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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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von diesem Datum an die Goldwährung; der Uebergang von der einen zur
anderen muß aber nothwendigerweise durch ein Provisorium ausgefüllt werden
während dessen factisch die Doppelwährung herrscht. Welche Nachtheile aber
letztere mit sich bringt, wenn das eine der beiden Metalle im Preise sich än¬
dert, das haben wir angedeutet und werden wir noch näher prüfen. Wegen
dieser zu befürchtenden Uebelstände sollte diese Uebergangszeit so kurz als
möglich gegriffen werden. Die Reichsregierung hat aber, verführt durch jene
beiden außerordentlichen Umstände das Gegentheil gethan. Sie hat die Aus'
führung des Münzgesetzes so in die Länge geschoben, als ob sie dadurch be¬
sondere Vortheile zu erlangen oder Nachtheile abzuwenden hoffte. Sie hat
dadurch der Edelmetallspeeulation und der Arbitrage Zeit gelassen in aller
Muße ihre Operationen ins Werk zu setzen und die Reichseasse viel mehr zu
benachtheiligen, als der höhere Preis des Goldes ausgemacht hätte, wenn
die Prägungen rascher' bewerkstelligt worden wären oder als der Zinsverlust
betragen hätte, wenn die Goldmünzen so lange unter Verschluß gehalten
worden wären, bis eine solche Summe vorrärhig war, um die groben Silber"
münzen rasch außer Cours setzen zu können. In Folge diese Mißgriffe
haben wir jetzt, nachdem die Kriegsentschädigung abgewickelt, keine Ursache
zum günstigen Wechselcurs für Deutschland mehr vorhanden ist, und nachdem
die Blase der Agiotage und Ueberspeeulation in der Krisis geplatzt ist, das
wenig beneidenswerthe Vergnügen, das ganze Schauspiel vor unseren Augen sieh
wiederholen zu sehen, welches die Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien
die Schweiz und Italien von 1852 bis 1865 abwechselnd vorgeführt haben-
Damals war es das Gold, welches in Folge der neuen Lager in California
und Australien billiger wurde und das Silber in jenen Ländern, wo die
Doppelwährung herrschte, aus dem Lande trieb, so daß die Vereinigten Se""'
ten genöthigt waren, 1853 die reine Goldwährung einzuführen, daß die Schwed
um einer völligen Verkehrsstockung vorzubeugen, sich veranlaßt sah, ihre Silber'
münzen geringerhaltig auszuprägen, und daß endlich 1865 der lateinische MünZ'
vertrag zu Stande kam, durch welchen für die contrahirenden Staaten wenig'
seems der erste Schritt zur Goldwährung gethan wurde, indem kraft desse"
die ein und zwei Franken-Stücke um 10<>/<> geringerhaltig geprägt werden,
wobei freilich durch die vorläufige Beibehaltung der Fünffranken-Thaler
Keim zu neuen Verwicklungen gelegt wurde.

Wie man nach solchen Erfahrungen in den alten Fehler zurückfallt
konnte, das bleibt dem in die Geheimnisse der Staatskunst Uneingeweiht
ein Räthsel. Jetzt stehen die Sachen so, daß die Regierung seit zwei Jah^
Sysiphusarbeit gethan hat und daß sie immer wieder von Neuem anfangs
und Millionen verschleudern muß, wenn sie nicht den begangenen Feh^
und radicale Abhilfe schafft. Solche besteht aber darin, daß sie alle Mitte'


von diesem Datum an die Goldwährung; der Uebergang von der einen zur
anderen muß aber nothwendigerweise durch ein Provisorium ausgefüllt werden
während dessen factisch die Doppelwährung herrscht. Welche Nachtheile aber
letztere mit sich bringt, wenn das eine der beiden Metalle im Preise sich än¬
dert, das haben wir angedeutet und werden wir noch näher prüfen. Wegen
dieser zu befürchtenden Uebelstände sollte diese Uebergangszeit so kurz als
möglich gegriffen werden. Die Reichsregierung hat aber, verführt durch jene
beiden außerordentlichen Umstände das Gegentheil gethan. Sie hat die Aus'
führung des Münzgesetzes so in die Länge geschoben, als ob sie dadurch be¬
sondere Vortheile zu erlangen oder Nachtheile abzuwenden hoffte. Sie hat
dadurch der Edelmetallspeeulation und der Arbitrage Zeit gelassen in aller
Muße ihre Operationen ins Werk zu setzen und die Reichseasse viel mehr zu
benachtheiligen, als der höhere Preis des Goldes ausgemacht hätte, wenn
die Prägungen rascher' bewerkstelligt worden wären oder als der Zinsverlust
betragen hätte, wenn die Goldmünzen so lange unter Verschluß gehalten
worden wären, bis eine solche Summe vorrärhig war, um die groben Silber»
münzen rasch außer Cours setzen zu können. In Folge diese Mißgriffe
haben wir jetzt, nachdem die Kriegsentschädigung abgewickelt, keine Ursache
zum günstigen Wechselcurs für Deutschland mehr vorhanden ist, und nachdem
die Blase der Agiotage und Ueberspeeulation in der Krisis geplatzt ist, das
wenig beneidenswerthe Vergnügen, das ganze Schauspiel vor unseren Augen sieh
wiederholen zu sehen, welches die Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien
die Schweiz und Italien von 1852 bis 1865 abwechselnd vorgeführt haben-
Damals war es das Gold, welches in Folge der neuen Lager in California
und Australien billiger wurde und das Silber in jenen Ländern, wo die
Doppelwährung herrschte, aus dem Lande trieb, so daß die Vereinigten Se»«'
ten genöthigt waren, 1853 die reine Goldwährung einzuführen, daß die Schwed
um einer völligen Verkehrsstockung vorzubeugen, sich veranlaßt sah, ihre Silber'
münzen geringerhaltig auszuprägen, und daß endlich 1865 der lateinische MünZ'
vertrag zu Stande kam, durch welchen für die contrahirenden Staaten wenig'
seems der erste Schritt zur Goldwährung gethan wurde, indem kraft desse"
die ein und zwei Franken-Stücke um 10<>/<> geringerhaltig geprägt werden,
wobei freilich durch die vorläufige Beibehaltung der Fünffranken-Thaler
Keim zu neuen Verwicklungen gelegt wurde.

