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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Vom Donnerstage zum Freitage war eine stürmische mondlose Nacht,
und das Brausen des Windes begünstigte das Geheimhalten der Arbeit der
Guastadoren*), die übrigens so beschwerlich war, daß erst gegen Morgen des
24. Februars, des Geburtstags des Kaisers, der überhaupt als sein Glücks¬
tag galt, eine Mauerlücke von 60 bis 80 Schritt Breite gangbar war. Die
Arbeiten wurden von den Franzosen nicht bemerkt, theils, weil ihr Sicherheits¬
dienst sehr lässig betrieben wurde, theils, weil Pescara ihre Aufmerksamkeit
durch geräuschvolle Angriffe auf andere Punkte der französischen Stellung ab-
lenkte. Besonders wurde dem Quartier der schwarzen Knechte, die man am
meisten fürchtete, eine Abtheilung entgegengestellt, welche sich möglichst be¬
merkbar und einen neuen Ueberfall wahrscheinlich machen sollte.**) -- Im
kaiserlichen Lager dagegen verbreitete man geflissentlich die Nachricht, daß man
an den Abzug denke, damit dies Gerücht den Franzosen zugetragen werde;
und um diesen Anschein zu verstärken, wurde das Gepäck unter der Bedeckung
leichter Reiterei thatsächlich nach Lodi instradirt. Aber als das Heer den
Marsch antrat und erfuhr, daß es gegen den Feind gehe, war es voll Freude.
Pescara begab sich in die Mitte seiner Spanier und stellte ihnen vor, daß
kein Fußbreit Landes ihnen angehöre, kein Stück Brod da sei, um morgen
davon zu leben. "Aber vor euch, Ihr Herren und Söhne!" so rief er, "vor
Euch ist das Lager wo man Brod vollauf hat und Fleisch und Wein und
Karpfen vom Gardasee für den morgenden Fasttag. Wir müssen es haben;
wir müssen den Feind hinausjagen. Wir wollen den Tag des heiligen
Matthäus berühmt machen!"***) -- Auch Georg Frundsberg redete seine
Deutschen ähnlich an, und mit erhobenen Händen versprachen sie ihm, es
mit dem prächtigen Feinde aufzunehmen und ihre Brüder in Pavia zu er¬
ledigen. Es wurde wieder befohlen, daß alle Krieger zu Fuß als Erkennungs¬
zeichen das Hemd über die Kleider ziehn sollten, ein Befehl, der viele Lands¬
knechte, die kein Hemd hatten, in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte,
so weit es zu beschaffen war, dem Mangel abhelfen. Sobald man das Lager
verlassen hatte, wurde es angezündet, um der Vorstellung vom Abzüge der
Kaiserlichen durch dies Schauspiel neue Nahrung zu geben.







Sandoval.
Sandoval, Jovius, Reißmr.Z
"vsaiäit sorg suxkr Uatdiam!" (^ela ^x>o"t, I. 66) soll die Königin Jsabella pro¬
phetisch ausgerufen haben, als ihr ihres Enkels Geburt gemeldet wurde.

Vom Donnerstage zum Freitage war eine stürmische mondlose Nacht,
und das Brausen des Windes begünstigte das Geheimhalten der Arbeit der
Guastadoren*), die übrigens so beschwerlich war, daß erst gegen Morgen des
24. Februars, des Geburtstags des Kaisers, der überhaupt als sein Glücks¬
tag galt, eine Mauerlücke von 60 bis 80 Schritt Breite gangbar war. Die
Arbeiten wurden von den Franzosen nicht bemerkt, theils, weil ihr Sicherheits¬
dienst sehr lässig betrieben wurde, theils, weil Pescara ihre Aufmerksamkeit
durch geräuschvolle Angriffe auf andere Punkte der französischen Stellung ab-
lenkte. Besonders wurde dem Quartier der schwarzen Knechte, die man am
meisten fürchtete, eine Abtheilung entgegengestellt, welche sich möglichst be¬
merkbar und einen neuen Ueberfall wahrscheinlich machen sollte.**) — Im
kaiserlichen Lager dagegen verbreitete man geflissentlich die Nachricht, daß man
an den Abzug denke, damit dies Gerücht den Franzosen zugetragen werde;
und um diesen Anschein zu verstärken, wurde das Gepäck unter der Bedeckung
leichter Reiterei thatsächlich nach Lodi instradirt. Aber als das Heer den
Marsch antrat und erfuhr, daß es gegen den Feind gehe, war es voll Freude.
Pescara begab sich in die Mitte seiner Spanier und stellte ihnen vor, daß
kein Fußbreit Landes ihnen angehöre, kein Stück Brod da sei, um morgen
davon zu leben. „Aber vor euch, Ihr Herren und Söhne!" so rief er, „vor
Euch ist das Lager wo man Brod vollauf hat und Fleisch und Wein und
Karpfen vom Gardasee für den morgenden Fasttag. Wir müssen es haben;
wir müssen den Feind hinausjagen. Wir wollen den Tag des heiligen
Matthäus berühmt machen!"***) — Auch Georg Frundsberg redete seine
Deutschen ähnlich an, und mit erhobenen Händen versprachen sie ihm, es
mit dem prächtigen Feinde aufzunehmen und ihre Brüder in Pavia zu er¬
ledigen. Es wurde wieder befohlen, daß alle Krieger zu Fuß als Erkennungs¬
zeichen das Hemd über die Kleider ziehn sollten, ein Befehl, der viele Lands¬
knechte, die kein Hemd hatten, in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte,
so weit es zu beschaffen war, dem Mangel abhelfen. Sobald man das Lager
verlassen hatte, wurde es angezündet, um der Vorstellung vom Abzüge der
Kaiserlichen durch dies Schauspiel neue Nahrung zu geben.







