Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Quellen vorsichtig und gewissenhaft gestützte Biographie aus der Feder des
Marquis du Prat. *) Wir vergegenwärtigen uns an ihrer Hand aus den
Correspondenzen des französischen Gesandten und,der französischen Umgebung
der jungen Königin ohne Schwierigkeit die betreffenden Verhältnisse. Da
stellt sich nun heraus, daß Carlos freundlich der Mutter und sie mit Herz¬
lichkeit und Theilnahme ihm entgegengekommen ist. Wir erfahren sehr
deutlich, was für Elisabeth das Motiv ihres besonderen Interesses war: sie
sollte und wollte die Hand des Stiefsohnes für ihre eigene jüngere Schwester
gewinnen; zu diesem Endzwecke suchte sie auf ihn einzuwirken. In der That,
sehr einfach und deutlich ist der Sachverhalt, -- ein ganz reines Verhältniß.
Aber fkandalsüchtige Klatschen hat es auch im 16. Jahrhundert gegeben --
unsaubere und pikante Erfindungen fanden auch damals ein gern und eifrig
lauschendes Publikum. Nun wurde nach dem Tode des Don Carlos, dem
ja sehr bald der Tod der Königin folgte (der, beiläufig, der Behandlung der¬
selben im Wochenbett durch die spanischen Aerzte vielleicht nicht mit Unrecht
Schuld gegeben wurde) allerlei gezischelt und ausgetragen, als ob Philipp
beiden Vorfällen nicht fremd geblieben. Der große Prinz Wilhelm von
Oranien verkündete offen und ungescheut in seinem großen Manifeste 1581
dem erschreckten Europa diese Dinge, in jener mit der ganzen Leidenschaft
eines unversöhnlichen Hasses geschriebenen Brandschrift gegen seinen spanischen
Gegner: wir fühlen mit gespanntester Theilnahme mit diesem wirklich großen
Manne, wenn wir auch nicht jedes seiner in der Leidenschaft hinausgeworfenen
Schmähworte für richtig halten, -- wir verstehen jedenfalls die Wuth, die feine
Feder geführt. Ungefähr zwei Jahrzehnte nachher griff der französische
Abenteuerer und Pamphletist Brantome dieselben Dinge auf. Brantome
war selbst in Madrid am Hofe gewesen; er hatte die Königin Elisabeth ge¬
sehen und ebenso den Infanten. Er mischt in seiner Schilderung allerlei
durcheinander, selbst erlebtes und nur gelesenes; es kommt vor, daß er sogar
einzelne Züge aus bekannten Novellen bisweilen wieder als selbst erlebtes
auftischt: er will vor allem mit seinen Anekdoten amüsiren, und je schlüpfriger
die Dinge darzustellen ihm gelungen, desto behaglicher wird ihm dabei;
ohne eine Zote ist es ihm schwer irgend einen Abschnitt zu Ende zu bringen,
^lud ein so beschaffener Autor soll jetzt wirklich wieder als Zeuge für ein
Verhältniß zwischen Elisabeth und Carlos zugelassen werden! Es wird nicht
on umgehen sein, daß wir uns seine Aussage etwas genauer ansehen. Er
berichtet das Folgende: "Elisabeth sei von wunderbarer Lieblichkeit und
Schönheit gewesen, in so hohem Grade daß sie Jeden, der sie sah, bezaubert;
so habe Philipp sich, nachdem er ihr Bild gesehen, in sie verliebt und, dadurch



*) Mstoire Ä'VIisÄdetK alö VÄois röiug Ä'IZsvsslliz par 1<z Ng,ryuis ein ?rÄt. ?"ris> 1859.

Quellen vorsichtig und gewissenhaft gestützte Biographie aus der Feder des
Marquis du Prat. *) Wir vergegenwärtigen uns an ihrer Hand aus den
Correspondenzen des französischen Gesandten und,der französischen Umgebung
der jungen Königin ohne Schwierigkeit die betreffenden Verhältnisse. Da
stellt sich nun heraus, daß Carlos freundlich der Mutter und sie mit Herz¬
lichkeit und Theilnahme ihm entgegengekommen ist. Wir erfahren sehr
deutlich, was für Elisabeth das Motiv ihres besonderen Interesses war: sie
sollte und wollte die Hand des Stiefsohnes für ihre eigene jüngere Schwester
gewinnen; zu diesem Endzwecke suchte sie auf ihn einzuwirken. In der That,
sehr einfach und deutlich ist der Sachverhalt, — ein ganz reines Verhältniß.
