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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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nur die siegreiche Niederwerfung des Burgunders, sondern eine kräftige Neu-
gestaltung des gesammten deutschen Wesens in den obern Landen, ja man
dachte an einen Kreuzzug gegen die Türken und Eroberung des heiligen
Grabes durch die Waffen der Eidgenossen unter des Erzherzogs Führung.

Der ganze Schwung patriotischer Begeisterung, der die Gemüther damals
beseelte, spricht sich aus in dem nachfolgenden Liede eines Rudolf Montigel,
das sich in einer Handschrift der Züricher Bibliothek erhalten hat:


[Beginn Spaltensatz]
"Ich kenn' den Weltlauf hin und her,
Was mancher singt und sagt;
Die Welt ist worden wunderbar,
Ach reine, keusche Magd,
Durch deines lieben Kindes Kraft
Verleih' mir deinen Segen,
Daß ich dein möge pflegen,
Und der frommen Eidgenossenschaft."
"Will nun der Fürst betrachten,
Was ihm frommt oder schad't,
Die Eidgenossen nicht verachten;
So rückt wohl aus der Stadt,
Was ihm so lang versessen ist.
Die Seinen hab'n verlassen
Die Burgen, Stadt' und Straßen,
Vergeudet, was sein eigen ist."
"Du hast ein'n Rückhalt angehängt,
Der dir zu Ehren frommt.
Ob's einen auch im Herzen kränkt,
So acht' nicht, was er brummt.
Er geiget wohl ein geites Spiel:
Von dem du wolltest Trost erwarten,
Zerstört dir jetzt dein'n Rosengarten;
Der Welschen Tücke, der ist viel."
"Umzäum' dein'n Rosengarten
Mit der frommen Eidgenossen Land.
Ähre scharfen Hellebarten
Unsegen dir das Land,
Das dir der Adel hat zertrennt.
Sie helfen dir die Lücken
Gar festiglich verrücken
'
Von Anfang bis ans End'."
[Spaltenumbruch]
"Man wird mit Wahrheit inne,

Was Trostes darin ruht;

Lobsang wird nun entspringen

Dem Fürsten hochgemuth,

Der jetzt mit Schirm, Gewalt und Wehr

Zu adellichem Frommen

Ist in ihr Bündniß kommen.

Deß freuet sich des Himmels Heer."

"Kein Herz soll nun gedenken,
Er trüge untreu Spiel.
Dem wünsch' ich bittres Kranken,
Der ihm das rathen will.
O edel Blut von Oesterreich,
Halt Farb den Eidgenossen
So findst du nicht Genossen
Im deutschen und im welschen Reich,"
"Darum sollst du dich kehren
Zur starken Eidgenossenschaft,,
Und laß dich nicht verführen
Die Fürsten und die Ritterschaft;
Sie rathen dir in ihren Sack,
Warst lange angeführet,
Wie die Kräh' in der Luft verirret;
Acht' nicht der Andern Uebelschmack!"
"Nun laßt die Vögel sorgen!
Der Löw' hat sich geeint
Mit Bär und Stiere unverborgen,
Mit Blau und Weiß, der frommen
Gemeind.*)
Darum ich auch der Hoffnung bin,
Gott werde dadurch wirken.
Daß Unglaub auch der Türken
Bald fließe ganz dahin."
[Ende Spaltensatz]

') Blau und weiß führen Lucevn, Zürich und Zug im Wappen.

nur die siegreiche Niederwerfung des Burgunders, sondern eine kräftige Neu-
gestaltung des gesammten deutschen Wesens in den obern Landen, ja man
dachte an einen Kreuzzug gegen die Türken und Eroberung des heiligen
Grabes durch die Waffen der Eidgenossen unter des Erzherzogs Führung.

Der ganze Schwung patriotischer Begeisterung, der die Gemüther damals
beseelte, spricht sich aus in dem nachfolgenden Liede eines Rudolf Montigel,
das sich in einer Handschrift der Züricher Bibliothek erhalten hat:


[Beginn Spaltensatz]
„Ich kenn' den Weltlauf hin und her,
Was mancher singt und sagt;
Die Welt ist worden wunderbar,
Ach reine, keusche Magd,
Durch deines lieben Kindes Kraft
Verleih' mir deinen Segen,
Daß ich dein möge pflegen,
Und der frommen Eidgenossenschaft."
„Will nun der Fürst betrachten,
Was ihm frommt oder schad't,
Die Eidgenossen nicht verachten;
So rückt wohl aus der Stadt,
Was ihm so lang versessen ist.
Die Seinen hab'n verlassen
Die Burgen, Stadt' und Straßen,
Vergeudet, was sein eigen ist."
„Du hast ein'n Rückhalt angehängt,
Der dir zu Ehren frommt.
Ob's einen auch im Herzen kränkt,
So acht' nicht, was er brummt.
Er geiget wohl ein geites Spiel:
Von dem du wolltest Trost erwarten,
Zerstört dir jetzt dein'n Rosengarten;
Der Welschen Tücke, der ist viel."
„Umzäum' dein'n Rosengarten
Mit der frommen Eidgenossen Land.
Ähre scharfen Hellebarten
Unsegen dir das Land,
Das dir der Adel hat zertrennt.
Sie helfen dir die Lücken
Gar festiglich verrücken
'
Von Anfang bis ans End'."
[Spaltenumbruch]
„Man wird mit Wahrheit inne,

Was Trostes darin ruht;

Lobsang wird nun entspringen

Dem Fürsten hochgemuth,

Der jetzt mit Schirm, Gewalt und Wehr

Zu adellichem Frommen

Ist in ihr Bündniß kommen.

