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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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dem Angeführten hervorgeht, nicht als gelungen betrachtet werden kann. Der
vornehmlichste Belastungszeuge, den Schmidt gegen Philipp ins Treffen ge¬
führt, legt schließlich selbst ein Zeugniß ab in Uebereinstimmung und zur
Bekräftigung desselben, was er hat widerlegen sollen!

Der deutsche Kaiser Maximilian war im Sommer 1367 durch einen
besonderen Agenten über Carlos' Beschaffenheit mehr aufgeklärt worden, als
früher. Damals wurden, den Aufschub der Ehe zu motiviren. Einzelheiten aus
Carlos' Leben ihm mitgetheilt; er empfand, wie er sich in einem Briefe an
Philipp ausdrückte, Schmerz über Philipp's Unzufriedenheit mit dem Sohne;
er war es zufrieden, daß er im nächsten Jahre den Prinzen kennen lernen
sollte; dann, so war man überein gekommen, sollte die Zukunft desselben
erwogen und festgestellt werden. Auf diese Eröffnungen durfte man jetzt, im
Januar 1568, Bezug nehmen, wenn man Max die Katastrophe erklären und
rechtfertigen wollte.

Nach der Gefangennahme des Prinzen, während derselbe vollständig
von der Welt abgesperrt gehalten wurde, während also kein Mensch sich selbst
wehr eine Ansicht von ihm verschaffen konnte, war in Madrid Alles voll
von Gerüchten und Reden und Vermuthungen. Wie in den Berichten der
anderen Diplomaten finden wir auch in den Depeschen Dietrichstein's allerlei
derartiges verzeichnet. Nun muß man genau unterscheiden das Urtheil, das
Dietrtchstein als sein eigenes auf Grund seiner eigenen Wissenschaft gewon¬
nenes ausspricht, und dasjenige, was er nur als Aeußerung anderer Personen
referirt. Besonders war es auch das zukünftige Schicksal des Gefangenen,
über das man sich den Kopf zerbrach, und über das Dietrichstein fremde und
^gene Muthmaßungen vorzutragen wagt. Bald aber gelangte er zu der
Ueberzeugung, daß von einer Freilassung wohl nicht mehr die Rede sein
könnte (13. April 1568). Er berichtete zu gleicher Zeit, daß man den Beicht¬
vater, einen frommen, christlichen Mann zu ihm gelassen; bei ihm sollte der
gefangene Prinz auch zu Ostern 1568 gebeichtet und communicirt haben.

Dies letztere war ein Ereigniß, das zu denken gab. Nach Dietrichstein's
Ansicht mußte die Thatsache, daß man dem Gefangenen die Osterbeichte ge¬
stattet, zwei Verdachtspunkte von ihm hinwegnehmen: einmal, daß er nicht
^ulguter Katholik gewesen, und zweitens daß er seiner Sinne beraubt ge¬
wesen wäre; eng!, würde also, schließt er, folgern dürfen, daß die Gefangey-
>Mft "allein seiner Eigenschaft und Condicion halber" als eine väterliche
Züchtigung geschehen sei. Er erzählt sein Gespräch mit dem Beichtvater;
derselbe betheuerte es dem Gesandten mit Nachdruck, der Prinz sei immer ein
vnter Katholik gewesen, auch habe er nichts sträfliches gegen die Person
seines Vaters unternommen gehabt; er habe allerdings seine Mängel, aber
'eselben seien mehr durch die allzufreie Erziehung verursacht und weil er'


Grenzboten IV 37

dem Angeführten hervorgeht, nicht als gelungen betrachtet werden kann. Der
vornehmlichste Belastungszeuge, den Schmidt gegen Philipp ins Treffen ge¬
führt, legt schließlich selbst ein Zeugniß ab in Uebereinstimmung und zur
Bekräftigung desselben, was er hat widerlegen sollen!

Der deutsche Kaiser Maximilian war im Sommer 1367 durch einen
besonderen Agenten über Carlos' Beschaffenheit mehr aufgeklärt worden, als
früher. Damals wurden, den Aufschub der Ehe zu motiviren. Einzelheiten aus
Carlos' Leben ihm mitgetheilt; er empfand, wie er sich in einem Briefe an
Philipp ausdrückte, Schmerz über Philipp's Unzufriedenheit mit dem Sohne;
er war es zufrieden, daß er im nächsten Jahre den Prinzen kennen lernen
sollte; dann, so war man überein gekommen, sollte die Zukunft desselben
erwogen und festgestellt werden. Auf diese Eröffnungen durfte man jetzt, im
Januar 1568, Bezug nehmen, wenn man Max die Katastrophe erklären und
rechtfertigen wollte.

