Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.Ach! leider müssen wir eingestehen, bei uns hat es von jeher mit der Und so wird sich denn der Leser auch nicht weiter wundern, wenn wir Ach! leider müssen wir eingestehen, bei uns hat es von jeher mit der Und so wird sich denn der Leser auch nicht weiter wundern, wenn wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131779"/> <p xml:id="ID_318"> Ach! leider müssen wir eingestehen, bei uns hat es von jeher mit der<lb/> politischen Presse eine verdrießliche Bewandtniß gehabt. — So sehr und so<lb/> laut wir auch auf unsere Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu pochen pfle-<lb/> gen, wo es darauf ankommt, Front gegen Deutschland zu machen, so wenig<lb/> wissen wir im Grunde, was man unter wirklicher Selbständigkeit und Unab¬<lb/> hängigkeit zu verstehen hat. Am Allerwenigsten aber dürfte unsere politische<lb/> Presse hiervon wissen. — Unsere politischen Blätter, alle ohne Ausnahme,<lb/> verdanken der Partei ihr Dasein, so wie ihren Fortbestand, ob nun diese<lb/> Blätter unter schwarzer, rother, weißer oder blaurothweißer Maske erscheinen<lb/> mögen. Ihr Name und ihr Wesen sind verschieden wie Wahrheit und Hum¬<lb/> bug. Ihr Wahlspruch heißt: „NunÄus vult äsoixi, «rZv äseixiatur." Alle<lb/> unsere Tagesblätter haben das (und noch Manches Andere) miteinander ge¬<lb/> mein, daß ein jedes seinen Strohmann an der Spitze hat, hinter dem sich<lb/> die wirklichen Patrone und Leiter verborgen halten. Diese Strohmänner (sie<lb/> sind dafür bezahlt) haften für Alles, und — bedingen nichts. Das „Wort<lb/> für Wahrheit und Recht" hat seinen Abba Breisdorf, die „Luxemburger Zei¬<lb/> tung ihren Herrn Gottlieb, und die „Inä^xenÄanes Imxemboui'Moise" ihren<lb/> Herrn Joris, die für alle Unwahrheiten und Verläumdungen, allen Unsinn,<lb/> alles Hetzen und Wühlen, kurz für den ganzen Schwindel einzustehen haben.<lb/> Sie haben deßgleichen die Anzüglichkeiten und Handgreiflichkeiten gelassen<lb/> hinzunehmen, welche sie sich untereinander appliciren müssen, zur Unterhal¬<lb/> tung des Publikums, gerade wie die Clowns aus den Jahrmärkten. Unter¬<lb/> dessen schleichen sich schlaue und fingerfertige xiek-xoekots im Gedränge um¬<lb/> her und fegen dem gaffenden und johlenden Publicum in die Taschen, soweit<lb/> sie hineinreichen. Was sie ihm nicht nehmen, das trägt es nachher selbst in<lb/> die Gauklerbuden, und übergiebt es den Oomxm'of der in'eil> xoekets. Ist<lb/> die Posse dann vorbei, dann theilen sich alle die schlauen Gesellen in die<lb/> Beute. — Wer sind aber aber nun die Patrone, die Leiter des Schwindels?<lb/> — Das wissen unter hundert kaum zwei. Nur den wenigen Eingeweihten ist<lb/> ein- Blick hinter den dunkeln, schwarzen Vorhang vergönnt. Wie würde sich<lb/> so mancher, der sich voll Selbstgefälligkeit zu den Schlauen und Klugen zählt,<lb/> zu schieben glaubt, wo er geschoben wird, verwundern, wenn er nun Plötzlich<lb/> hinter den geheimnißvollen Vorhang treten könnte, und hier die besagten<lb/> Patrone und Leiter, die sich in der politischen Presse, wie in der Kammer<lb/> und überall, wo es die Gelegenheit erlaubt, und die Augen der Menge auf<lb/> sie gerichtet sind, so weidlich bekämpfen und herumschlagen, hier so friedlich<lb/> und gemüthlich beim reichen Mahl und vollen Pokal zusammensitzen sähe.<lb/> Doch leider sehen das die Allerwenigsten, und von denen, die es sehen, setzen<lb/> sich die Meisten sofort an den Tisch und schmauchen und singen im Chöre mit.</p><lb/> <p xml:id="ID_319" next="#ID_320"> Und so wird sich denn der Leser auch nicht weiter wundern, wenn wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Ach! leider müssen wir eingestehen, bei uns hat es von jeher mit der