Sandoval.
Sandoval, Jovius, Reißmr.Z
„vsaiäit sorg suxkr Uatdiam!" (^ela ^x>o»t, I. 66) soll die Königin Jsabella pro¬
phetisch ausgerufen haben, als ihr ihres Enkels Geburt gemeldet wurde.
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[0076] Vom Donnerstage zum Freitage war eine stürmische mondlose Nacht, und das Brausen des Windes begünstigte das Geheimhalten der Arbeit der Guastadoren*), die übrigens so beschwerlich war, daß erst gegen Morgen des 24. Februars, des Geburtstags des Kaisers, der überhaupt als sein Glücks¬ tag galt, eine Mauerlücke von 60 bis 80 Schritt Breite gangbar war. Die Arbeiten wurden von den Franzosen nicht bemerkt, theils, weil ihr Sicherheits¬ dienst sehr lässig betrieben wurde, theils, weil Pescara ihre Aufmerksamkeit durch geräuschvolle Angriffe auf andere Punkte der französischen Stellung ab- lenkte. Besonders wurde dem Quartier der schwarzen Knechte, die man am meisten fürchtete, eine Abtheilung entgegengestellt, welche sich möglichst be¬ merkbar und einen neuen Ueberfall wahrscheinlich machen sollte.**) — Im kaiserlichen Lager dagegen verbreitete man geflissentlich die Nachricht, daß man an den Abzug denke, damit dies Gerücht den Franzosen zugetragen werde; und um diesen Anschein zu verstärken, wurde das Gepäck unter der Bedeckung leichter Reiterei thatsächlich nach Lodi instradirt. Aber als das Heer den Marsch antrat und erfuhr, daß es gegen den Feind gehe, war es voll Freude. Pescara begab sich in die Mitte seiner Spanier und stellte ihnen vor, daß kein Fußbreit Landes ihnen angehöre, kein Stück Brod da sei, um morgen davon zu leben. „Aber vor euch, Ihr Herren und Söhne!" so rief er, „vor Euch ist das Lager wo man Brod vollauf hat und Fleisch und Wein und Karpfen vom Gardasee für den morgenden Fasttag. Wir müssen es haben; wir müssen den Feind hinausjagen. Wir wollen den Tag des heiligen Matthäus berühmt machen!"***) — Auch Georg Frundsberg redete seine Deutschen ähnlich an, und mit erhobenen Händen versprachen sie ihm, es mit dem prächtigen Feinde aufzunehmen und ihre Brüder in Pavia zu er¬ ledigen. Es wurde wieder befohlen, daß alle Krieger zu Fuß als Erkennungs¬ zeichen das Hemd über die Kleider ziehn sollten, ein Befehl, der viele Lands¬ knechte, die kein Hemd hatten, in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte, so weit es zu beschaffen war, dem Mangel abhelfen. Sobald man das Lager verlassen hatte, wurde es angezündet, um der Vorstellung vom Abzüge der Kaiserlichen durch dies Schauspiel neue Nahrung zu geben. Sandoval. Sandoval, Jovius, Reißmr.Z „vsaiäit sorg suxkr Uatdiam!" (^ela ^x>o»t, I. 66) soll die Königin Jsabella pro¬ phetisch ausgerufen haben, als ihr ihres Enkels Geburt gemeldet wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/76>, abgerufen am 22.07.2024.