Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.lich rühmt. Bei einem noch rohen Volke ist eben dieser Aufwand in mate¬ Wie wenig bei diesem Volke von höheren geistigen Bedürfnissen die Rede lich rühmt. Bei einem noch rohen Volke ist eben dieser Aufwand in mate¬ Wie wenig bei diesem Volke von höheren geistigen Bedürfnissen die Rede <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132160"/> <p xml:id="ID_1578" prev="#ID_1577"> lich rühmt. Bei einem noch rohen Volke ist eben dieser Aufwand in mate¬<lb/> riellen Genüssen ganz natürlich, nicht weniger ein gewisser Luxus in der Klei¬<lb/> dung, wie man diese Neigung ja noch jetzt in Böhmen besonders beim<lb/> Landvolke weit verbreitet findet. Namentlich die Frauen machten ..viel Aufwand<lb/> mit Hemden und Binden, mit Halsbändern und Brusttüchern, als welche sie<lb/> sich ein aus Seide und Gold gewebtes Mischlingszeug vorthun". Die langen<lb/> Hemdärmel waren oft mit Seidenstoff besetzt. Das Haar aber trugen die<lb/> Frauen lang und glatt gestrichen; oft hing es bis an die Wade oder die<lb/> Knöchel herab. Die Männer kleideten sich einfacher in grobe Tuchröcke und<lb/> umwickelten die Beine mit Pelzwerk; im Winter trugen sie Pelze, darüber<lb/> lange Mäntel mit Kapuzen. Auch sie aber ließen sich das Haar bis zum<lb/> Gürtel wachsen und pflegten es künstlich, wie auch Butzbach das that.</p><lb/> <p xml:id="ID_1579" next="#ID_1580"> Wie wenig bei diesem Volke von höheren geistigen Bedürfnissen die Rede<lb/> sein konnte, ist klar. Unter solchen Umständen hing das Wenige von höherer<lb/> Cultur, was es in Böhmen damals gab, fast ausschließlich von den Städten<lb/> ab. Sie waren allerdings fast alle tschechtstrt, bis auf wenige, wie Graupen,<lb/> und dadurch in ihrem bürgerlichen Leben geknickt, in ihrer Verbindung mit<lb/> Deutschland gestört. Aber was an höherer Cultur noch in Böhmen existirte,<lb/> das mußte man doch in ihnen suchen. Allen voran stand natürlich die Haupt¬<lb/> stadt Prag, fast ganz tschechisch und utraqutstisch — nur die Kleinseite war<lb/> katholisch — aber eine imposante Stadt von gegen 300,000 Einwohnern,<lb/> noch in drei selbständige Theile - Altstadt. Neustadt, Kleinseite — zerfallend,<lb/> von denen die beiden ersten durch Graben und Mauern, die letztere durch die<lb/> Moldau sich abschlossen. Stattliche Gebäude erhoben sich namentlich in der<lb/> Altstadt. „Die Altstadt", schreibt Butzbach, „ist ganz in der Ebene gelegen<lb/> und mit prächtigen Bauten wunderbar geziert, unter welchen das Richthaus,<lb/> der Markt, das ausgedehnte Rathhaus und das Collegium, sämmtlich von<lb/> Karl IV. gegründet, die hervorragendsten sind. Die beiden Seiten der Stadt<lb/> (Altstadt und Kleinseite) sind durch eine steinerne Brücke mit einander verbun¬<lb/> den, welche auf vierundzwanzig Bogen ruht." „In dem kleineren Stadttheile,<lb/> welcher mit dem Hügel in Verbindung steht, darauf des Königs Wohnung<lb/> gelegen ist (dem Hradschin), befindet sich auch der erhabene bischöfliche Tempel<lb/> zu Se. Veit." Sonst führt Butzbach als bedeutendere Orte an Tschaslau, Deutsch¬<lb/> brod, Kaurun, Kuttenberg, Pilsen, Rakonitz, Ludttz, Tavor „das Bollwerk<lb/> vielfacher Ketzer", Saatz. Leitmeritz, Budweis, Dur, Kaaden, Brüx, Graupen,<lb/> Kralowitz, Teplitz, Schlau und Laun, also eine ziemlich stattliche Reihe freilich<lb/> meist kleinerer Städte. Es fehlte auch diesen nicht an einem gewissen Wohl¬<lb/> stande; außer den gewöhnlichen Gewerben treten besonders Bierbrauerei und<lb/> Zuckersiederei als charakteristisch hervor. Eines besonderen Vortheils genossen<lb/> natürlich die Badeorte; namentlich wurde Karlsbad auch von Deutschen be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0466]
