von Hütten, von den Reformatoren, von den großen
Geistern Deutschlands, vom deutschen Reiche überhaupt zu wissen! Lippert
war eben von der „Preußenseuche" angesteckt, er bejubelte die Siege der
deutschen Waffen, freute sich der Errichtung eines deutschen Reiches, das die
Ultramontanen bekämpfte und den Handschuh aufhob, welchen Rom in frechem
Uebermuthe ihm hingeworfen. Hier kann so etwas aber Verbrechen sein.

Nun die Geschichte. Lippert war Direktor der Budweiser Oberrealschule
und er hat sie, wie Sachverständige erklären, als ausgezeichneter Schulmann
geführt und zur Blüthe gebracht. Aber was nützt das, wenn die übrige Ge¬
sinnung nicht den herrschenden Ansichten entspricht und wenn ein Schulmann
sich erkühnt, dem Ministerium Borwürfe zu machen, es gar zu kritisiren. Sie
kennen unsern Stremayer, den famosen Cultusminister, der die Altkatholiken
nicht anerkennt, das Stehaufmännchen, das heute liberal, morgen ultramontan
schielt, diesen leibhaftigen Beleg zu dem Ausspruche: „Wahns mir den Pelz,
mach ihn aber nicht naß." Nun, Lippert, der unentwegte Mann, der aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/32>, abgerufen am 27.07.2024.