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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Verluste, die der undankbare Kampf um die Aufrechterhaltung seiner bischöf¬
lichen Würde verursacht hatte, genügend zu entschädigen. Thuanus läßt in
seinen Berichten Herrn v. Thon, der sich um die friedliche Lösung verdient
machte, hierüber folgendes sagen"): Der Marquis v. Brandenburg trat das
Bisthum Straßburg an den Kardinal Karl v. Lothringen unter der Be¬
dingung ab, daß der Kardinal ihm 130.000 Thaler Gold zahlte und daß
der Herzog v. Würtemberg dreißig Jahre lang die Stadt und das Amt
Oberkirch in Sequester halten sollte, um die Schulden des Marquis v. Bran¬
denburg abzutragen, die sich auf 30,000 Thaler Gold beliefen, und ihm
ferner jährlich (d. h. während der fünfzehn Jahre) 9000 Thaler Gold zu
überweisen.

So ließ sich also der Kardinal von Lothringen bereit finden, bedeutende
Abtretungen von Kirchengütern zu vollziehen und ungeheure Geldopfer zu
bringen, um den katholischen Glauben im Elsaß zu retten.

An einem unbedeutenden Hinderniß, wie so oft, mußten sich auch hier
die Schwingen einer freieren Geistesbewegung brechen.

Man begreift die eminente Wichtigkeit, die es für die Fortentwickelung
der protestantischen Sache im südwestlichen Deutschland gehabt haben würde,
wenn während der sehr bald darauf ausbrechenden Wirren des dreißigjährigen
Kriegs in Straßburg statt des Kardinals von Lothringen ein protestantischer
Bischof aus dem Hause Hohenzollern residirt hätte.

Vielleicht würde sich dann in der Folgezeit in die Blätter der deutschen
Geschichte nie jener schimpfliche historische Irrthum eingeschlichen haben, dessen
Korrektur die Ereignisse des Jahres 1870 möglich und nothwendig machten.


Gustav Krause.


IM Mendelssohn-Aartholoy's Werke.

Welch ein köstliches Vermächtniß ist es, das uns der leider so früh ab¬
berufene Meister hinterlassen, welch eine Fülle der herrlichsten Gestaltungen
auf den verschiedenartigsten Gebieten musikalischer Schöpfung, welche Mannig¬
faltigkeit, welcher Reichthum wiederum in den einzelnen Gebilden gleicher
Gattung. Alle tragen sie das Gepräge vollendeter Meisterschaft, in allen
sehen wir das Streben nach dem Idealen. Ueberall weiß Mendelssohn mit
klarem Blicke seine Kunstaufgnbe zu erkennen, und mit der sichersten Be-



") I-,axiMo, Histoirv w ?roviuo<z ü'^Ikkvs, 2 vol. -- KtiÄsdouiU, 1727.

Verluste, die der undankbare Kampf um die Aufrechterhaltung seiner bischöf¬
lichen Würde verursacht hatte, genügend zu entschädigen. Thuanus läßt in
seinen Berichten Herrn v. Thon, der sich um die friedliche Lösung verdient
machte, hierüber folgendes sagen"): Der Marquis v. Brandenburg trat das
Bisthum Straßburg an den Kardinal Karl v. Lothringen unter der Be¬
dingung ab, daß der Kardinal ihm 130.000 Thaler Gold zahlte und daß
der Herzog v. Würtemberg dreißig Jahre lang die Stadt und das Amt
Oberkirch in Sequester halten sollte, um die Schulden des Marquis v. Bran¬
denburg abzutragen, die sich auf 30,000 Thaler Gold beliefen, und ihm
ferner jährlich (d. h. während der fünfzehn Jahre) 9000 Thaler Gold zu
überweisen.

So ließ sich also der Kardinal von Lothringen bereit finden, bedeutende
Abtretungen von Kirchengütern zu vollziehen und ungeheure Geldopfer zu
bringen, um den katholischen Glauben im Elsaß zu retten.

An einem unbedeutenden Hinderniß, wie so oft, mußten sich auch hier
die Schwingen einer freieren Geistesbewegung brechen.

Man begreift die eminente Wichtigkeit, die es für die Fortentwickelung
der protestantischen Sache im südwestlichen Deutschland gehabt haben würde,
wenn während der sehr bald darauf ausbrechenden Wirren des dreißigjährigen
Kriegs in Straßburg statt des Kardinals von Lothringen ein protestantischer
Bischof aus dem Hause Hohenzollern residirt hätte.

Vielleicht würde sich dann in der Folgezeit in die Blätter der deutschen
Geschichte nie jener schimpfliche historische Irrthum eingeschlichen haben, dessen
Korrektur die Ereignisse des Jahres 1870 möglich und nothwendig machten.


Gustav Krause.


IM Mendelssohn-Aartholoy's Werke.

Welch ein köstliches Vermächtniß ist es, das uns der leider so früh ab¬
berufene Meister hinterlassen, welch eine Fülle der herrlichsten Gestaltungen
auf den verschiedenartigsten Gebieten musikalischer Schöpfung, welche Mannig¬
faltigkeit, welcher Reichthum wiederum in den einzelnen Gebilden gleicher
Gattung. Alle tragen sie das Gepräge vollendeter Meisterschaft, in allen
sehen wir das Streben nach dem Idealen. Ueberall weiß Mendelssohn mit
klarem Blicke seine Kunstaufgnbe zu erkennen, und mit der sichersten Be-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/28>, abgerufen am 27.07.2024.