lich rühmt. Bei einem noch rohen Volke ist eben dieser Aufwand in mate¬
riellen Genüssen ganz natürlich, nicht weniger ein gewisser Luxus in der Klei¬
dung, wie man diese Neigung ja noch jetzt in Böhmen besonders beim
Landvolke weit verbreitet findet. Namentlich die Frauen machten ..viel Aufwand
mit Hemden und Binden, mit Halsbändern und Brusttüchern, als welche sie
sich ein aus Seide und Gold gewebtes Mischlingszeug vorthun". Die langen
Hemdärmel waren oft mit Seidenstoff besetzt. Das Haar aber trugen die
Frauen lang und glatt gestrichen; oft hing es bis an die Wade oder die
Knöchel herab. Die Männer kleideten sich einfacher in grobe Tuchröcke und
umwickelten die Beine mit Pelzwerk; im Winter trugen sie Pelze, darüber
lange Mäntel mit Kapuzen. Auch sie aber ließen sich das Haar bis zum
Gürtel wachsen und pflegten es künstlich, wie auch Butzbach das that.
Wie wenig bei diesem Volke von höheren geistigen Bedürfnissen die Rede
sein konnte, ist klar. Unter solchen Umständen hing das Wenige von höherer
Cultur, was es in Böhmen damals gab, fast ausschließlich von den Städten
ab. Sie waren allerdings fast alle tschechtstrt, bis auf wenige, wie Graupen,
und dadurch in ihrem bürgerlichen Leben geknickt, in ihrer Verbindung mit
Deutschland gestört. Aber was an höherer Cultur noch in Böhmen existirte,
das mußte man doch in ihnen suchen. Allen voran stand natürlich die Haupt¬
stadt Prag, fast ganz tschechisch und utraqutstisch — nur die Kleinseite war
katholisch — aber eine imposante Stadt von gegen 300,000 Einwohnern,
noch in drei selbständige Theile - Altstadt. Neustadt, Kleinseite — zerfallend,
von denen die beiden ersten durch Graben und Mauern, die letztere durch die
Moldau sich abschlossen. Stattliche Gebäude erhoben sich namentlich in der
Altstadt. „Die Altstadt", schreibt Butzbach, „ist ganz in der Ebene gelegen
und mit prächtigen Bauten wunderbar geziert, unter welchen das Richthaus,
der Markt, das ausgedehnte Rathhaus und das Collegium, sämmtlich von
Karl IV. gegründet, die hervorragendsten sind. Die beiden Seiten der Stadt
(Altstadt und Kleinseite) sind durch eine steinerne Brücke mit einander verbun¬
den, welche auf vierundzwanzig Bogen ruht." „In dem kleineren Stadttheile,
welcher mit dem Hügel in Verbindung steht, darauf des Königs Wohnung
gelegen ist (dem Hradschin), befindet sich auch der erhabene bischöfliche Tempel
zu Se. Veit." Sonst führt Butzbach als bedeutendere Orte an Tschaslau, Deutsch¬
brod, Kaurun, Kuttenberg, Pilsen, Rakonitz, Ludttz, Tavor „das Bollwerk
vielfacher Ketzer", Saatz. Leitmeritz, Budweis, Dur, Kaaden, Brüx, Graupen,
Kralowitz, Teplitz, Schlau und Laun, also eine ziemlich stattliche Reihe freilich
meist kleinerer Städte. Es fehlte auch diesen nicht an einem gewissen Wohl¬
stande; außer den gewöhnlichen Gewerben treten besonders Bierbrauerei und
Zuckersiederei als charakteristisch hervor. Eines besonderen Vortheils genossen
natürlich die Badeorte; namentlich wurde Karlsbad auch von Deutschen be-
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