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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Commentares nicht. Da wo man es hören soll wird man vielleicht beherzigen
daß systematisch fortgesetzte Verläumdungen für den Verläumder ihre Gefahren
haben können, auch wenn der Verläumdete still hält. Eines Tages kann der
Verläumder, um sich nicht selbst Lügen zu strafen, genöthigt sein, die ersten
Schritte auf dem Wege zu thun, den er einschlagen müßte, wenn er seinen
Ausstreuungen selbst Glauben schenkte. Auf diesem Wege wird er aber dem
Schwerdte der Vertheidigung ohne Verzug begegnen. --

In der Arnim'schen Angelegenheit hat die abgelaufene Woche wiederum
einige merkwürdige Jncidenzpunkte zum Vorschein gebracht. Der Graf hat für
gut befunden, seine Briefwechsel mit dem auswärtigen Amt über die seiner¬
seits einbehaltenen Schriftstücke außer an verschiedene ausländische Blätter
an zwei oppositionelle deutsche Zeitungen mitzutheilen. Ferner ist der Gras
auf Grund ärztlichen Zeugnisses, welches die Folgen der Gefängnißhaft für
seine Gesundheit als nicht wieder gut zu machende bezeichnet, gegen Cautton
aus dem Gefängniß entlassen worden, nachdem sein diesem Zeugniß voran¬
gegangener Antrag aus Entlassung aus der Haft in allen drei Instanzen
verworfen war. Wenn die Entlassung schließlich doch erfolgt ist, so hat
man, wie glaubwürdig verlautet, den Grund nicht blos in dem auf die neueste
ärztliche Untersuchung basirten Zeugniß zu sehen, sondern vor allem in dem
Umstand, daß die Voruntersuchung geschlossen und keine Verdunkelung des
Thatbestandes mehr durch den in Freiheit gesetzten Angeklagten zu befürchten
steht.

Dieser Angeklagte thut indeß, was in seinen Kräften steht, um bis zum
Tage der gerichtlichen Verhandlung die öffentliche Meinung auf die Noth¬
wendigkeit seiner Verurtheilung vorzubereiten. Welche Verblendung muß
einen Mann befangen, der im Stande ist, einen solchen Briefwechsel der
Oeffentlichkett zu übergeben, dessen Inhalt das gerichtliche Urtheil, und nur
nicht die Verurtheilung, überflüssig macht. Der allgemeine Gang der An'
gelegenheit, wie er bereits bekannt war, wird hier bestätigt, aber durch be¬
deutungsvolle Einzelheiten bereichert. Recapituliren wir noch einmal.

Im Botschaftsarchiv zu Paris wird eine erstaunlich große Lücke in den
Aktenstücken bemerkt. Man schreibt an den zur Disposition gestellten Bot¬
schafter. Derselbe sendet vierzehn Erlasse und Concepte ein. Damit ist in¬
deß die Lücke bei Weitem nicht ausgefüllt. Man schreibt also nochmals an
den bisherigen Chef der Botschaft, erinnert ihn an seine Verantwortlichkeit
und fordert ihn auf, sich über die fehlenden Nummern amtlich zu äußern-
Und nun verlegt sich dieser bisherige Chef einer der wichtigsten Botschaften
auf Einreden und Ausflüchte, die geeignet sein müßten, den ausgezeichneten
Ruf der Pflichttreue des preußischen Beamtenstandes gänzlich zu erschüttern,
wenn sich nicht bald die Bemerkung aufdrängte, daß man einen geistigen


Commentares nicht. Da wo man es hören soll wird man vielleicht beherzigen
daß systematisch fortgesetzte Verläumdungen für den Verläumder ihre Gefahren
haben können, auch wenn der Verläumdete still hält. Eines Tages kann der
Verläumder, um sich nicht selbst Lügen zu strafen, genöthigt sein, die ersten
Schritte auf dem Wege zu thun, den er einschlagen müßte, wenn er seinen
Ausstreuungen selbst Glauben schenkte. Auf diesem Wege wird er aber dem
Schwerdte der Vertheidigung ohne Verzug begegnen. —

In der Arnim'schen Angelegenheit hat die abgelaufene Woche wiederum
einige merkwürdige Jncidenzpunkte zum Vorschein gebracht. Der Graf hat für
gut befunden, seine Briefwechsel mit dem auswärtigen Amt über die seiner¬
seits einbehaltenen Schriftstücke außer an verschiedene ausländische Blätter
an zwei oppositionelle deutsche Zeitungen mitzutheilen. Ferner ist der Gras
auf Grund ärztlichen Zeugnisses, welches die Folgen der Gefängnißhaft für
seine Gesundheit als nicht wieder gut zu machende bezeichnet, gegen Cautton
aus dem Gefängniß entlassen worden, nachdem sein diesem Zeugniß voran¬
gegangener Antrag aus Entlassung aus der Haft in allen drei Instanzen
verworfen war. Wenn die Entlassung schließlich doch erfolgt ist, so hat
man, wie glaubwürdig verlautet, den Grund nicht blos in dem auf die neueste
ärztliche Untersuchung basirten Zeugniß zu sehen, sondern vor allem in dem
Umstand, daß die Voruntersuchung geschlossen und keine Verdunkelung des
Thatbestandes mehr durch den in Freiheit gesetzten Angeklagten zu befürchten
steht.