Nach der Gefangennahme des Prinzen, während derselbe vollständig
von der Welt abgesperrt gehalten wurde, während also kein Mensch sich selbst
wehr eine Ansicht von ihm verschaffen konnte, war in Madrid Alles voll
von Gerüchten und Reden und Vermuthungen. Wie in den Berichten der
anderen Diplomaten finden wir auch in den Depeschen Dietrichstein's allerlei
derartiges verzeichnet. Nun muß man genau unterscheiden das Urtheil, das
Dietrtchstein als sein eigenes auf Grund seiner eigenen Wissenschaft gewon¬
nenes ausspricht, und dasjenige, was er nur als Aeußerung anderer Personen
referirt. Besonders war es auch das zukünftige Schicksal des Gefangenen,
über das man sich den Kopf zerbrach, und über das Dietrichstein fremde und
^gene Muthmaßungen vorzutragen wagt. Bald aber gelangte er zu der
Ueberzeugung, daß von einer Freilassung wohl nicht mehr die Rede sein
könnte (13. April 1568). Er berichtete zu gleicher Zeit, daß man den Beicht¬
vater, einen frommen, christlichen Mann zu ihm gelassen; bei ihm sollte der
gefangene Prinz auch zu Ostern 1568 gebeichtet und communicirt haben.

Dies letztere war ein Ereigniß, das zu denken gab. Nach Dietrichstein's
Ansicht mußte die Thatsache, daß man dem Gefangenen die Osterbeichte ge¬
stattet, zwei Verdachtspunkte von ihm hinwegnehmen: einmal, daß er nicht
^ulguter Katholik gewesen, und zweitens daß er seiner Sinne beraubt ge¬
wesen wäre; eng!, würde also, schließt er, folgern dürfen, daß die Gefangey-
>Mft „allein seiner Eigenschaft und Condicion halber" als eine väterliche
Züchtigung geschehen sei. Er erzählt sein Gespräch mit dem Beichtvater;
derselbe betheuerte es dem Gesandten mit Nachdruck, der Prinz sei immer ein
vnter Katholik gewesen, auch habe er nichts sträfliches gegen die Person
seines Vaters unternommen gehabt; er habe allerdings seine Mängel, aber
'eselben seien mehr durch die allzufreie Erziehung verursacht und weil er'


Grenzboten IV 37
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[0293] dem Angeführten hervorgeht, nicht als gelungen betrachtet werden kann. Der vornehmlichste Belastungszeuge, den Schmidt gegen Philipp ins Treffen ge¬ führt, legt schließlich selbst ein Zeugniß ab in Uebereinstimmung und zur Bekräftigung desselben, was er hat widerlegen sollen! Der deutsche Kaiser Maximilian war im Sommer 1367 durch einen besonderen Agenten über Carlos' Beschaffenheit mehr aufgeklärt worden, als früher. Damals wurden, den Aufschub der Ehe zu motiviren. Einzelheiten aus Carlos' Leben ihm mitgetheilt; er empfand, wie er sich in einem Briefe an Philipp ausdrückte, Schmerz über Philipp's Unzufriedenheit mit dem Sohne; er war es zufrieden, daß er im nächsten Jahre den Prinzen kennen lernen sollte; dann, so war man überein gekommen, sollte die Zukunft desselben erwogen und festgestellt werden. Auf diese Eröffnungen durfte man jetzt, im Januar 1568, Bezug nehmen, wenn man Max die Katastrophe erklären und rechtfertigen wollte. Nach der Gefangennahme des Prinzen, während derselbe vollständig von der Welt abgesperrt gehalten wurde, während also kein Mensch sich selbst wehr eine Ansicht von ihm verschaffen konnte, war in Madrid Alles voll von Gerüchten und Reden und Vermuthungen. Wie in den Berichten der anderen Diplomaten finden wir auch in den Depeschen Dietrichstein's allerlei derartiges verzeichnet. Nun muß man genau unterscheiden das Urtheil, das Dietrtchstein als sein eigenes auf Grund seiner eigenen Wissenschaft gewon¬ nenes ausspricht, und dasjenige, was er nur als Aeußerung anderer Personen referirt. Besonders war es auch das zukünftige Schicksal des Gefangenen, über das man sich den Kopf zerbrach, und über das Dietrichstein fremde und ^gene Muthmaßungen vorzutragen wagt. Bald aber gelangte er zu der Ueberzeugung, daß von einer Freilassung wohl nicht mehr die Rede sein könnte (13. April 1568). Er berichtete zu gleicher Zeit, daß man den Beicht¬ vater, einen frommen, christlichen Mann zu ihm gelassen; bei ihm sollte der gefangene Prinz auch zu Ostern 1568 gebeichtet und communicirt haben. Dies letztere war ein Ereigniß, das zu denken gab. Nach Dietrichstein's Ansicht mußte die Thatsache, daß man dem Gefangenen die Osterbeichte ge¬ stattet, zwei Verdachtspunkte von ihm hinwegnehmen: einmal, daß er nicht ^ulguter Katholik gewesen, und zweitens daß er seiner Sinne beraubt ge¬ wesen wäre; eng!, würde also, schließt er, folgern dürfen, daß die Gefangey- >Mft „allein seiner Eigenschaft und Condicion halber" als eine väterliche Züchtigung geschehen sei. Er erzählt sein Gespräch mit dem Beichtvater; derselbe betheuerte es dem Gesandten mit Nachdruck, der Prinz sei immer ein vnter Katholik gewesen, auch habe er nichts sträfliches gegen die Person seines Vaters unternommen gehabt; er habe allerdings seine Mängel, aber 'eselben seien mehr durch die allzufreie Erziehung verursacht und weil er' Grenzboten IV 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/293>, abgerufen am 28.07.2024.