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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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an Berthier, der noch in Rom weilte. Zu ihnen gesellten sich jetzt auch
einige Generale, und in einem zweiten Schreiben wurde Berthier von ihnen
dringend gebeten, das Kommando wieder zu übernehmen, Massen" aber der
Gehorsam aufgekündigt. *) Dieser mußte Rom wirklich verlassen, und General
Dallemagne den Oberbefehl übernehmen. Das Direktorium befand sich dieser
seltsamen Meuterei mit loyalem Charakter gegenüber in der peinlichsten Ver¬
legenheit. Während es einerseits (9. März 1798) eine Proklamation mit
väterlich-ernsten, aber milden Ermahnungen an die Empörer richtete und un¬
verzügliche Bestrafung des Unterschleifs und der Räubereien verhieß, sandte
es zugleich den General Gouvion-Saint-Cyr nach Rom, um dort das
Kommando zu übernehmen und die Rädelsführer zu strafen. Dieser ließ die
schuldigster zwar durch die Oberoffiziere verhaften, fand aber bei der aus¬
dauernd festen Haltung der übrigen doch gerathen, nachzugeben; seine Mäßigung
und Klugheit legten die Sache in Güte bei.

Ueber das eigentliche Wesen ihrer neuen Freiheit bereits enttäuscht,
wollte ein beträchtlicher Theil der Römer diese Wirren unter den Franz¬
männern zu dem Versuche benutzen, ihres schon verhaßten Joches sich wieder
zu entschlagen. Die Trasteveriner standen zuerst (23. Februar 1798) auf,
Velletri, Albano und einige andere Gemeinden des. Latinergebirges schlössen
sich ihnen an, jedoch ohne andern Erfolg, als daß etwa 500 Gefangene
gemacht wurden, von welchen ein Theil erschossen, der andere auf die Galeeren
geschickt ward, indem die Franzosen mit ihrer gutbedienten Artillerie selbst
jetzt jene ungeübten und schlecht bewaffneten Haufen ohne sonderliche An¬
strengung niederschlugen. Da sie die Cardinäle und andere hohe Prälaten
der Anstiftung dieses Aufruhrs beschuldigten, führten sie die meisten derselben
als Gefangene nach Civitavecchia ab; es war die Rede von Deportation,
doch glückte es ihnen größtentheils, einen Aufenthaltsort in Italien außerhalb
des Kirchenstaats zu erlangen. In diesem kam es zwar in den nächsten
Monden (April -- Juli 1798) noch zu einigen partiellen Aufständen, nach
deren blutiger Unterdrückung aber verging den Ex - Unterthanen des heiligen
Baders alle Lust zu weiteren Rebellionen.

Die neue römische Republik war und blieb die trostloseste aller derartigen
Schöpfungen der französischen, indem sie unter der trügerischen Hülle einer
wohleingerichteten Regierung, unter hochtönenden Namen die jämmerlichste
Unterdrückung und Knechtschaft barg. Die vom Direktorium nach der ewigen
Stadt geschickten vier Kommissäre Faypoult, Guyot-Florent, Daunou und
Monge beschenkten sie und den Rest des Kirchenstaates mit einer der franzö¬
sischen völlig nachgemodelten Verfassung, welche die Exeeutivgewalt fünf



") ^swais rvvolto no kut xlus vomMts. Massen" an Bonaparte 26. Febr. 17S8.
Grenzboten Hi. 1874. 34

an Berthier, der noch in Rom weilte. Zu ihnen gesellten sich jetzt auch
einige Generale, und in einem zweiten Schreiben wurde Berthier von ihnen
dringend gebeten, das Kommando wieder zu übernehmen, Massen» aber der
Gehorsam aufgekündigt. *) Dieser mußte Rom wirklich verlassen, und General
Dallemagne den Oberbefehl übernehmen. Das Direktorium befand sich dieser
seltsamen Meuterei mit loyalem Charakter gegenüber in der peinlichsten Ver¬
legenheit. Während es einerseits (9. März 1798) eine Proklamation mit
väterlich-ernsten, aber milden Ermahnungen an die Empörer richtete und un¬
verzügliche Bestrafung des Unterschleifs und der Räubereien verhieß, sandte
es zugleich den General Gouvion-Saint-Cyr nach Rom, um dort das
Kommando zu übernehmen und die Rädelsführer zu strafen. Dieser ließ die
schuldigster zwar durch die Oberoffiziere verhaften, fand aber bei der aus¬
dauernd festen Haltung der übrigen doch gerathen, nachzugeben; seine Mäßigung
und Klugheit legten die Sache in Güte bei.

Ueber das eigentliche Wesen ihrer neuen Freiheit bereits enttäuscht,
wollte ein beträchtlicher Theil der Römer diese Wirren unter den Franz¬
männern zu dem Versuche benutzen, ihres schon verhaßten Joches sich wieder
zu entschlagen. Die Trasteveriner standen zuerst (23. Februar 1798) auf,
Velletri, Albano und einige andere Gemeinden des. Latinergebirges schlössen
sich ihnen an, jedoch ohne andern Erfolg, als daß etwa 500 Gefangene
gemacht wurden, von welchen ein Theil erschossen, der andere auf die Galeeren
geschickt ward, indem die Franzosen mit ihrer gutbedienten Artillerie selbst
jetzt jene ungeübten und schlecht bewaffneten Haufen ohne sonderliche An¬
strengung niederschlugen. Da sie die Cardinäle und andere hohe Prälaten
der Anstiftung dieses Aufruhrs beschuldigten, führten sie die meisten derselben
als Gefangene nach Civitavecchia ab; es war die Rede von Deportation,
doch glückte es ihnen größtentheils, einen Aufenthaltsort in Italien außerhalb
des Kirchenstaats zu erlangen. In diesem kam es zwar in den nächsten
Monden (April — Juli 1798) noch zu einigen partiellen Aufständen, nach
deren blutiger Unterdrückung aber verging den Ex - Unterthanen des heiligen
Baders alle Lust zu weiteren Rebellionen.

Die neue römische Republik war und blieb die trostloseste aller derartigen
Schöpfungen der französischen, indem sie unter der trügerischen Hülle einer
wohleingerichteten Regierung, unter hochtönenden Namen die jämmerlichste
Unterdrückung und Knechtschaft barg. Die vom Direktorium nach der ewigen
Stadt geschickten vier Kommissäre Faypoult, Guyot-Florent, Daunou und
Monge beschenkten sie und den Rest des Kirchenstaates mit einer der franzö¬
sischen völlig nachgemodelten Verfassung, welche die Exeeutivgewalt fünf



") ^swais rvvolto no kut xlus vomMts. Massen» an Bonaparte 26. Febr. 17S8.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/433>, abgerufen am 22.07.2024.