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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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[Beginn Spaltensatz]
Der Adel der war gütig,
Und dazu auch die Stadt',
Sie wollten nicht sein wüthig,
Die Bitt' man ihnen that.
Vierthalbhundert ließ man zum Schloß
heraus;
Das Fähnlein von Oesterreich,
Steckt man zum Thurm hinaus.
[Spaltenumbruch]
Tausend und vierhundert Jahr
Und siebenzig man zählt
Nach Christi Geburt fürwahr.
Da man die Wälschen fällt',
Auf Sonntag nach See. Martinstag
Nicht fern von Erikorte
Da ist gescheh'n die Schlacht. --
[Ende Spaltensatz]

Nach dem langen, harten Winter 1474--75 erweckte das neue Frühjahr
frische Kampfeslust. Wieder stand Bern an der Spitze; Solothurn, Luzern,
Basel sandten nacheinander Zuzüge. Diesmal wählte man den mittleren
Weg und zog über Viel zwischen dem Bieler und Neufchateller See gegen
Pontarlier am Doubs. Es war ein wohlberechneter strategischer Plan, den
man verfolgte, indem man sich, ehe der Herzog selbst im Felde erschien, der
wichtigen Jurapässe zu versichern suchte. Pontarlier ward am 2. April, das
Schloß am 7. genommen, die Besatzung niedergemacht. Darauf zog der Graf
von Roussy, Sohn des Connetables von Se. Pol, mit 7000 (od. 12000) Mann
heran, wurde aber mit Verlust von zwei Bannern zurückgewiesen. Diesen
Zug besingt Veit Weber in der Weise: "Die niederländschen Herren sind ge¬
zogen ins Oberland", d. h. doch wohl nach der Melodie der alten Sempacher
Schlachtlieder*):


[Beginn Spaltensatz]
Der Winter ist gar lang gewest.
Die Vöglein trauerten im Nest,
Die jetzt gar fröhlich singen.
Auf grünem Zweig hört man's im Wald
Gar süßiglich erklingen.
Man ist gezogen in's Herzogs Land.
Ein Stadt ist Ponterlin genannt,
Da ist der Neigen angefangen;
Darin da sieht man Wittwen viel
Gar traurig die Köpfe hangen, ....
Deß nahmen die Welschen eben wahr,
Wohl an zwölftausend kamen dar
Zu Roß und auch zu Fuße
Und wollten's wieder gewonnen hab'u;
Deß ward ihnen schwere Buße
[Spaltenumbruch]
Der Mai hat bracht gar manches Blatt,
Darnach man groß Verlangen hat.
Die Heid ist worden grüne;
Darum so ist gezogen aus
Gar mancher Mann so kühne.
Die ihren Mann verloren hat.
Die Eidgenossen liefen ihnen ab die Stadt
Und stürmten dann ohn' Trauern;
Mit Gewalt gewannen sie's ihnen ab
Und warfen sie über die Mauern.
Dieselben brachten sie in Noth,
Man warf und schoß ihrer viel zu todt,
Das geschah von den Eidgenossen;
Sie brachten zwei Hauptbanner an die
Mau'r,
Die mußten sie da lassen. --
[Ende Spaltensatz]

Als die Nachricht davon nach Bern kam, schickte die Stadt, um den
Vortheil zu verfolgen, ein Hülfscorps von 4000 Mann unter Nicolaus von



*) Vgl. des Verfassers Aufsatz: "Gleichzeitige Lieder über die Schlacht bei Sempach", in
Arenzboten II. 1874. S. 13t.
[Beginn Spaltensatz]
Der Adel der war gütig,
Und dazu auch die Stadt',
Sie wollten nicht sein wüthig,
Die Bitt' man ihnen that.
Vierthalbhundert ließ man zum Schloß
heraus;
Das Fähnlein von Oesterreich,
Steckt man zum Thurm hinaus.
[Spaltenumbruch]
Tausend und vierhundert Jahr
Und siebenzig man zählt
Nach Christi Geburt fürwahr.
Da man die Wälschen fällt',
Auf Sonntag nach See. Martinstag
Nicht fern von Erikorte
Da ist gescheh'n die Schlacht. —
[Ende Spaltensatz]

Nach dem langen, harten Winter 1474—75 erweckte das neue Frühjahr
frische Kampfeslust. Wieder stand Bern an der Spitze; Solothurn, Luzern,
Basel sandten nacheinander Zuzüge. Diesmal wählte man den mittleren
Weg und zog über Viel zwischen dem Bieler und Neufchateller See gegen
Pontarlier am Doubs. Es war ein wohlberechneter strategischer Plan, den
man verfolgte, indem man sich, ehe der Herzog selbst im Felde erschien, der
wichtigen Jurapässe zu versichern suchte. Pontarlier ward am 2. April, das
Schloß am 7. genommen, die Besatzung niedergemacht. Darauf zog der Graf
von Roussy, Sohn des Connetables von Se. Pol, mit 7000 (od. 12000) Mann
heran, wurde aber mit Verlust von zwei Bannern zurückgewiesen. Diesen
Zug besingt Veit Weber in der Weise: „Die niederländschen Herren sind ge¬
zogen ins Oberland", d. h. doch wohl nach der Melodie der alten Sempacher
Schlachtlieder*):


