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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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selber stehen zu beiden Seiten die kleinen dottoAs. Kramläden die aus Marmor
gebaut und mit Blei bedeckt sind. Wie die Sage geht, entstanden die ersten
derselben, weil man Besorgniß hegte, daß die Brücke sich senken möchte und
Da Ponte, den man um Rath befragte, rieth sterbend, man Möge die beiden
Enden des Bogens auf solche Weise belasten!

So gewann der Rialto den bunten Ueberbau. der ihm jetzt beinahe etwas
Wohnliches gibt und ihm ganz die imposante Kühnheit nimmt, die der freie
Bogen ehemals besaß. Seine Weite mißt nahe an 150 Fuß, der Unterbau,
der im Wasser steht, ruht auf einem Roste von 12,000 Pfählen.

Auf diese Weise (das ist bekannt) sind ja fast sämmtliche Häuser und
Palläste Venedigs dem Meere entstiegen; die Stadt an sich ist der kolossalste
Pfahlbau, den jemals die Welt gesehen. Um die ungeheuere Last zu tragen,
konnte man nur die mächtigsten Stämme und das edelste Holz gebrauchen,
das durch den immensen Seeverkehr aus fernen Ländern importirt ward, und
noch im vorigen Jahrhundert geschah es, daß eine vornehme Familie beschloß,
ihren herrlichen Pallast am Lanal (Prämie einzureihen, um die kostbaren
Cedernstämme, worauf derselbe gebaut ist, heraus zu nehmen. So wollte sie
sich aus der entsetzlichen Verschuldung retten; aber die Republik versagte das
verzweifelte Beginnen.

Unter den Pallästen des Oavs-I 6iÄväe haben zwei eine internationale
Bedeutung, d. h. sie zeigen uns nicht bloß den Zauberglanz und die Fülle,
zu der das heimische Leben Venedigs emporstieg, sondern den Weltverkehr, der
damals die Lagunenstadt beherrschte. Der ^onäaev isässeui, dicht an
der Nialtobrücke gelegen, war das gastliche Haus, in welchem die deutschen
Kaufleute ihren Sammelpunkt und der deutsche Handel sein Centrum fand;
über Venedig ging der ganze Verkehr aus der Levante nach Norden. Und
ebenso wie die Deutschen hatten die Türken ihr nationales Haus am Lg,ug,1
Al-Atlas, den ^oiMco äei 1'uredi, auch er ward von der Republik erworben
und der freien Gastfreundschaft überwiesen, hier ward der Koran gelesen und
Allah gepriesen, es war der Mittelpunkt orientalischer Sitte. Zwar ist der
Bau noch ziemlich erhalten, aber er theilt das Schicksal,^das alle Palläste am
LiMAl (-ranäo traf, er ist in fremden ungeweihter Händen.


"Allah braucht nicht mehr zu schaffe?
Wir erschaffen seine Welt."

(Goethe).

Noch begegnen uns einige der herrlichsten Palläste, wenn die Gondel
unter der Nialtobrücke hindurchglitt, La' äoro mit seiner wunderbaren gold¬
geschmückten Facade und Pesaro mit seinen wuchtigen Mauern, aber schöner
als alle anderen steht Veuclramm - KalorZis vor unseren Blicken.

Kaum hörbar schmiegt sich die Gondel an die steinernen Treppen, wir
treten durch das kolossale Thor, und im legitimsten Französisch weist uns


selber stehen zu beiden Seiten die kleinen dottoAs. Kramläden die aus Marmor
gebaut und mit Blei bedeckt sind. Wie die Sage geht, entstanden die ersten
derselben, weil man Besorgniß hegte, daß die Brücke sich senken möchte und
Da Ponte, den man um Rath befragte, rieth sterbend, man Möge die beiden
Enden des Bogens auf solche Weise belasten!

So gewann der Rialto den bunten Ueberbau. der ihm jetzt beinahe etwas
Wohnliches gibt und ihm ganz die imposante Kühnheit nimmt, die der freie
Bogen ehemals besaß. Seine Weite mißt nahe an 150 Fuß, der Unterbau,
der im Wasser steht, ruht auf einem Roste von 12,000 Pfählen.

Auf diese Weise (das ist bekannt) sind ja fast sämmtliche Häuser und
Palläste Venedigs dem Meere entstiegen; die Stadt an sich ist der kolossalste
Pfahlbau, den jemals die Welt gesehen. Um die ungeheuere Last zu tragen,
konnte man nur die mächtigsten Stämme und das edelste Holz gebrauchen,
das durch den immensen Seeverkehr aus fernen Ländern importirt ward, und
noch im vorigen Jahrhundert geschah es, daß eine vornehme Familie beschloß,
ihren herrlichen Pallast am Lanal (Prämie einzureihen, um die kostbaren
Cedernstämme, worauf derselbe gebaut ist, heraus zu nehmen. So wollte sie
sich aus der entsetzlichen Verschuldung retten; aber die Republik versagte das
verzweifelte Beginnen.

Unter den Pallästen des Oavs-I 6iÄväe haben zwei eine internationale
Bedeutung, d. h. sie zeigen uns nicht bloß den Zauberglanz und die Fülle,
zu der das heimische Leben Venedigs emporstieg, sondern den Weltverkehr, der
damals die Lagunenstadt beherrschte. Der ^onäaev isässeui, dicht an
der Nialtobrücke gelegen, war das gastliche Haus, in welchem die deutschen
Kaufleute ihren Sammelpunkt und der deutsche Handel sein Centrum fand;
über Venedig ging der ganze Verkehr aus der Levante nach Norden. Und
ebenso wie die Deutschen hatten die Türken ihr nationales Haus am Lg,ug,1
Al-Atlas, den ^oiMco äei 1'uredi, auch er ward von der Republik erworben
und der freien Gastfreundschaft überwiesen, hier ward der Koran gelesen und
Allah gepriesen, es war der Mittelpunkt orientalischer Sitte. Zwar ist der
Bau noch ziemlich erhalten, aber er theilt das Schicksal,^das alle Palläste am
LiMAl (-ranäo traf, er ist in fremden ungeweihter Händen.


„Allah braucht nicht mehr zu schaffe?
Wir erschaffen seine Welt."

(Goethe).

Noch begegnen uns einige der herrlichsten Palläste, wenn die Gondel
unter der Nialtobrücke hindurchglitt, La' äoro mit seiner wunderbaren gold¬
geschmückten Facade und Pesaro mit seinen wuchtigen Mauern, aber schöner
als alle anderen steht Veuclramm - KalorZis vor unseren Blicken.

Kaum hörbar schmiegt sich die Gondel an die steinernen Treppen, wir
treten durch das kolossale Thor, und im legitimsten Französisch weist uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/58>, abgerufen am 22.07.2024.