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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Me politische "Fresse im Hrosz-Kerzogthum Lmemburg.

In allen civilisirten Ländern der Welt findet man eine bessere politische
Presse, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Volk politisch zu bilden und
die Massen aufzuklären und zu immer größerm Lichte und größerer Freiheit
zu führen. Diese bessere Presse darf sich mit vollem Rechte die liberale
nennen. Dagegen darf man jene Parteipresse. die stets nur das persönliche,
resp, das Interesse der Partei im Auge hat und auf dasselbe hinwirkt, nicht
mit dem Namen liberal bezeichnen, so schöne Phrasen sie auch immer mache,
und so laut sie auf die Grundsätze des Liberalismus, als auf scheinbar die
ihrigen, pochen möge. Frankreich, das sich so lange als die "große Nation"
xa,r exeellenes selbst vergötterte und anbetete, selbst dann noch, als es schon,
von seinen vielen Parteien in sich selbst zerrissen, unter sich selbst herabgesun¬
ken war, besitzt heute eine wirkliche liberale Presse nicht mehr. Der wirk¬
liche Patriotismus ist dort erstorben, verdrängt und zertreten von den Par¬
teien und ihrem rücksichtslosen Egoismus. Wie aber soll eine wahrhaft libe¬
rale Presse da gedeihen, wo niemand derselben das geringste Opfer bringt?
Muß sie hier nicht verkümmern und in gänzlicher Erschöpfung, wegen Man¬
gels am nöthigen Lebensstoff ersterben? -- Dem wirklichen Liberalismus am
nächsten steht in Frankreich noch das Organ von Thiers. Aber auch dieses
wird durch die Verhältnisse gezwungen, mehr der Partei, als dem Vaterland
zu dienen. Wo Alles Partei ist, da ist ein ganz unparteiisches Zeitungs¬
organ unmöglich. Die republicanischen Zeitungen von radicalerer Färbung,
so hoch sie auch das Banner zu tragen scheinen, worauf die Männer von 93
die hohlen aber volltönenden Worte: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"
geschrieben haben, sind ebensowenig liberal im wahren Sinne des Wortes,
als die ultramontanlegitimistischen. Auch sie opfern das Vaterland ihrer Par¬
tei, und das Gemeinwohl ihren egoistischen Schrullen. Ja! wenn es in Frank¬
reich wirkliche Republikaner gäbe. Aber eben an denen fehlt's am meisten.
Nicht der Name macht die Sache. -- ?czwxs und ^ourns.1 ass ävbatZ, die sich
noch am längsten auf einer gewissen politischen Höhe hielten, haben, seit dem
unseligen Kriege, in welchem Frankreich sein ganzes Prestige verlor, ohne an
diesen Verlust glauben zu wollen, den rechten Pfad unter den Füßen verloren,
und tappen heute in der Irre und im Dunkeln herum, und können sich nicht
mehr zurechtfinden. -- Ach die Revanche! die Revanche! -- sie läßt in Frank¬
reich keinen wahren Liberalismus und somit eine wirklich liberale Presse nicht
aufkommen. -- Und wie sieht es bei uns aus, bei uns, die wir stets so gern
und so willig den Franzosen nachahmten und ihr Wesen zu dem unsrigen
machten!


Me politische "Fresse im Hrosz-Kerzogthum Lmemburg.