Wie man nach solchen Erfahrungen in den alten Fehler zurückfallt
konnte, das bleibt dem in die Geheimnisse der Staatskunst Uneingeweiht
ein Räthsel. Jetzt stehen die Sachen so, daß die Regierung seit zwei Jah^
Sysiphusarbeit gethan hat und daß sie immer wieder von Neuem anfangs
und Millionen verschleudern muß, wenn sie nicht den begangenen Feh^
und radicale Abhilfe schafft. Solche besteht aber darin, daß sie alle Mitte'


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[0150] von diesem Datum an die Goldwährung; der Uebergang von der einen zur anderen muß aber nothwendigerweise durch ein Provisorium ausgefüllt werden während dessen factisch die Doppelwährung herrscht. Welche Nachtheile aber letztere mit sich bringt, wenn das eine der beiden Metalle im Preise sich än¬ dert, das haben wir angedeutet und werden wir noch näher prüfen. Wegen dieser zu befürchtenden Uebelstände sollte diese Uebergangszeit so kurz als möglich gegriffen werden. Die Reichsregierung hat aber, verführt durch jene beiden außerordentlichen Umstände das Gegentheil gethan. Sie hat die Aus' führung des Münzgesetzes so in die Länge geschoben, als ob sie dadurch be¬ sondere Vortheile zu erlangen oder Nachtheile abzuwenden hoffte. Sie hat dadurch der Edelmetallspeeulation und der Arbitrage Zeit gelassen in aller Muße ihre Operationen ins Werk zu setzen und die Reichseasse viel mehr zu benachtheiligen, als der höhere Preis des Goldes ausgemacht hätte, wenn die Prägungen rascher' bewerkstelligt worden wären oder als der Zinsverlust betragen hätte, wenn die Goldmünzen so lange unter Verschluß gehalten worden wären, bis eine solche Summe vorrärhig war, um die groben Silber» münzen rasch außer Cours setzen zu können. In Folge diese Mißgriffe haben wir jetzt, nachdem die Kriegsentschädigung abgewickelt, keine Ursache zum günstigen Wechselcurs für Deutschland mehr vorhanden ist, und nachdem die Blase der Agiotage und Ueberspeeulation in der Krisis geplatzt ist, das wenig beneidenswerthe Vergnügen, das ganze Schauspiel vor unseren Augen sieh wiederholen zu sehen, welches die Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien die Schweiz und Italien von 1852 bis 1865 abwechselnd vorgeführt haben- Damals war es das Gold, welches in Folge der neuen Lager in California und Australien billiger wurde und das Silber in jenen Ländern, wo die Doppelwährung herrschte, aus dem Lande trieb, so daß die Vereinigten Se»«' ten genöthigt waren, 1853 die reine Goldwährung einzuführen, daß die Schwed um einer völligen Verkehrsstockung vorzubeugen, sich veranlaßt sah, ihre Silber' münzen geringerhaltig auszuprägen, und daß endlich 1865 der lateinische MünZ' vertrag zu Stande kam, durch welchen für die contrahirenden Staaten wenig' seems der erste Schritt zur Goldwährung gethan wurde, indem kraft desse" die ein und zwei Franken-Stücke um 10<>/<> geringerhaltig geprägt werden, wobei freilich durch die vorläufige Beibehaltung der Fünffranken-Thaler Keim zu neuen Verwicklungen gelegt wurde. Wie man nach solchen Erfahrungen in den alten Fehler zurückfallt konnte, das bleibt dem in die Geheimnisse der Staatskunst Uneingeweiht ein Räthsel. Jetzt stehen die Sachen so, daß die Regierung seit zwei Jah^ Sysiphusarbeit gethan hat und daß sie immer wieder von Neuem anfangs und Millionen verschleudern muß, wenn sie nicht den begangenen Feh^ und radicale Abhilfe schafft. Solche besteht aber darin, daß sie alle Mitte'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/150>, abgerufen am 27.07.2024.