Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ausgang des ganzen Handels ein. Soviel halte ich für sicher, daß er vor
seinem Abgange nach Spanien von jenem Berichte Guzman's vom 10. März
1662 nicht Kenntniß erhalten, -- ja ich glaube es für wahrscheinlich halten
zu dürfen, daß nicht einmal Maximilian von seinem Bater vollständig einge¬
weiht worden ist. So erklärt es sich, daß Dietrichstein in Madrid zu einem
festen Urtheile zu gelangen so außerordentliche Schwierigkeiten hatte; so er¬
klärt es sich auch, daß er in den Berichten -- mindestens soweit wir sie
kennen -- sich niemals auf jene frühere Thatsache bezieht.

Im Sommer 1665 hörte er von "allerlei Anfechtungen und Nach¬
denken, ".die Carlos seinem Vater verursacht; indem er selbst sich wiederum
auf seinen früheren Bericht beruft, meinte er die Gesundheit desselben habe
sich gebessert. Später aber im Oetober meldete er wieder eine Verschlimmerung
des Zustandes: "bei diesem großen unordentlichen Wesen, das er treibt, ist
wahrlich zu besorgen, daß er nicht werde alt werden." Im März 1566 er¬
klärte er wieder einmal, nicht zu wissen, weßhalb die Sache so in die Länge
gezogen würde, -- er selbst hatte damals wieder neue Hoffnungen für Don
Carlos gefaßt. Dagegen glaubte er im August 1666 sich dahin aussprechen
zu können: "so viel das Misterium betrifft, nämlich den Verzug von des
Prinzen Heirath, könne er nicht anders dies verstehen, als daß Philipp diese
Sache allein um des Prinzen willen hinziehe, nicht allein seiner Gesund¬
heit wegen, -- er wäre jetzt stärker und gesunder -- sondern damit er erst
sein Benehmen bessere und seinen Charakter ändere (ut mores emeodet et
suos ex piÄva, eäueatione xvLsimos contraxit cursu temxvris Ainittat et
eonäitionem suÄM mutet).

Bei der abwartenden Haltung des Königs wurde Dietrichstein oft un¬
geduldig; nicht geringer aber war die unruhige Spannung und Erwartung,
mit welcher in Wien der Kaiser der Erledigung der Sache entgegen sah.
Auch Don Carlos, der seinen Sinn selbst auf die Hand der Prinzessin Anna
gerichtet, wurde über die Zögerungen des Vaters sehr unlustig und machte
seinem Unmuthe oft in wenig respektvollen Worten Luft. Im Laufe des
Jahres 1567 verfinsterte sich der Horizont zusehends für den Prinzen. Die
Atmosphäre in Madrid wurde für ihn immer schwüler. Schon meinte Dietrich¬
stein (10. März 1567), wenn er seine Eigenschaften nicht ändere und seine
Affekte nicht besser beherrsche, würde es nicht gut mit ihm werden. Und Carlos
selbst war nun älter geworden; dem Zweiundzwanzigjährigen konnten nicht
Wohl die Ehe und eine angemessene Ausstattung versagt werden, falls man
'du nicht geradezu für schwachsinnig und unfähig offen erklären wollte. Eine
Anzahl einzelner Vorfälle schienen eine Zunahme seiner Verkehrtheit anzu¬
zeigen. Dietrichstein hielt es für bedenklich, ja auch für sehr schwierig, ein
Urtheil über die ganze Sache zu wagen; er meinte wohl (26. April 1667),


Ausgang des ganzen Handels ein. Soviel halte ich für sicher, daß er vor
seinem Abgange nach Spanien von jenem Berichte Guzman's vom 10. März
1662 nicht Kenntniß erhalten, — ja ich glaube es für wahrscheinlich halten
zu dürfen, daß nicht einmal Maximilian von seinem Bater vollständig einge¬
weiht worden ist. So erklärt es sich, daß Dietrichstein in Madrid zu einem
festen Urtheile zu gelangen so außerordentliche Schwierigkeiten hatte; so er¬
klärt es sich auch, daß er in den Berichten — mindestens soweit wir sie
kennen — sich niemals auf jene frühere Thatsache bezieht.

Im Sommer 1665 hörte er von „allerlei Anfechtungen und Nach¬
denken, ".die Carlos seinem Vater verursacht; indem er selbst sich wiederum
auf seinen früheren Bericht beruft, meinte er die Gesundheit desselben habe
sich gebessert. Später aber im Oetober meldete er wieder eine Verschlimmerung
des Zustandes: „bei diesem großen unordentlichen Wesen, das er treibt, ist
wahrlich zu besorgen, daß er nicht werde alt werden." Im März 1566 er¬
klärte er wieder einmal, nicht zu wissen, weßhalb die Sache so in die Länge
gezogen würde, — er selbst hatte damals wieder neue Hoffnungen für Don
Carlos gefaßt. Dagegen glaubte er im August 1666 sich dahin aussprechen
zu können: „so viel das Misterium betrifft, nämlich den Verzug von des
Prinzen Heirath, könne er nicht anders dies verstehen, als daß Philipp diese
Sache allein um des Prinzen willen hinziehe, nicht allein seiner Gesund¬
heit wegen, — er wäre jetzt stärker und gesunder — sondern damit er erst
sein Benehmen bessere und seinen Charakter ändere (ut mores emeodet et
suos ex piÄva, eäueatione xvLsimos contraxit cursu temxvris Ainittat et
eonäitionem suÄM mutet).