[Beginn Spaltensatz]
Der Winter ist gar lang gewest.
Die Vöglein trauerten im Nest,
Die jetzt gar fröhlich singen.
Auf grünem Zweig hört man's im Wald
Gar süßiglich erklingen.
Man ist gezogen in's Herzogs Land.
Ein Stadt ist Ponterlin genannt,
Da ist der Neigen angefangen;
Darin da sieht man Wittwen viel
Gar traurig die Köpfe hangen, ....
Deß nahmen die Welschen eben wahr,
Wohl an zwölftausend kamen dar
Zu Roß und auch zu Fuße
Und wollten's wieder gewonnen hab'u;
Deß ward ihnen schwere Buße
[Spaltenumbruch]
Der Mai hat bracht gar manches Blatt,
Darnach man groß Verlangen hat.
Die Heid ist worden grüne;
Darum so ist gezogen aus
Gar mancher Mann so kühne.
Die ihren Mann verloren hat.
Die Eidgenossen liefen ihnen ab die Stadt
Und stürmten dann ohn' Trauern;
Mit Gewalt gewannen sie's ihnen ab
Und warfen sie über die Mauern.
Dieselben brachten sie in Noth,
Man warf und schoß ihrer viel zu todt,
Das geschah von den Eidgenossen;
Sie brachten zwei Hauptbanner an die
Mau'r,
Die mußten sie da lassen. —
[Ende Spaltensatz]

Als die Nachricht davon nach Bern kam, schickte die Stadt, um den
Vortheil zu verfolgen, ein Hülfscorps von 4000 Mann unter Nicolaus von



*) Vgl. des Verfassers Aufsatz: „Gleichzeitige Lieder über die Schlacht bei Sempach", in
Arenzboten II. 1874. S. 13t.
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[0477] Der Adel der war gütig, Und dazu auch die Stadt', Sie wollten nicht sein wüthig, Die Bitt' man ihnen that. Vierthalbhundert ließ man zum Schloß heraus; Das Fähnlein von Oesterreich, Steckt man zum Thurm hinaus. Tausend und vierhundert Jahr Und siebenzig man zählt Nach Christi Geburt fürwahr. Da man die Wälschen fällt', Auf Sonntag nach See. Martinstag Nicht fern von Erikorte Da ist gescheh'n die Schlacht. — Nach dem langen, harten Winter 1474—75 erweckte das neue Frühjahr frische Kampfeslust. Wieder stand Bern an der Spitze; Solothurn, Luzern, Basel sandten nacheinander Zuzüge. Diesmal wählte man den mittleren Weg und zog über Viel zwischen dem Bieler und Neufchateller See gegen Pontarlier am Doubs. Es war ein wohlberechneter strategischer Plan, den man verfolgte, indem man sich, ehe der Herzog selbst im Felde erschien, der wichtigen Jurapässe zu versichern suchte. Pontarlier ward am 2. April, das Schloß am 7. genommen, die Besatzung niedergemacht. Darauf zog der Graf von Roussy, Sohn des Connetables von Se. Pol, mit 7000 (od. 12000) Mann heran, wurde aber mit Verlust von zwei Bannern zurückgewiesen. Diesen Zug besingt Veit Weber in der Weise: „Die niederländschen Herren sind ge¬ zogen ins Oberland", d. h. doch wohl nach der Melodie der alten Sempacher Schlachtlieder*): Der Winter ist gar lang gewest. Die Vöglein trauerten im Nest, Die jetzt gar fröhlich singen. Auf grünem Zweig hört man's im Wald Gar süßiglich erklingen. Man ist gezogen in's Herzogs Land. Ein Stadt ist Ponterlin genannt, Da ist der Neigen angefangen; Darin da sieht man Wittwen viel Gar traurig die Köpfe hangen, .... Deß nahmen die Welschen eben wahr, Wohl an zwölftausend kamen dar Zu Roß und auch zu Fuße Und wollten's wieder gewonnen hab'u; Deß ward ihnen schwere Buße Der Mai hat bracht gar manches Blatt, Darnach man groß Verlangen hat. Die Heid ist worden grüne; Darum so ist gezogen aus Gar mancher Mann so kühne. Die ihren Mann verloren hat. Die Eidgenossen liefen ihnen ab die Stadt Und stürmten dann ohn' Trauern; Mit Gewalt gewannen sie's ihnen ab Und warfen sie über die Mauern. Dieselben brachten sie in Noth, Man warf und schoß ihrer viel zu todt, Das geschah von den Eidgenossen; Sie brachten zwei Hauptbanner an die Mau'r, Die mußten sie da lassen. — Als die Nachricht davon nach Bern kam, schickte die Stadt, um den Vortheil zu verfolgen, ein Hülfscorps von 4000 Mann unter Nicolaus von *) Vgl. des Verfassers Aufsatz: „Gleichzeitige Lieder über die Schlacht bei Sempach", in Arenzboten II. 1874. S. 13t.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/477>, abgerufen am 22.07.2024.