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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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wäre, suchte der Kaiser sich gebieterischer zwischen die streitenden Parteien
einzulegen, indem er Johann Georg und Karl zur Niederlegung der Waffen
aufforderte, um die Entscheidung über ihre beiderseitigen Ansprüche einem
Schiedsgerichte anheimzugeben. Als auch die lutherischen Geistlichen, im
Gegensatz zu den calvinistischen, welche die Fortsetzung des Krieges predigten,
für den Abschluß des Friedens sprachen, sofern die Katholiken sich mit den
Kirchen, welche der Passauer Vertrag ihnen zugesprochen, begnügen wollten,
und der Bischof Johann Georg sowohl als der Kardinal von Lothringen in
ihren Mitteln erschöpft waren, so zeigten sich Beide nicht abgeneigt, sich dem
Spruche eines Schiedsgerichts zu unterwerfen. Drei Katholiken und drei
Protestanten bildeten dasselbe, nämlich: Wolfgang Brendel, Erzbischof von
Mainz; Julius, Bischof von Würzburg; Ferdinand, Erzherzog von Oester¬
reich; Ludwig von Hessen; Philipp Ludwig von Baiern, Pfalzgraf bei Rhein
und Friedrich Wilhelm, Administrator des Kurfürstenthums Sachsen. Am
9. März 1593 kam es zu einem provisorischen Ausgleiche, nach welchem, un¬
beschadet einer späteren definitiven Entscheidung des Kaisers, festgesetzt wurde,
daß der Kardinal Karl Zabern, Benfeldt und Rauffach nebst einer Anzahl
von Aemtern erhalten und ihm ingleichen Molsheim zurückgegeben werden
sollte; daß ferner Johann Georg, seinen Bischofssitz in Straßburg nebst den
zugehörigen Besitzungen behaltend, Dachstein wieder ausgeliefert bekäme, und
ihm eine Zahl von Aemtern zu überlassen seien, deren Revenüen sich so hoch
beliefen, als die der an Karl abgetretenen; endlich sollte Karl der Stadt
Straßburg Wasselnheim mit sämmtlichem dort vorgefundenem Geschütz wieder
ausliefern. In der Zustimmung zu diesem Bertrage seitens des Kardinals
von Lothringen lag also eine indirekte Anerkennung der Gerechtsame des
Ketzer-Bischofs. Eine endgültige Einigung, die man auf einer Versammlung
zu Speier versuchte, kam nicht zu Stande, doch gelangte man zu dem Ent¬
schlüsse, die beregten Festsetzungen dem Kaiser zu unterbreiten und auf einem
nach Frankfurt a. M. zusammenzuberufenden Reichstage zur Entscheidung zu
stellen. Beiden Theilen wurde unter Androhung der kaiserlichen Züchtigung
anbefohlen, bis dahin das getroffene Uebereinkommen aufs Genaueste zu
respektiren. Kaiser Rudolf II., der froh war. das Elsaß friedlichen Verhält¬
nissen zurückgegeben zu sehen, hütete sich, eine anderweitige Entscheidung zu
Gunsten der Katholiken zu treffen, denn er bedürfte der Unterstützung der
Protestanten in dem Kriege gegen die Türken, welcher in eben jenem Jahre
ausgebrochen war. Wenn nun also von dieser Seite Johann Georg sich
vorläufig nicht gefährdet sah. so wurden ihm jetzt dagegen durch den Magistrat
von Straßburg, der ihn bis dahin in der Bekämpfung seines Gegners kräftig
unterstützt hatte, Schwierigkeiten bereitet, die für seine eigene Stellung sowie


wäre, suchte der Kaiser sich gebieterischer zwischen die streitenden Parteien
einzulegen, indem er Johann Georg und Karl zur Niederlegung der Waffen
aufforderte, um die Entscheidung über ihre beiderseitigen Ansprüche einem
Schiedsgerichte anheimzugeben. Als auch die lutherischen Geistlichen, im
Gegensatz zu den calvinistischen, welche die Fortsetzung des Krieges predigten,
für den Abschluß des Friedens sprachen, sofern die Katholiken sich mit den
Kirchen, welche der Passauer Vertrag ihnen zugesprochen, begnügen wollten,
und der Bischof Johann Georg sowohl als der Kardinal von Lothringen in
ihren Mitteln erschöpft waren, so zeigten sich Beide nicht abgeneigt, sich dem
Spruche eines Schiedsgerichts zu unterwerfen. Drei Katholiken und drei
Protestanten bildeten dasselbe, nämlich: Wolfgang Brendel, Erzbischof von
Mainz; Julius, Bischof von Würzburg; Ferdinand, Erzherzog von Oester¬
reich; Ludwig von Hessen; Philipp Ludwig von Baiern, Pfalzgraf bei Rhein
und Friedrich Wilhelm, Administrator des Kurfürstenthums Sachsen. Am
9. März 1593 kam es zu einem provisorischen Ausgleiche, nach welchem, un¬
beschadet einer späteren definitiven Entscheidung des Kaisers, festgesetzt wurde,
daß der Kardinal Karl Zabern, Benfeldt und Rauffach nebst einer Anzahl
von Aemtern erhalten und ihm ingleichen Molsheim zurückgegeben werden
sollte; daß ferner Johann Georg, seinen Bischofssitz in Straßburg nebst den
zugehörigen Besitzungen behaltend, Dachstein wieder ausgeliefert bekäme, und
ihm eine Zahl von Aemtern zu überlassen seien, deren Revenüen sich so hoch
beliefen, als die der an Karl abgetretenen; endlich sollte Karl der Stadt
Straßburg Wasselnheim mit sämmtlichem dort vorgefundenem Geschütz wieder
ausliefern. In der Zustimmung zu diesem Bertrage seitens des Kardinals
von Lothringen lag also eine indirekte Anerkennung der Gerechtsame des
Ketzer-Bischofs. Eine endgültige Einigung, die man auf einer Versammlung
zu Speier versuchte, kam nicht zu Stande, doch gelangte man zu dem Ent¬
schlüsse, die beregten Festsetzungen dem Kaiser zu unterbreiten und auf einem
nach Frankfurt a. M. zusammenzuberufenden Reichstage zur Entscheidung zu
stellen. Beiden Theilen wurde unter Androhung der kaiserlichen Züchtigung
anbefohlen, bis dahin das getroffene Uebereinkommen aufs Genaueste zu
respektiren. Kaiser Rudolf II., der froh war. das Elsaß friedlichen Verhält¬
nissen zurückgegeben zu sehen, hütete sich, eine anderweitige Entscheidung zu
Gunsten der Katholiken zu treffen, denn er bedürfte der Unterstützung der
Protestanten in dem Kriege gegen die Türken, welcher in eben jenem Jahre
ausgebrochen war. Wenn nun also von dieser Seite Johann Georg sich
vorläufig nicht gefährdet sah. so wurden ihm jetzt dagegen durch den Magistrat
von Straßburg, der ihn bis dahin in der Bekämpfung seines Gegners kräftig
unterstützt hatte, Schwierigkeiten bereitet, die für seine eigene Stellung sowie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/25>, abgerufen am 27.07.2024.