Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.
Mit Recht stehen die Dichter, die heut zu Tage Texte für vorhandene Einen Gegensatz zu diesen elegischen Klängen Wolfe's bildet ein anderes
Mit Recht stehen die Dichter, die heut zu Tage Texte für vorhandene Einen Gegensatz zu diesen elegischen Klängen Wolfe's bildet ein anderes
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132406"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> Fort! Und laß mich nachtumfangen,<lb/> Nimm, woran mein Herz gehangen-<lb/> Goldnen Ruhmes leuchtend Ziel,<lb/> Sängerlust und Saitenspiel!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_601"> Mit Recht stehen die Dichter, die heut zu Tage Texte für vorhandene<lb/> oder erst zu componirende Melodien — meist im Auftrage der Componisten —<lb/> schreiben, nicht im besonderen Ansehen bei den Kritikern und Literaturfreunden,<lb/> denn ihre Producte tragen fast insgesammt den Stempel der Mache, die im<lb/> besten Falle als eine geschickte zu bezeichnen ist. Aber welch ein Unter¬<lb/> schied zwischen jenen Fabricaten und diesen drei aus Wolfe's innerstem<lb/> Herzensbedürfniß zu vorhandenen Melodien geschaffenen Liedperlen! — Die<lb/> Engländer sind, wenn wir das evangelische Kirchenlied in Deutschland aus¬<lb/> nehmen, in dieser Beziehung überhaupt glücklicher gewesen, als wir; ich<lb/> errinnere nur an Byron's „Iledrvvv melodiös" und an Thomas Moore's<lb/> „Irisd lUöloäic!»".</p><lb/> <p xml:id="ID_602"> Einen Gegensatz zu diesen elegischen Klängen Wolfe's bildet ein anderes<lb/> Lied voll ernster Männlichkeit, das er nach der Rückkehr vom Lande in die<lb/> Mauern des Collegs zu Dublin dichtete; und mit diesem Liede treten wir<lb/> an diejenigen Dichtungen Wolfe's heran, denen ein inneres und zugleich<lb/> äußeres Selbsterlebniß zu Grunde liegt. Dies Lied ist der wohl irrige Meinungen<lb/> der Freunde über ihn abwehrende Long : „OK hö,^ not tuae Keart is nota".<lb/> (RemainL x>. '.)9. — LIM p. 215, — Vincke p. 280. — Ploennies p. 140.)<lb/> Hier die Uebersetzung von Vincke:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> O nennt mein Herz nicht todt und kalt,<lb/> Das doch so laut geschwärmt hat;<lb/> Sagt nicht, daß Berg und Strom und Wald<lb/> Es schon nicht mehr erwärmt hat;<lb/> Daß mir erlosch im Banne hier<lb/> Der tiefsten Regung Funken<lb/> Für liebe Freunde, die mit mir<lb/> Gejauchzt begeistrungstrunken!</l> <l> Solch glänzend Bild hab ich entzückt<lb/> Noch oft heraufbeschworen,<lb/> Und derer, die es mitbeglückt,<lb/> Gedenk ich traumverloren;<lb/> Die lichte Flur, des Waldes Dom,<lb/> Sie möcht ich wiedersehen,<lb/> Vom Bergesrand den blauen Strom —<lb/> Und selig jubelnd stehen.</l> <l> Mich hält die Fessel starrer Pflicht<lb/> In« Kerker hier gefangen,</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Fort! Und laß mich nachtumfangen,
Nimm, woran mein Herz gehangen-
Goldnen Ruhmes leuchtend Ziel,
Sängerlust und Saitenspiel!
Mit Recht stehen die Dichter, die heut zu Tage Texte für vorhandene
oder erst zu componirende Melodien — meist im Auftrage der Componisten —
schreiben, nicht im besonderen Ansehen bei den Kritikern und Literaturfreunden,
denn ihre Producte tragen fast insgesammt den Stempel der Mache, die im
besten Falle als eine geschickte zu bezeichnen ist. Aber welch ein Unter¬
schied zwischen jenen Fabricaten und diesen drei aus Wolfe's innerstem
Herzensbedürfniß zu vorhandenen Melodien geschaffenen Liedperlen! — Die
Engländer sind, wenn wir das evangelische Kirchenlied in Deutschland aus¬
nehmen, in dieser Beziehung überhaupt glücklicher gewesen, als wir; ich
errinnere nur an Byron's „Iledrvvv melodiös" und an Thomas Moore's
„Irisd lUöloäic!»".
Einen Gegensatz zu diesen elegischen Klängen Wolfe's bildet ein anderes
Lied voll ernster Männlichkeit, das er nach der Rückkehr vom Lande in die
Mauern des Collegs zu Dublin dichtete; und mit diesem Liede treten wir
an diejenigen Dichtungen Wolfe's heran, denen ein inneres und zugleich
äußeres Selbsterlebniß zu Grunde liegt. Dies Lied ist der wohl irrige Meinungen
der Freunde über ihn abwehrende Long : „OK hö,^ not tuae Keart is nota".
(RemainL x>. '.)9. — LIM p. 215, — Vincke p. 280. — Ploennies p. 140.)
Hier die Uebersetzung von Vincke:
O nennt mein Herz nicht todt und kalt,
Das doch so laut geschwärmt hat;
Sagt nicht, daß Berg und Strom und Wald
Es schon nicht mehr erwärmt hat;
Daß mir erlosch im Banne hier
Der tiefsten Regung Funken
Für liebe Freunde, die mit mir
Gejauchzt begeistrungstrunken! Solch glänzend Bild hab ich entzückt
Noch oft heraufbeschworen,
Und derer, die es mitbeglückt,
Gedenk ich traumverloren;
Die lichte Flur, des Waldes Dom,
Sie möcht ich wiedersehen,
Vom Bergesrand den blauen Strom —
Und selig jubelnd stehen. Mich hält die Fessel starrer Pflicht
In« Kerker hier gefangen,
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