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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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erregt, habe er seinem Sohne die Braut geraubt; bei ihrer Ankunft in
Spanien sei allgemeiner Jubel entstanden; man sagte, Elisabeth sei vor
Anfang der Welt concipirt und in der Absicht Gottes reservirt worden für
diesen ihren Gemahl. Auch Don Carlos habe sich in sie verliebt; er sei
eifersüchtig auf den Vater und voller Zorn gegen ihn geworden, so sehr daß
er ihm eines Tages das Unrecht geradezu vorwarf, seine Braut ihm geraubt
zu haben: und dies soll, fügt Brantome hinzu, neben anderen Dingen Ur¬
sache seines Todes gewesen sein. Die Cavaliere des Hofes hätten nicht gewagt,
-- so schön war die Königin -- ihr Auge zu ihr zu erheben, aus Besorgniß
sich sonst in sie zu verlieben und dann die Eifersucht des Königes zu erregen
und ihr Leben zu riskiren. Auch die Priester verhielten sich ebenso aus
Furcht der Versuchung zu erliegen, da sie sonst bei ihrem Anblicke nicht Herr
und Meister gewesen wären über die Gelüste ihres Fleisches!"*) -- jedoch
die hier exeerpirte Stelle wird genügend gezeigt haben, wie Brantome das
erbauliche Thema von der allmächtigen Schönheit der Königin in sehr wenig
erbaulicher, dafür aber recht cynischer Weise behandelt hat. Ich denke, wer
sich ein wenig in diesen Schriftsteller hineingelesen hat, wird sich weigern als
vollgültigen Zeugen für eine in solchem Zusammenhang vorgetragene Sache
ihn gelten zu lassen. Außer der Biographie Elisabeth's verfaßte er auch eine
Lebensgeschichte des Don Carlos. Hier kehrt dieselbe Geschichte wieder; hier
aber theilt Brantome auch allerlei anderes noch mit und erklärt ausdrücklich
eines jeden Urtheiles über den ganzen Handel sich zu enthalten.

Die Bemühungen Elisabeth's für ihre Schwester fanden keinen Anklang.
In Spanien selbst gab es eine Partei, welche den Prinzen mit seiner Tante,
der Prinzessin Johanna, vermählt zu sehen wünschte. Der spanischen Politik
lag einmal der Gedanke nahe, für ihn eine Verbindung wie der Schotten¬
königin Maria Stuart zu suchen, -- doch setzte dies Projekt bei Carlos immer
eine gewisse Leistungsfähigkeit voraus, da ihm schwierige politische Aufgaben
gerade in Schottland zufallen mußten. In der Familie war man daraus
aus, die Bande zwischen den deutschen und spanischen Habsburger" zu ver¬
stärken und Carlos mit der deutschen Prinzessin Anna, seiner Base, zu verloben.

Ueber alle diese Dinge wurde gehandelt und berathen. Philipp hielt die
Entscheidung in der Schwebe: er mußte erst die Entwickelung seines Sohnes
abwarten. Die Verhandlungen mit Kaiser Ferdinand sind nun unsere vor¬
züglichste Quelle, die uns Aufschluß und Einblick über die Entwickelung und
Natur des Don Carlos gewährt. Wir haben allen Grund, die durch sie erha^
eene Information für eine gute und aufrichtige anzusehen: wenn Philipp die



*) I^hö xeus S'östiss su Küsaieut tont Ah mosrass no pour So tentg-lion us ooeosis-
saus assss als koress vt oonimanüowent ni, leur vn-"r pour I'öuxin-Ahr <t'ku estro tkutöo.
Vgl. über Brantome die kritischen Bemerkungen Ranke's c> a. O. S. 24l f.

erregt, habe er seinem Sohne die Braut geraubt; bei ihrer Ankunft in
Spanien sei allgemeiner Jubel entstanden; man sagte, Elisabeth sei vor
Anfang der Welt concipirt und in der Absicht Gottes reservirt worden für
diesen ihren Gemahl. Auch Don Carlos habe sich in sie verliebt; er sei
eifersüchtig auf den Vater und voller Zorn gegen ihn geworden, so sehr daß
er ihm eines Tages das Unrecht geradezu vorwarf, seine Braut ihm geraubt
zu haben: und dies soll, fügt Brantome hinzu, neben anderen Dingen Ur¬
sache seines Todes gewesen sein. Die Cavaliere des Hofes hätten nicht gewagt,
— so schön war die Königin — ihr Auge zu ihr zu erheben, aus Besorgniß
sich sonst in sie zu verlieben und dann die Eifersucht des Königes zu erregen
und ihr Leben zu riskiren. Auch die Priester verhielten sich ebenso aus
Furcht der Versuchung zu erliegen, da sie sonst bei ihrem Anblicke nicht Herr
und Meister gewesen wären über die Gelüste ihres Fleisches!"*) — jedoch
die hier exeerpirte Stelle wird genügend gezeigt haben, wie Brantome das
erbauliche Thema von der allmächtigen Schönheit der Königin in sehr wenig
erbaulicher, dafür aber recht cynischer Weise behandelt hat. Ich denke, wer
sich ein wenig in diesen Schriftsteller hineingelesen hat, wird sich weigern als
vollgültigen Zeugen für eine in solchem Zusammenhang vorgetragene Sache
ihn gelten zu lassen. Außer der Biographie Elisabeth's verfaßte er auch eine
Lebensgeschichte des Don Carlos. Hier kehrt dieselbe Geschichte wieder; hier
aber theilt Brantome auch allerlei anderes noch mit und erklärt ausdrücklich
eines jeden Urtheiles über den ganzen Handel sich zu enthalten.

