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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Abende an, da sie zum erstenmale durch die ganze Stadt angezündet und
gleichsam der Stadt als eine Christgeschenke (wie die Kinder zu reden pflegen)
bescheeret wurden, nicht so viel Unglücke erfahren, als vor dieser Zeit, da im
Finstern viele Bosheit kunde ausgeübet werden. Durch diese hochlöbliche
Anstalt wurden nicht allein die Gassen illuminiret, und kunde man der Wind¬
lichter und Privatlaternen solcher Gestalt entrathen, sondern auch viele Sün¬
den, sonderlich wieder das fünfte, sechste und siebente Gebots, merklich ge¬
steuert und kräftliglich verwehret."

Noch viel emphatischer äußerte sich gleich damals (1701) eine Leipziger Stimme so:


"Deine klugen Väter haben Nacht-Laternen aufsetzen lassen.
Wer tadtelt diese Anstalt?
Deine Schönheit muß auch in der Nacht gesehen werden,
Es muß bei dir auch in der Finsterniß Licht sein,
Die Kinder der Finsterniß scheuen dieses Licht.
Sie können dabei ihre bösen Werke nicht ausüben,
Dieses Feuer kann manches Liebesfeuer löschen.
Dieses Licht verfinstert die Wege der Diebe,
Ein unlebhastes Ding kann alle Schläger von der Gassen treiben,
Diese Laternen sind die besten Nachtwächter.
Ich muß mehr sagen:
Jtzt präsentiret sich bey dir der Himmel auf Erden,
Diese Sterne leuchten Heller als die Sterne des Firmaments.
Jene sind in der Nähe, diese in der Ferne;
So viel kann die Sorgfalt kluger Regenten ausrichten,
Es klage Niemand über die Unkosten!
Der Profit übertrifft dieselben.
Beglücktes Leipzig!
Steige immer höher in deinem Glänze!"

Es waren 700 Laternen auf Pfählen, welche durch die Stadt vertheilt
angezündet wurden. Die Vorstädte scheinen damals noch leer ausgegangen
zu sein, denn es findet sich eine Verordnung aus jener Zeit gegen das Fackel-
träger in den Vorstädten als feuergefährlich. Man mußte sich in den Vor¬
städten mit Laternen helfen oder in der Finsterniß sich weitertappen -- auf
die Gefahr hin, in Pfützen zu fallen oder auf den ungeebneten Straßen seine
gesunden Gliedmaßen zu riskiren.

Nicht weniger Anklang fand eine andere Anstalt, welche der Stadtrath
bald darauf (1703) ins Leben rief und von der heut nur noch schwache
Spuren eristiren, die Sänften. Auch darüber hören wir eine zeitgenössische
Stimme sich begeistert so äußern:

"So hat auch um diese Zeit ein hochlöblicher Magistrat die nützliche An¬
stalt gemachet, daß man um ein gewisses Trinkgeld von einem Ort zum
andern, beides in der Stadt als Vorstädten, hat können getragen werden.
Zu welchem Ende Hochermeldeter Senat gewisse Senfften verfertigen und hier¬
zu gewisse starke Leute zu tragen bestellen lassen. Welches Senfflentragen
den 29. Septembris dieses Jahres (1703) seinen Anfang genommen hat und
bis dato, weil man dessen Nutzen, sonderlich die Befreyung von Winde,
Regen und Schnee, Abreißung der Schuhe, Abhelffung der Müdigkeit und
Erspahrung der Carreten und Abwendung anderer Verdrüßlichkeiten, sehr
merklich empfindet, continuiret wird, und bedienen sich derselben nicht allein
die Staats- sondern auch gemeine Leute."

Gegenüber diesen beiden wichtigen Verbesserungen mochte es als ein
minder bedeutsames, obschon gewiß nicht unbemerkt gebliebenes Ereigniß er-


Abende an, da sie zum erstenmale durch die ganze Stadt angezündet und
gleichsam der Stadt als eine Christgeschenke (wie die Kinder zu reden pflegen)
bescheeret wurden, nicht so viel Unglücke erfahren, als vor dieser Zeit, da im
Finstern viele Bosheit kunde ausgeübet werden. Durch diese hochlöbliche
Anstalt wurden nicht allein die Gassen illuminiret, und kunde man der Wind¬
lichter und Privatlaternen solcher Gestalt entrathen, sondern auch viele Sün¬
den, sonderlich wieder das fünfte, sechste und siebente Gebots, merklich ge¬
steuert und kräftliglich verwehret."

Noch viel emphatischer äußerte sich gleich damals (1701) eine Leipziger Stimme so:


„Deine klugen Väter haben Nacht-Laternen aufsetzen lassen.
Wer tadtelt diese Anstalt?
Deine Schönheit muß auch in der Nacht gesehen werden,
Es muß bei dir auch in der Finsterniß Licht sein,
Die Kinder der Finsterniß scheuen dieses Licht.
Sie können dabei ihre bösen Werke nicht ausüben,
Dieses Feuer kann manches Liebesfeuer löschen.
Dieses Licht verfinstert die Wege der Diebe,
Ein unlebhastes Ding kann alle Schläger von der Gassen treiben,
Diese Laternen sind die besten Nachtwächter.
Ich muß mehr sagen:
Jtzt präsentiret sich bey dir der Himmel auf Erden,
Diese Sterne leuchten Heller als die Sterne des Firmaments.
Jene sind in der Nähe, diese in der Ferne;
So viel kann die Sorgfalt kluger Regenten ausrichten,
Es klage Niemand über die Unkosten!
Der Profit übertrifft dieselben.
Beglücktes Leipzig!
Steige immer höher in deinem Glänze!"

Es waren 700 Laternen auf Pfählen, welche durch die Stadt vertheilt
angezündet wurden. Die Vorstädte scheinen damals noch leer ausgegangen
zu sein, denn es findet sich eine Verordnung aus jener Zeit gegen das Fackel-
träger in den Vorstädten als feuergefährlich. Man mußte sich in den Vor¬
städten mit Laternen helfen oder in der Finsterniß sich weitertappen — auf
die Gefahr hin, in Pfützen zu fallen oder auf den ungeebneten Straßen seine
gesunden Gliedmaßen zu riskiren.

Nicht weniger Anklang fand eine andere Anstalt, welche der Stadtrath
bald darauf (1703) ins Leben rief und von der heut nur noch schwache
Spuren eristiren, die Sänften. Auch darüber hören wir eine zeitgenössische
Stimme sich begeistert so äußern:

„So hat auch um diese Zeit ein hochlöblicher Magistrat die nützliche An¬
stalt gemachet, daß man um ein gewisses Trinkgeld von einem Ort zum
andern, beides in der Stadt als Vorstädten, hat können getragen werden.
Zu welchem Ende Hochermeldeter Senat gewisse Senfften verfertigen und hier¬
zu gewisse starke Leute zu tragen bestellen lassen. Welches Senfflentragen
den 29. Septembris dieses Jahres (1703) seinen Anfang genommen hat und
bis dato, weil man dessen Nutzen, sonderlich die Befreyung von Winde,
Regen und Schnee, Abreißung der Schuhe, Abhelffung der Müdigkeit und
Erspahrung der Carreten und Abwendung anderer Verdrüßlichkeiten, sehr
merklich empfindet, continuiret wird, und bedienen sich derselben nicht allein
die Staats- sondern auch gemeine Leute."

Gegenüber diesen beiden wichtigen Verbesserungen mochte es als ein
minder bedeutsames, obschon gewiß nicht unbemerkt gebliebenes Ereigniß er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/44>, abgerufen am 22.07.2024.