politischen Presse eine verdrießliche Bewandtniß gehabt. — So sehr und so
laut wir auch auf unsere Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu pochen pfle-
gen, wo es darauf ankommt, Front gegen Deutschland zu machen, so wenig
wissen wir im Grunde, was man unter wirklicher Selbständigkeit und Unab¬
hängigkeit zu verstehen hat. Am Allerwenigsten aber dürfte unsere politische
Presse hiervon wissen. — Unsere politischen Blätter, alle ohne Ausnahme,
verdanken der Partei ihr Dasein, so wie ihren Fortbestand, ob nun diese
Blätter unter schwarzer, rother, weißer oder blaurothweißer Maske erscheinen
mögen. Ihr Name und ihr Wesen sind verschieden wie Wahrheit und Hum¬
bug. Ihr Wahlspruch heißt: „NunÄus vult äsoixi, «rZv äseixiatur." Alle
unsere Tagesblätter haben das (und noch Manches Andere) miteinander ge¬
mein, daß ein jedes seinen Strohmann an der Spitze hat, hinter dem sich
die wirklichen Patrone und Leiter verborgen halten. Diese Strohmänner (sie
sind dafür bezahlt) haften für Alles, und — bedingen nichts. Das „Wort
für Wahrheit und Recht" hat seinen Abba Breisdorf, die „Luxemburger Zei¬
tung ihren Herrn Gottlieb, und die „Inä^xenÄanes Imxemboui'Moise" ihren
Herrn Joris, die für alle Unwahrheiten und Verläumdungen, allen Unsinn,
alles Hetzen und Wühlen, kurz für den ganzen Schwindel einzustehen haben.
Sie haben deßgleichen die Anzüglichkeiten und Handgreiflichkeiten gelassen
hinzunehmen, welche sie sich untereinander appliciren müssen, zur Unterhal¬
tung des Publikums, gerade wie die Clowns aus den Jahrmärkten. Unter¬
dessen schleichen sich schlaue und fingerfertige xiek-xoekots im Gedränge um¬
her und fegen dem gaffenden und johlenden Publicum in die Taschen, soweit
sie hineinreichen. Was sie ihm nicht nehmen, das trägt es nachher selbst in
die Gauklerbuden, und übergiebt es den Oomxm'of der in'eil> xoekets. Ist
die Posse dann vorbei, dann theilen sich alle die schlauen Gesellen in die
Beute. — Wer sind aber aber nun die Patrone, die Leiter des Schwindels?
— Das wissen unter hundert kaum zwei. Nur den wenigen Eingeweihten ist
ein- Blick hinter den dunkeln, schwarzen Vorhang vergönnt. Wie würde sich
so mancher, der sich voll Selbstgefälligkeit zu den Schlauen und Klugen zählt,
zu schieben glaubt, wo er geschoben wird, verwundern, wenn er nun Plötzlich
hinter den geheimnißvollen Vorhang treten könnte, und hier die besagten
Patrone und Leiter, die sich in der politischen Presse, wie in der Kammer
und überall, wo es die Gelegenheit erlaubt, und die Augen der Menge auf
sie gerichtet sind, so weidlich bekämpfen und herumschlagen, hier so friedlich
und gemüthlich beim reichen Mahl und vollen Pokal zusammensitzen sähe.
Doch leider sehen das die Allerwenigsten, und von denen, die es sehen, setzen
sich die Meisten sofort an den Tisch und schmauchen und singen im Chöre mit.
Und so wird sich denn der Leser auch nicht weiter wundern, wenn wir
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