Aber fkandalsüchtige Klatschen hat es auch im 16. Jahrhundert gegeben —
unsaubere und pikante Erfindungen fanden auch damals ein gern und eifrig
lauschendes Publikum. Nun wurde nach dem Tode des Don Carlos, dem
ja sehr bald der Tod der Königin folgte (der, beiläufig, der Behandlung der¬
selben im Wochenbett durch die spanischen Aerzte vielleicht nicht mit Unrecht
Schuld gegeben wurde) allerlei gezischelt und ausgetragen, als ob Philipp
beiden Vorfällen nicht fremd geblieben. Der große Prinz Wilhelm von
Oranien verkündete offen und ungescheut in seinem großen Manifeste 1581
dem erschreckten Europa diese Dinge, in jener mit der ganzen Leidenschaft
eines unversöhnlichen Hasses geschriebenen Brandschrift gegen seinen spanischen
Gegner: wir fühlen mit gespanntester Theilnahme mit diesem wirklich großen
Manne, wenn wir auch nicht jedes seiner in der Leidenschaft hinausgeworfenen
Schmähworte für richtig halten, — wir verstehen jedenfalls die Wuth, die feine
Feder geführt. Ungefähr zwei Jahrzehnte nachher griff der französische
Abenteuerer und Pamphletist Brantome dieselben Dinge auf. Brantome
war selbst in Madrid am Hofe gewesen; er hatte die Königin Elisabeth ge¬
sehen und ebenso den Infanten. Er mischt in seiner Schilderung allerlei
durcheinander, selbst erlebtes und nur gelesenes; es kommt vor, daß er sogar
einzelne Züge aus bekannten Novellen bisweilen wieder als selbst erlebtes
auftischt: er will vor allem mit seinen Anekdoten amüsiren, und je schlüpfriger
die Dinge darzustellen ihm gelungen, desto behaglicher wird ihm dabei;
ohne eine Zote ist es ihm schwer irgend einen Abschnitt zu Ende zu bringen,
^lud ein so beschaffener Autor soll jetzt wirklich wieder als Zeuge für ein
Verhältniß zwischen Elisabeth und Carlos zugelassen werden! Es wird nicht
on umgehen sein, daß wir uns seine Aussage etwas genauer ansehen. Er
berichtet das Folgende: „Elisabeth sei von wunderbarer Lieblichkeit und
Schönheit gewesen, in so hohem Grade daß sie Jeden, der sie sah, bezaubert;
so habe Philipp sich, nachdem er ihr Bild gesehen, in sie verliebt und, dadurch



*) Mstoire Ä'VIisÄdetK alö VÄois röiug Ä'IZsvsslliz par 1<z Ng,ryuis ein ?rÄt. ?»ris> 1859.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132477"/>
          <p xml:id="ID_791" prev="#ID_790" next="#ID_792"> Quellen vorsichtig und gewissenhaft gestützte Biographie aus der Feder des<lb/>
Marquis du Prat. *) Wir vergegenwärtigen uns an ihrer Hand aus den<lb/>
Correspondenzen des französischen Gesandten und,der französischen Umgebung<lb/>
der jungen Königin ohne Schwierigkeit die betreffenden Verhältnisse. Da<lb/>
stellt sich nun heraus, daß Carlos freundlich der Mutter und sie mit Herz¬<lb/>
lichkeit und Theilnahme ihm entgegengekommen ist. Wir erfahren sehr<lb/>
deutlich, was für Elisabeth das Motiv ihres besonderen Interesses war: sie<lb/>
sollte und wollte die Hand des Stiefsohnes für ihre eigene jüngere Schwester<lb/>
gewinnen; zu diesem Endzwecke suchte sie auf ihn einzuwirken. In der That,<lb/>
sehr einfach und deutlich ist der Sachverhalt, &#x2014; ein ganz reines Verhältniß.<lb/>
Aber fkandalsüchtige Klatschen hat es auch im 16. Jahrhundert gegeben &#x2014;<lb/>
unsaubere und pikante Erfindungen fanden auch damals ein gern und eifrig<lb/>
lauschendes Publikum. Nun wurde nach dem Tode des Don Carlos, dem<lb/>
ja sehr bald der Tod der Königin folgte (der, beiläufig, der Behandlung der¬<lb/>
selben im Wochenbett durch die spanischen Aerzte vielleicht nicht mit Unrecht<lb/>
Schuld gegeben wurde) allerlei gezischelt und ausgetragen, als ob Philipp<lb/>
beiden Vorfällen nicht fremd geblieben. Der große Prinz Wilhelm von<lb/>
Oranien verkündete offen und ungescheut in seinem großen Manifeste 1581<lb/>
dem erschreckten Europa diese Dinge, in jener mit der ganzen Leidenschaft<lb/>
eines unversöhnlichen Hasses geschriebenen Brandschrift gegen seinen spanischen<lb/>
Gegner: wir fühlen mit gespanntester Theilnahme mit diesem wirklich großen<lb/>
Manne, wenn wir auch nicht jedes seiner in der Leidenschaft hinausgeworfenen<lb/>
Schmähworte für richtig halten, &#x2014; wir verstehen jedenfalls die Wuth, die feine<lb/>
Feder geführt. Ungefähr zwei Jahrzehnte nachher griff der französische<lb/>
Abenteuerer und Pamphletist Brantome dieselben Dinge auf. Brantome<lb/>