Dieser Angeklagte thut indeß, was in seinen Kräften steht, um bis zum
Tage der gerichtlichen Verhandlung die öffentliche Meinung auf die Noth¬
wendigkeit seiner Verurtheilung vorzubereiten. Welche Verblendung muß
einen Mann befangen, der im Stande ist, einen solchen Briefwechsel der
Oeffentlichkett zu übergeben, dessen Inhalt das gerichtliche Urtheil, und nur
nicht die Verurtheilung, überflüssig macht. Der allgemeine Gang der An'
gelegenheit, wie er bereits bekannt war, wird hier bestätigt, aber durch be¬
deutungsvolle Einzelheiten bereichert. Recapituliren wir noch einmal.

Im Botschaftsarchiv zu Paris wird eine erstaunlich große Lücke in den
Aktenstücken bemerkt. Man schreibt an den zur Disposition gestellten Bot¬
schafter. Derselbe sendet vierzehn Erlasse und Concepte ein. Damit ist in¬
deß die Lücke bei Weitem nicht ausgefüllt. Man schreibt also nochmals an
den bisherigen Chef der Botschaft, erinnert ihn an seine Verantwortlichkeit
und fordert ihn auf, sich über die fehlenden Nummern amtlich zu äußern-
Und nun verlegt sich dieser bisherige Chef einer der wichtigsten Botschaften
auf Einreden und Ausflüchte, die geeignet sein müßten, den ausgezeichneten
Ruf der Pflichttreue des preußischen Beamtenstandes gänzlich zu erschüttern,
wenn sich nicht bald die Bemerkung aufdrängte, daß man einen geistigen


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[0242] Commentares nicht. Da wo man es hören soll wird man vielleicht beherzigen daß systematisch fortgesetzte Verläumdungen für den Verläumder ihre Gefahren haben können, auch wenn der Verläumdete still hält. Eines Tages kann der Verläumder, um sich nicht selbst Lügen zu strafen, genöthigt sein, die ersten Schritte auf dem Wege zu thun, den er einschlagen müßte, wenn er seinen Ausstreuungen selbst Glauben schenkte. Auf diesem Wege wird er aber dem Schwerdte der Vertheidigung ohne Verzug begegnen. — In der Arnim'schen Angelegenheit hat die abgelaufene Woche wiederum einige merkwürdige Jncidenzpunkte zum Vorschein gebracht. Der Graf hat für gut befunden, seine Briefwechsel mit dem auswärtigen Amt über die seiner¬ seits einbehaltenen Schriftstücke außer an verschiedene ausländische Blätter an zwei oppositionelle deutsche Zeitungen mitzutheilen. Ferner ist der Gras auf Grund ärztlichen Zeugnisses, welches die Folgen der Gefängnißhaft für seine Gesundheit als nicht wieder gut zu machende bezeichnet, gegen Cautton aus dem Gefängniß entlassen worden, nachdem sein diesem Zeugniß voran¬ gegangener Antrag aus Entlassung aus der Haft in allen drei Instanzen verworfen war. Wenn die Entlassung schließlich doch erfolgt ist, so hat man, wie glaubwürdig verlautet, den Grund nicht blos in dem auf die neueste ärztliche Untersuchung basirten Zeugniß zu sehen, sondern vor allem in dem Umstand, daß die Voruntersuchung geschlossen und keine Verdunkelung des Thatbestandes mehr durch den in Freiheit gesetzten Angeklagten zu befürchten steht. Dieser Angeklagte thut indeß, was in seinen Kräften steht, um bis zum Tage der gerichtlichen Verhandlung die öffentliche Meinung auf die Noth¬ wendigkeit seiner Verurtheilung vorzubereiten. Welche Verblendung muß einen Mann befangen, der im Stande ist, einen solchen Briefwechsel der Oeffentlichkett zu übergeben, dessen Inhalt das gerichtliche Urtheil, und nur nicht die Verurtheilung, überflüssig macht. Der allgemeine Gang der An' gelegenheit, wie er bereits bekannt war, wird hier bestätigt, aber durch be¬ deutungsvolle Einzelheiten bereichert. Recapituliren wir noch einmal. Im Botschaftsarchiv zu Paris wird eine erstaunlich große Lücke in den Aktenstücken bemerkt. Man schreibt an den zur Disposition gestellten Bot¬ schafter. Derselbe sendet vierzehn Erlasse und Concepte ein. Damit ist in¬ deß die Lücke bei Weitem nicht ausgefüllt. Man schreibt also nochmals an den bisherigen Chef der Botschaft, erinnert ihn an seine Verantwortlichkeit und fordert ihn auf, sich über die fehlenden Nummern amtlich zu äußern- Und nun verlegt sich dieser bisherige Chef einer der wichtigsten Botschaften auf Einreden und Ausflüchte, die geeignet sein müßten, den ausgezeichneten Ruf der Pflichttreue des preußischen Beamtenstandes gänzlich zu erschüttern, wenn sich nicht bald die Bemerkung aufdrängte, daß man einen geistigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/242>, abgerufen am 27.07.2024.