Deß freuet sich des Himmels Heer."

„Kein Herz soll nun gedenken,
Er trüge untreu Spiel.
Dem wünsch' ich bittres Kranken,
Der ihm das rathen will.
O edel Blut von Oesterreich,
Halt Farb den Eidgenossen
So findst du nicht Genossen
Im deutschen und im welschen Reich,"
„Darum sollst du dich kehren
Zur starken Eidgenossenschaft,,
Und laß dich nicht verführen
Die Fürsten und die Ritterschaft;
Sie rathen dir in ihren Sack,
Warst lange angeführet,
Wie die Kräh' in der Luft verirret;
Acht' nicht der Andern Uebelschmack!"
„Nun laßt die Vögel sorgen!
Der Löw' hat sich geeint
Mit Bär und Stiere unverborgen,
Mit Blau und Weiß, der frommen
Gemeind.*)
Darum ich auch der Hoffnung bin,
Gott werde dadurch wirken.
Daß Unglaub auch der Türken
Bald fließe ganz dahin."
[Ende Spaltensatz]

') Blau und weiß führen Lucevn, Zürich und Zug im Wappen.
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[0471] nur die siegreiche Niederwerfung des Burgunders, sondern eine kräftige Neu- gestaltung des gesammten deutschen Wesens in den obern Landen, ja man dachte an einen Kreuzzug gegen die Türken und Eroberung des heiligen Grabes durch die Waffen der Eidgenossen unter des Erzherzogs Führung. Der ganze Schwung patriotischer Begeisterung, der die Gemüther damals beseelte, spricht sich aus in dem nachfolgenden Liede eines Rudolf Montigel, das sich in einer Handschrift der Züricher Bibliothek erhalten hat: „Ich kenn' den Weltlauf hin und her, Was mancher singt und sagt; Die Welt ist worden wunderbar, Ach reine, keusche Magd, Durch deines lieben Kindes Kraft Verleih' mir deinen Segen, Daß ich dein möge pflegen, Und der frommen Eidgenossenschaft." „Will nun der Fürst betrachten, Was ihm frommt oder schad't, Die Eidgenossen nicht verachten; So rückt wohl aus der Stadt, Was ihm so lang versessen ist. Die Seinen hab'n verlassen Die Burgen, Stadt' und Straßen, Vergeudet, was sein eigen ist." „Du hast ein'n Rückhalt angehängt, Der dir zu Ehren frommt. Ob's einen auch im Herzen kränkt, So acht' nicht, was er brummt. Er geiget wohl ein geites Spiel: Von dem du wolltest Trost erwarten, Zerstört dir jetzt dein'n Rosengarten; Der Welschen Tücke, der ist viel." „Umzäum' dein'n Rosengarten Mit der frommen Eidgenossen Land. Ähre scharfen Hellebarten Unsegen dir das Land, Das dir der Adel hat zertrennt. Sie helfen dir die Lücken Gar festiglich verrücken ' Von Anfang bis ans End'." „Man wird mit Wahrheit inne, Was Trostes darin ruht; Lobsang wird nun entspringen Dem Fürsten hochgemuth, Der jetzt mit Schirm, Gewalt und Wehr Zu adellichem Frommen Ist in ihr Bündniß kommen. Deß freuet sich des Himmels Heer." „Kein Herz soll nun gedenken, Er trüge untreu Spiel. Dem wünsch' ich bittres Kranken, Der ihm das rathen will. O edel Blut von Oesterreich, Halt Farb den Eidgenossen So findst du nicht Genossen Im deutschen und im welschen Reich," „Darum sollst du dich kehren Zur starken Eidgenossenschaft,, Und laß dich nicht verführen Die Fürsten und die Ritterschaft; Sie rathen dir in ihren Sack, Warst lange angeführet, Wie die Kräh' in der Luft verirret; Acht' nicht der Andern Uebelschmack!" „Nun laßt die Vögel sorgen! Der Löw' hat sich geeint Mit Bär und Stiere unverborgen, Mit Blau und Weiß, der frommen Gemeind.*) Darum ich auch der Hoffnung bin, Gott werde dadurch wirken. Daß Unglaub auch der Türken Bald fließe ganz dahin." ') Blau und weiß führen Lucevn, Zürich und Zug im Wappen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/471>, abgerufen am 22.07.2024.