In allen civilisirten Ländern der Welt findet man eine bessere politische
Presse, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Volk politisch zu bilden und
die Massen aufzuklären und zu immer größerm Lichte und größerer Freiheit
zu führen. Diese bessere Presse darf sich mit vollem Rechte die liberale
nennen. Dagegen darf man jene Parteipresse. die stets nur das persönliche,
resp, das Interesse der Partei im Auge hat und auf dasselbe hinwirkt, nicht
mit dem Namen liberal bezeichnen, so schöne Phrasen sie auch immer mache,
und so laut sie auf die Grundsätze des Liberalismus, als auf scheinbar die
ihrigen, pochen möge. Frankreich, das sich so lange als die „große Nation"
xa,r exeellenes selbst vergötterte und anbetete, selbst dann noch, als es schon,
von seinen vielen Parteien in sich selbst zerrissen, unter sich selbst herabgesun¬
ken war, besitzt heute eine wirkliche liberale Presse nicht mehr. Der wirk¬
liche Patriotismus ist dort erstorben, verdrängt und zertreten von den Par¬
teien und ihrem rücksichtslosen Egoismus. Wie aber soll eine wahrhaft libe¬
rale Presse da gedeihen, wo niemand derselben das geringste Opfer bringt?
Muß sie hier nicht verkümmern und in gänzlicher Erschöpfung, wegen Man¬
gels am nöthigen Lebensstoff ersterben? — Dem wirklichen Liberalismus am
nächsten steht in Frankreich noch das Organ von Thiers. Aber auch dieses
wird durch die Verhältnisse gezwungen, mehr der Partei, als dem Vaterland
zu dienen. Wo Alles Partei ist, da ist ein ganz unparteiisches Zeitungs¬
organ unmöglich. Die republicanischen Zeitungen von radicalerer Färbung,
so hoch sie auch das Banner zu tragen scheinen, worauf die Männer von 93
die hohlen aber volltönenden Worte: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"
geschrieben haben, sind ebensowenig liberal im wahren Sinne des Wortes,
als die ultramontanlegitimistischen. Auch sie opfern das Vaterland ihrer Par¬
tei, und das Gemeinwohl ihren egoistischen Schrullen. Ja! wenn es in Frank¬
reich wirkliche Republikaner gäbe. Aber eben an denen fehlt's am meisten.
Nicht der Name macht die Sache. — ?czwxs und ^ourns.1 ass ävbatZ, die sich
noch am längsten auf einer gewissen politischen Höhe hielten, haben, seit dem
unseligen Kriege, in welchem Frankreich sein ganzes Prestige verlor, ohne an
diesen Verlust glauben zu wollen, den rechten Pfad unter den Füßen verloren,
und tappen heute in der Irre und im Dunkeln herum, und können sich nicht
mehr zurechtfinden. — Ach die Revanche! die Revanche! — sie läßt in Frank¬
reich keinen wahren Liberalismus und somit eine wirklich liberale Presse nicht
aufkommen. — Und wie sieht es bei uns aus, bei uns, die wir stets so gern
und so willig den Franzosen nachahmten und ihr Wesen zu dem unsrigen
machten!


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[0084] Me politische "Fresse im Hrosz-Kerzogthum Lmemburg. In allen civilisirten Ländern der Welt findet man eine bessere politische Presse, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Volk politisch zu bilden und die Massen aufzuklären und zu immer größerm Lichte und größerer Freiheit zu führen. Diese bessere Presse darf sich mit vollem Rechte die liberale nennen. Dagegen darf man jene Parteipresse. die stets nur das persönliche, resp, das Interesse der Partei im Auge hat und auf dasselbe hinwirkt, nicht mit dem Namen liberal bezeichnen, so schöne Phrasen sie auch immer mache, und so laut sie auf die Grundsätze des Liberalismus, als auf scheinbar die ihrigen, pochen möge. Frankreich, das sich so lange als die „große Nation" xa,r exeellenes selbst vergötterte und anbetete, selbst dann noch, als es schon, von seinen vielen Parteien in sich selbst zerrissen, unter sich selbst herabgesun¬ ken war, besitzt heute eine wirkliche liberale Presse nicht mehr. Der wirk¬ liche Patriotismus ist dort erstorben, verdrängt und zertreten von den Par¬ teien und ihrem rücksichtslosen Egoismus. Wie aber soll eine wahrhaft libe¬ rale Presse da gedeihen, wo niemand derselben das geringste Opfer bringt? Muß sie hier nicht verkümmern und in gänzlicher Erschöpfung, wegen Man¬ gels am nöthigen Lebensstoff ersterben? — Dem wirklichen Liberalismus am nächsten steht in Frankreich noch das Organ von Thiers. Aber auch dieses wird durch die Verhältnisse gezwungen, mehr der Partei, als dem Vaterland zu dienen. Wo Alles Partei ist, da ist ein ganz unparteiisches Zeitungs¬ organ unmöglich. Die republicanischen Zeitungen von radicalerer Färbung, so hoch sie auch das Banner zu tragen scheinen, worauf die Männer von 93 die hohlen aber volltönenden Worte: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" geschrieben haben, sind ebensowenig liberal im wahren Sinne des Wortes, als die ultramontanlegitimistischen. Auch sie opfern das Vaterland ihrer Par¬ tei, und das Gemeinwohl ihren egoistischen Schrullen. Ja! wenn es in Frank¬ reich wirkliche Republikaner gäbe. Aber eben an denen fehlt's am meisten. Nicht der Name macht die Sache. — ?czwxs und ^ourns.1 ass ävbatZ, die sich noch am längsten auf einer gewissen politischen Höhe hielten, haben, seit dem unseligen Kriege, in welchem Frankreich sein ganzes Prestige verlor, ohne an diesen Verlust glauben zu wollen, den rechten Pfad unter den Füßen verloren, und tappen heute in der Irre und im Dunkeln herum, und können sich nicht mehr zurechtfinden. — Ach die Revanche! die Revanche! — sie läßt in Frank¬ reich keinen wahren Liberalismus und somit eine wirklich liberale Presse nicht aufkommen. — Und wie sieht es bei uns aus, bei uns, die wir stets so gern und so willig den Franzosen nachahmten und ihr Wesen zu dem unsrigen machten!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/84>, abgerufen am 22.07.2024.