Die Bemühungen Elisabeth's für ihre Schwester fanden keinen Anklang.
In Spanien selbst gab es eine Partei, welche den Prinzen mit seiner Tante,
der Prinzessin Johanna, vermählt zu sehen wünschte. Der spanischen Politik
lag einmal der Gedanke nahe, für ihn eine Verbindung wie der Schotten¬
königin Maria Stuart zu suchen, — doch setzte dies Projekt bei Carlos immer
eine gewisse Leistungsfähigkeit voraus, da ihm schwierige politische Aufgaben
gerade in Schottland zufallen mußten. In der Familie war man daraus
aus, die Bande zwischen den deutschen und spanischen Habsburger» zu ver¬
stärken und Carlos mit der deutschen Prinzessin Anna, seiner Base, zu verloben.

Ueber alle diese Dinge wurde gehandelt und berathen. Philipp hielt die
Entscheidung in der Schwebe: er mußte erst die Entwickelung seines Sohnes
abwarten. Die Verhandlungen mit Kaiser Ferdinand sind nun unsere vor¬
züglichste Quelle, die uns Aufschluß und Einblick über die Entwickelung und
Natur des Don Carlos gewährt. Wir haben allen Grund, die durch sie erha^
eene Information für eine gute und aufrichtige anzusehen: wenn Philipp die



*) I^hö xeus S'östiss su Küsaieut tont Ah mosrass no pour So tentg-lion us ooeosis-
saus assss als koress vt oonimanüowent ni, leur vn-»r pour I'öuxin-Ahr <t'ku estro tkutöo.
Vgl. über Brantome die kritischen Bemerkungen Ranke's c> a. O. S. 24l f.
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[0256] erregt, habe er seinem Sohne die Braut geraubt; bei ihrer Ankunft in Spanien sei allgemeiner Jubel entstanden; man sagte, Elisabeth sei vor Anfang der Welt concipirt und in der Absicht Gottes reservirt worden für diesen ihren Gemahl. Auch Don Carlos habe sich in sie verliebt; er sei eifersüchtig auf den Vater und voller Zorn gegen ihn geworden, so sehr daß er ihm eines Tages das Unrecht geradezu vorwarf, seine Braut ihm geraubt zu haben: und dies soll, fügt Brantome hinzu, neben anderen Dingen Ur¬ sache seines Todes gewesen sein. Die Cavaliere des Hofes hätten nicht gewagt, — so schön war die Königin — ihr Auge zu ihr zu erheben, aus Besorgniß sich sonst in sie zu verlieben und dann die Eifersucht des Königes zu erregen und ihr Leben zu riskiren. Auch die Priester verhielten sich ebenso aus Furcht der Versuchung zu erliegen, da sie sonst bei ihrem Anblicke nicht Herr und Meister gewesen wären über die Gelüste ihres Fleisches!"*) — jedoch die hier exeerpirte Stelle wird genügend gezeigt haben, wie Brantome das erbauliche Thema von der allmächtigen Schönheit der Königin in sehr wenig erbaulicher, dafür aber recht cynischer Weise behandelt hat. Ich denke, wer sich ein wenig in diesen Schriftsteller hineingelesen hat, wird sich weigern als vollgültigen Zeugen für eine in solchem Zusammenhang vorgetragene Sache ihn gelten zu lassen. Außer der Biographie Elisabeth's verfaßte er auch eine Lebensgeschichte des Don Carlos. Hier kehrt dieselbe Geschichte wieder; hier aber theilt Brantome auch allerlei anderes noch mit und erklärt ausdrücklich eines jeden Urtheiles über den ganzen Handel sich zu enthalten. Die Bemühungen Elisabeth's für ihre Schwester fanden keinen Anklang. In Spanien selbst gab es eine Partei, welche den Prinzen mit seiner Tante, der Prinzessin Johanna, vermählt zu sehen wünschte. Der spanischen Politik lag einmal der Gedanke nahe, für ihn eine Verbindung wie der Schotten¬ königin Maria Stuart zu suchen, — doch setzte dies Projekt bei Carlos immer eine gewisse Leistungsfähigkeit voraus, da ihm schwierige politische Aufgaben gerade in Schottland zufallen mußten. In der Familie war man daraus aus, die Bande zwischen den deutschen und spanischen Habsburger» zu ver¬ stärken und Carlos mit der deutschen Prinzessin Anna, seiner Base, zu verloben. Ueber alle diese Dinge wurde gehandelt und berathen. Philipp hielt die Entscheidung in der Schwebe: er mußte erst die Entwickelung seines Sohnes abwarten. Die Verhandlungen mit Kaiser Ferdinand sind nun unsere vor¬ züglichste Quelle, die uns Aufschluß und Einblick über die Entwickelung und Natur des Don Carlos gewährt. Wir haben allen Grund, die durch sie erha^ eene Information für eine gute und aufrichtige anzusehen: wenn Philipp die *) I^hö xeus S'östiss su Küsaieut tont Ah mosrass no pour So tentg-lion us ooeosis- saus assss als koress vt oonimanüowent ni, leur vn-»r pour I'öuxin-Ahr <t'ku estro tkutöo. Vgl. über Brantome die kritischen Bemerkungen Ranke's c> a. O. S. 24l f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/256>, abgerufen am 28.07.2024.