Bei der abwartenden Haltung des Königs wurde Dietrichstein oft un¬
geduldig; nicht geringer aber war die unruhige Spannung und Erwartung,
mit welcher in Wien der Kaiser der Erledigung der Sache entgegen sah.
Auch Don Carlos, der seinen Sinn selbst auf die Hand der Prinzessin Anna
gerichtet, wurde über die Zögerungen des Vaters sehr unlustig und machte
seinem Unmuthe oft in wenig respektvollen Worten Luft. Im Laufe des
Jahres 1567 verfinsterte sich der Horizont zusehends für den Prinzen. Die
Atmosphäre in Madrid wurde für ihn immer schwüler. Schon meinte Dietrich¬
stein (10. März 1567), wenn er seine Eigenschaften nicht ändere und seine
Affekte nicht besser beherrsche, würde es nicht gut mit ihm werden. Und Carlos
selbst war nun älter geworden; dem Zweiundzwanzigjährigen konnten nicht
Wohl die Ehe und eine angemessene Ausstattung versagt werden, falls man
'du nicht geradezu für schwachsinnig und unfähig offen erklären wollte. Eine
Anzahl einzelner Vorfälle schienen eine Zunahme seiner Verkehrtheit anzu¬
zeigen. Dietrichstein hielt es für bedenklich, ja auch für sehr schwierig, ein
Urtheil über die ganze Sache zu wagen; er meinte wohl (26. April 1667),


