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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Arbeit erfordert, namentlich wenn er elender Weise gerade einen Steinalten
Candidaten erwischt d. h. zum Schuldner hat. Wann er so die Jahrgänge
des Staatskalenders, etwa 30 -- 40 Exemplare, je nach dem vermuthlichen
Alter seines Damnificaten, mühsam verarbeitet hat und dann zu seiner Be¬
ruhigung etwa daraus ersieht, daß er es nur mit einem ganz einfachen Haus¬
lehrer zu thun hat, weil sein Schuldner nicht in dem Staalskalender vorkommt,
so kann er nunmehr getrost bei dem Herrn von Jtzelwitz auf Pritzelwitz die
gehorsamste Bitte einreichen, hochderselbe wolle ihm, dem Schuster zur Er¬
hebung der Klage gegen den Hauslehrer wegen einer Schuld für gelieferte
Schuhmacherarbeit, einen Klageschein ausstellen. Ohne einen solchen Klage¬
schein darf der Meister Schuhmacher überall nicht seinen Candidaten belangen,
da bei der Einreichung der Klage, die vorher ertheilte Erlaubniß des Guts¬
herrn zur Klageanstellung, eben der Klageschein, dieser Klageschrift angeschlossen
sein muß.

Der Gutsherr hat auf das geziemende Ansuchen des Bittstellers den
Klageschein gesetzlich binnen acht Tagen demselben zuzustellen. Läßt Herr von
Jtzelwitz auf Pritzelwitz diese Frist vorübergehen, ohne den Klageschein dem
guten Meister zuzusenden, so muß der Letztere es sich gefallen lassen, noch
einmal den Herrn von Jtzelwitz um Ausstellung des Klagescheins binnen
weiterer acht Tage zu bitten. Dabei ist nun dem braven Handwerker herzlich
zu wünschen, daß sein Gesuch nicht gerade in die Zeit vor den Hundstags¬
ferien fällt; denn in diesem Falle kann er lange warten; die Ferien werden
dem Herrn von Jtzelwitz zu Gute gerechnet.

Wir nehmen aber zu des Handwerkers Gunsten an, daß er mit der Bitte
um den Klageschein nicht bis zu den Hundstagen wartet. Dafür ist indessen
Herr von Jtzelwitz hartnäckig. Er denkt: "Laß den Schuster nur kommen, einen
Klageschein bekommt er nicht"; ja, er freut sich im Stillen über die voraus¬
sichtliche Niederlage des Meisters, denn er hat ja den Hauslehrer schon vor
14 Tagen entlassen. So geht es denn auch. Herr von Jtzelwitz läßt auch
die zweite Mahnung verstreichen. Richtig! Nach Ablauf der zweiten Frist
geht der Schuster zornig zum Advokaten. Jetzt kommt die Sache in Fluß.
Der Advokat erhebt bei der Großherzoglichen Justiz - Canzlei eine Beschwerde
im Namen des Schusters gegen den Herrn von Jtzelwitz auf Pritzelwitz wegen
der verzögerten Ertheilung des erbetenen Klagescheins.

Liegt sonst nichts im Wege, und wird gerichtlich nicht etwa seine Be¬
schwerde in angebrachter Art abgewiesen, weil z. B. die Bescheinigung fehlt,
daß der unglückliche Schuster wirklich vorschriftsmäßig den Herrn von Jtzelwitz
gemahnt oder die gehörige Zeit der Mahnung innegehalten hat, (sonst kann
er mit dem ergebensten Ansuchen um endliche Ertheilung des Klagescheins von
Vorne wieder anfangen) --- liegt also ein solches Hemmniß überall nicht im


Arbeit erfordert, namentlich wenn er elender Weise gerade einen Steinalten
Candidaten erwischt d. h. zum Schuldner hat. Wann er so die Jahrgänge
des Staatskalenders, etwa 30 — 40 Exemplare, je nach dem vermuthlichen
Alter seines Damnificaten, mühsam verarbeitet hat und dann zu seiner Be¬
ruhigung etwa daraus ersieht, daß er es nur mit einem ganz einfachen Haus¬
lehrer zu thun hat, weil sein Schuldner nicht in dem Staalskalender vorkommt,
so kann er nunmehr getrost bei dem Herrn von Jtzelwitz auf Pritzelwitz die
gehorsamste Bitte einreichen, hochderselbe wolle ihm, dem Schuster zur Er¬
hebung der Klage gegen den Hauslehrer wegen einer Schuld für gelieferte
Schuhmacherarbeit, einen Klageschein ausstellen. Ohne einen solchen Klage¬
schein darf der Meister Schuhmacher überall nicht seinen Candidaten belangen,
da bei der Einreichung der Klage, die vorher ertheilte Erlaubniß des Guts¬
herrn zur Klageanstellung, eben der Klageschein, dieser Klageschrift angeschlossen
sein muß.

Der Gutsherr hat auf das geziemende Ansuchen des Bittstellers den
Klageschein gesetzlich binnen acht Tagen demselben zuzustellen. Läßt Herr von
Jtzelwitz auf Pritzelwitz diese Frist vorübergehen, ohne den Klageschein dem
guten Meister zuzusenden, so muß der Letztere es sich gefallen lassen, noch
einmal den Herrn von Jtzelwitz um Ausstellung des Klagescheins binnen
weiterer acht Tage zu bitten. Dabei ist nun dem braven Handwerker herzlich
zu wünschen, daß sein Gesuch nicht gerade in die Zeit vor den Hundstags¬
ferien fällt; denn in diesem Falle kann er lange warten; die Ferien werden
dem Herrn von Jtzelwitz zu Gute gerechnet.

Wir nehmen aber zu des Handwerkers Gunsten an, daß er mit der Bitte
um den Klageschein nicht bis zu den Hundstagen wartet. Dafür ist indessen
Herr von Jtzelwitz hartnäckig. Er denkt: „Laß den Schuster nur kommen, einen
Klageschein bekommt er nicht"; ja, er freut sich im Stillen über die voraus¬
sichtliche Niederlage des Meisters, denn er hat ja den Hauslehrer schon vor
14 Tagen entlassen. So geht es denn auch. Herr von Jtzelwitz läßt auch
die zweite Mahnung verstreichen. Richtig! Nach Ablauf der zweiten Frist
geht der Schuster zornig zum Advokaten. Jetzt kommt die Sache in Fluß.
Der Advokat erhebt bei der Großherzoglichen Justiz - Canzlei eine Beschwerde
im Namen des Schusters gegen den Herrn von Jtzelwitz auf Pritzelwitz wegen
der verzögerten Ertheilung des erbetenen Klagescheins.

Liegt sonst nichts im Wege, und wird gerichtlich nicht etwa seine Be¬
schwerde in angebrachter Art abgewiesen, weil z. B. die Bescheinigung fehlt,
daß der unglückliche Schuster wirklich vorschriftsmäßig den Herrn von Jtzelwitz
gemahnt oder die gehörige Zeit der Mahnung innegehalten hat, (sonst kann
er mit dem ergebensten Ansuchen um endliche Ertheilung des Klagescheins von
Vorne wieder anfangen) —- liegt also ein solches Hemmniß überall nicht im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/439>, abgerufen am 22.07.2024.