war selbst in Madrid am Hofe gewesen; er hatte die Königin Elisabeth ge¬<lb/>
sehen und ebenso den Infanten. Er mischt in seiner Schilderung allerlei<lb/>
durcheinander, selbst erlebtes und nur gelesenes; es kommt vor, daß er sogar<lb/>
einzelne Züge aus bekannten Novellen bisweilen wieder als selbst erlebtes<lb/>
auftischt: er will vor allem mit seinen Anekdoten amüsiren, und je schlüpfriger<lb/>
die Dinge darzustellen ihm gelungen, desto behaglicher wird ihm dabei;<lb/>
ohne eine Zote ist es ihm schwer irgend einen Abschnitt zu Ende zu bringen,<lb/>
^lud ein so beschaffener Autor soll jetzt wirklich wieder als Zeuge für ein<lb/>
Verhältniß zwischen Elisabeth und Carlos zugelassen werden! Es wird nicht<lb/>
on umgehen sein, daß wir uns seine Aussage etwas genauer ansehen. Er<lb/>
berichtet das Folgende: &#x201E;Elisabeth sei von wunderbarer Lieblichkeit und<lb/>
Schönheit gewesen, in so hohem Grade daß sie Jeden, der sie sah, bezaubert;<lb/>
so habe Philipp sich, nachdem er ihr Bild gesehen, in sie verliebt und, dadurch</p><lb/>
          <note xml:id="FID_84" place="foot"> *) Mstoire Ä'VIisÄdetK alö VÄois röiug Ä'IZsvsslliz par 1&lt;z Ng,ryuis ein ?rÄt. ?»ris&gt; 1859.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0255] Quellen vorsichtig und gewissenhaft gestützte Biographie aus der Feder des Marquis du Prat. *) Wir vergegenwärtigen uns an ihrer Hand aus den Correspondenzen des französischen Gesandten und,der französischen Umgebung der jungen Königin ohne Schwierigkeit die betreffenden Verhältnisse. Da stellt sich nun heraus, daß Carlos freundlich der Mutter und sie mit Herz¬ lichkeit und Theilnahme ihm entgegengekommen ist. Wir erfahren sehr deutlich, was für Elisabeth das Motiv ihres besonderen Interesses war: sie sollte und wollte die Hand des Stiefsohnes für ihre eigene jüngere Schwester gewinnen; zu diesem Endzwecke suchte sie auf ihn einzuwirken. In der That, sehr einfach und deutlich ist der Sachverhalt, — ein ganz reines Verhältniß. Aber fkandalsüchtige Klatschen hat es auch im 16. Jahrhundert gegeben — unsaubere und pikante Erfindungen fanden auch damals ein gern und eifrig lauschendes Publikum. Nun wurde nach dem Tode des Don Carlos, dem ja sehr bald der Tod der Königin folgte (der, beiläufig, der Behandlung der¬ selben im Wochenbett durch die spanischen Aerzte vielleicht nicht mit Unrecht Schuld gegeben wurde) allerlei gezischelt und ausgetragen, als ob Philipp beiden Vorfällen nicht fremd geblieben. Der große Prinz Wilhelm von Oranien verkündete offen und ungescheut in seinem großen Manifeste 1581 dem erschreckten Europa diese Dinge, in jener mit der ganzen Leidenschaft eines unversöhnlichen Hasses geschriebenen Brandschrift gegen seinen spanischen Gegner: wir fühlen mit gespanntester Theilnahme mit diesem wirklich großen Manne, wenn wir auch nicht jedes seiner in der Leidenschaft hinausgeworfenen Schmähworte für richtig halten, — wir verstehen jedenfalls die Wuth, die feine Feder geführt. Ungefähr zwei Jahrzehnte nachher griff der französische Abenteuerer und Pamphletist Brantome dieselben Dinge auf. Brantome war selbst in Madrid am Hofe gewesen; er hatte die Königin Elisabeth ge¬ sehen und ebenso den Infanten. Er mischt in seiner Schilderung allerlei durcheinander, selbst erlebtes und nur gelesenes; es kommt vor, daß er sogar einzelne Züge aus bekannten Novellen bisweilen wieder als selbst erlebtes auftischt: er will vor allem mit seinen Anekdoten amüsiren, und je schlüpfriger die Dinge darzustellen ihm gelungen, desto behaglicher wird ihm dabei; ohne eine Zote ist es ihm schwer irgend einen Abschnitt zu Ende zu bringen, ^lud ein so beschaffener Autor soll jetzt wirklich wieder als Zeuge für ein Verhältniß zwischen Elisabeth und Carlos zugelassen werden! Es wird nicht on umgehen sein, daß wir uns seine Aussage etwas genauer ansehen. Er berichtet das Folgende: „Elisabeth sei von wunderbarer Lieblichkeit und Schönheit gewesen, in so hohem Grade daß sie Jeden, der sie sah, bezaubert; so habe Philipp sich, nachdem er ihr Bild gesehen, in sie verliebt und, dadurch *) Mstoire Ä'VIisÄdetK alö VÄois röiug Ä'IZsvsslliz par 1<z Ng,ryuis ein ?rÄt. ?»ris> 1859.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/255
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/255>, abgerufen am 28.07.2024.