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132513"/>
          <p xml:id="ID_909" prev="#ID_908"> Ausgang des ganzen Handels ein. Soviel halte ich für sicher, daß er vor<lb/>
seinem Abgange nach Spanien von jenem Berichte Guzman's vom 10. März<lb/>
1662 nicht Kenntniß erhalten, &#x2014; ja ich glaube es für wahrscheinlich halten<lb/>
zu dürfen, daß nicht einmal Maximilian von seinem Bater vollständig einge¬<lb/>
weiht worden ist. So erklärt es sich, daß Dietrichstein in Madrid zu einem<lb/>
festen Urtheile zu gelangen so außerordentliche Schwierigkeiten hatte; so er¬<lb/>
klärt es sich auch, daß er in den Berichten &#x2014; mindestens soweit wir sie<lb/>
kennen &#x2014; sich niemals auf jene frühere Thatsache bezieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_910"> Im Sommer 1665 hörte er von &#x201E;allerlei Anfechtungen und Nach¬<lb/>
denken, ".die Carlos seinem Vater verursacht; indem er selbst sich wiederum<lb/>
auf seinen früheren Bericht beruft, meinte er die Gesundheit desselben habe<lb/>
sich gebessert. Später aber im Oetober meldete er wieder eine Verschlimmerung<lb/>
des Zustandes: &#x201E;bei diesem großen unordentlichen Wesen, das er treibt, ist<lb/>
wahrlich zu besorgen, daß er nicht werde alt werden." Im März 1566 er¬<lb/>
klärte er wieder einmal, nicht zu wissen, weßhalb die Sache so in die Länge<lb/>
gezogen würde, &#x2014; er selbst hatte damals wieder neue Hoffnungen für Don<lb/>
Carlos gefaßt. Dagegen glaubte er im August 1666 sich dahin aussprechen<lb/>
zu können: &#x201E;so viel das Misterium betrifft, nämlich den Verzug von des<lb/>
Prinzen Heirath, könne er nicht anders dies verstehen, als daß Philipp diese<lb/>
Sache allein um des Prinzen willen hinziehe, nicht allein seiner Gesund¬<lb/>
heit wegen, &#x2014; er wäre jetzt stärker und gesunder &#x2014; sondern damit er erst<lb/>
sein Benehmen bessere und seinen Charakter ändere (ut mores emeodet et<lb/>
suos ex piÄva, eäueatione xvLsimos contraxit cursu temxvris Ainittat et<lb/>
eonäitionem suÄM mutet).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_911" next="#ID_912"> Bei der abwartenden Haltung des Königs wurde Dietrichstein oft un¬<lb/>
geduldig; nicht geringer aber war die unruhige Spannung und Erwartung,<lb/>
mit welcher in Wien der Kaiser der Erledigung der Sache entgegen sah.<lb/>
Auch Don Carlos, der seinen Sinn selbst auf die Hand der Prinzessin Anna<lb/>
gerichtet, wurde über die Zögerungen des Vaters sehr unlustig und machte<lb/>
seinem Unmuthe oft in wenig respektvollen Worten Luft. Im Laufe des<lb/>
Jahres 1567 verfinsterte sich der Horizont zusehends für den Prinzen. Die<lb/>
Atmosphäre in Madrid wurde für ihn immer schwüler. Schon meinte Dietrich¬<lb/>
stein (10. März 1567), wenn er seine Eigenschaften nicht ändere und seine<lb/>
Affekte nicht besser beherrsche, würde es nicht gut mit ihm werden. Und Carlos<lb/>
selbst war nun älter geworden; dem Zweiundzwanzigjährigen konnten nicht<lb/>
Wohl die Ehe und eine angemessene Ausstattung versagt werden, falls man<lb/>
'du nicht geradezu für schwachsinnig und unfähig offen erklären wollte. Eine<lb/>
Anzahl einzelner Vorfälle schienen eine Zunahme seiner Verkehrtheit anzu¬<lb/>
zeigen. Dietrichstein hielt es für bedenklich, ja auch für sehr schwierig, ein<lb/>
Urtheil über die ganze Sache zu wagen; er meinte wohl (26. April 1667),</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] Ausgang des ganzen Handels ein. Soviel halte ich für sicher, daß er vor seinem Abgange nach Spanien von jenem Berichte Guzman's vom 10. März 1662 nicht Kenntniß erhalten, — ja ich glaube es für wahrscheinlich halten zu dürfen, daß nicht einmal Maximilian von seinem Bater vollständig einge¬ weiht worden ist. So erklärt es sich, daß Dietrichstein in Madrid zu einem festen Urtheile zu gelangen so außerordentliche Schwierigkeiten hatte; so er¬ klärt es sich auch, daß er in den Berichten — mindestens soweit wir sie kennen — sich niemals auf jene frühere Thatsache bezieht. Im Sommer 1665 hörte er von „allerlei Anfechtungen und Nach¬ denken, ".die Carlos seinem Vater verursacht; indem er selbst sich wiederum auf seinen früheren Bericht beruft, meinte er die Gesundheit desselben habe sich gebessert. Später aber im Oetober meldete er wieder eine Verschlimmerung des Zustandes: „bei diesem großen unordentlichen Wesen, das er treibt, ist wahrlich zu besorgen, daß er nicht werde alt werden." Im März 1566 er¬ klärte er wieder einmal, nicht zu wissen, weßhalb die Sache so in die Länge gezogen würde, — er selbst hatte damals wieder neue Hoffnungen für Don Carlos gefaßt. Dagegen glaubte er im August 1666 sich dahin aussprechen zu können: „so viel das Misterium betrifft, nämlich den Verzug von des Prinzen Heirath, könne er nicht anders dies verstehen, als daß Philipp diese Sache allein um des Prinzen willen hinziehe, nicht allein seiner Gesund¬ heit wegen, — er wäre jetzt stärker und gesunder — sondern damit er erst sein Benehmen bessere und seinen Charakter ändere (ut mores emeodet et suos ex piÄva, eäueatione xvLsimos contraxit cursu temxvris Ainittat et eonäitionem suÄM mutet). Bei der abwartenden Haltung des Königs wurde Dietrichstein oft un¬ geduldig; nicht geringer aber war die unruhige Spannung und Erwartung, mit welcher in Wien der Kaiser der Erledigung der Sache entgegen sah. Auch Don Carlos, der seinen Sinn selbst auf die Hand der Prinzessin Anna gerichtet, wurde über die Zögerungen des Vaters sehr unlustig und machte seinem Unmuthe oft in wenig respektvollen Worten Luft. Im Laufe des Jahres 1567 verfinsterte sich der Horizont zusehends für den Prinzen. Die Atmosphäre in Madrid wurde für ihn immer schwüler. Schon meinte Dietrich¬ stein (10. März 1567), wenn er seine Eigenschaften nicht ändere und seine Affekte nicht besser beherrsche, würde es nicht gut mit ihm werden. Und Carlos selbst war nun älter geworden; dem Zweiundzwanzigjährigen konnten nicht Wohl die Ehe und eine angemessene Ausstattung versagt werden, falls man 'du nicht geradezu für schwachsinnig und unfähig offen erklären wollte. Eine Anzahl einzelner Vorfälle schienen eine Zunahme seiner Verkehrtheit anzu¬ zeigen. Dietrichstein hielt es für bedenklich, ja auch für sehr schwierig, ein Urtheil über die ganze Sache zu wagen; er meinte wohl (26. April 1667),

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/291>, abgerufen am 28.07.2024.