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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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zusammen. Eine zweite Liste führt 20 Rittergüter auf der südlichen Seite
von Leipzig auf, welche 1744 größtentheils Bürgerlichen gehörten. Dieser
Kreis bürgerlichen Großgrundbesitzes, dessen Mittelpunkt Leipzig ist, hat sich
seitdem noch bedeutend erweitert und schließt jetzt die umfangreichsten und
werthvollsten Güter, nicht blos dieser Pflege, sondern nahezu des ganzen
Landes, wie Breitenfeld, Salis, Belgershain, Pomsen u. f. w., in sich.

Die Thorheit, daß einzelne solcher söll-maäö rasn durch redlichen bürger¬
lichen Erwerb wohlhabend gewordene Geschäftsleute, sich adeln ließen, ,kam
freilich schon damals vor.

Kehren wir von dieser Abschweifung in die Umgegend Leipzigs in die
innere Stadt zurück, so nehmen wir mit Genugthuung wahr, wie mit der
Bau- und Verschönerungslust der Privaten die Sorge sür Verbesserung, be¬
ziehentlich Einführung solcher Einrichtungen Hand in Hand geht, die dem
allgemeinen Nutzen, der Bequemlichkeit aller Bewohner, der Sauberkeit und
Annehmlichkeit der Stadt dienen. Eine der wichtigsten dieser Einrichtungen
war die Beleuchtung der Straßen und Plätze. Wir begreifen es heutzutage
schwer, wie man ohne eine solche sich so lange hatte behelfen können. Allein
selbst in viel größeren Städten, wie London, ward eine allgemeine Straßen¬
beleuchtung erst im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts (1690) eingeführt.
Wien und Berlin erhielten eine wenigstens partielle ohngefähr um dieselbe
Zeit, Hamburg etwas früher. Den übrigen deutschen Städten ging Leipzig
mit dem Beispiel einer Straßenbeleuchtung, und zwar einer für damals
ziemlich glänzenden, voraus (1701). Die Residenz Dresden folgte erst 1704,
Frankfurt a. M. 1711; Kassel und Darmstadt, obschon auch Residenzen,
mußten bis in die 60er Jahre warten. Wir dürfen uns daher nicht wundern,
wenn ein für jene Zeit so gewaltiger Fortschritt, als er ins Leben trat,
ganz Leipzig in eine freudige Aufregung versetzte, es mit Stolz auf diesen
Borzug und mit Dank gegen den Stadtrath, dessen väterlicher Fürsorge man
ihn verdankte, erfüllte.

Eine 1728 erschienene Schrift: "Verbesserungen Leipzigs" spricht sich mit
wahrer Verzückung so aus: "Gegen Abend um 8 Uhr obgedachten Tages
ließ E. Hoch Edler Rath zu sonderbahren Wohlstand, wie auch Verhütung
vieles Ungemachs und Unglückes, so bei finsterer Nacht sonst geschehen können,
auff dem Markte und in allen Gassen und Straßen die aufgesetzten Oellampen
in denen auff eigenen Pfählern postirten Laternen, derer 700 gezehlet werden,
das erste mahl anbrennen. Diese anzuzünden, auszuleschen, mit Oel zu ver¬
sehen und stets rein und sauber zu halten, wurden 18 Personen dazu ver-
pflichtet und angenommen, auch ihnen eine besondere Ordnung vorgeschrieben,
zu welcher Zeit sie die Lampen anbrennen, putzen und wieder auslöschen
sollten. Und hat man von Anno 1701 den 24. December als heiligem Christ-


zusammen. Eine zweite Liste führt 20 Rittergüter auf der südlichen Seite
von Leipzig auf, welche 1744 größtentheils Bürgerlichen gehörten. Dieser
Kreis bürgerlichen Großgrundbesitzes, dessen Mittelpunkt Leipzig ist, hat sich
seitdem noch bedeutend erweitert und schließt jetzt die umfangreichsten und
werthvollsten Güter, nicht blos dieser Pflege, sondern nahezu des ganzen
Landes, wie Breitenfeld, Salis, Belgershain, Pomsen u. f. w., in sich.

Die Thorheit, daß einzelne solcher söll-maäö rasn durch redlichen bürger¬
lichen Erwerb wohlhabend gewordene Geschäftsleute, sich adeln ließen, ,kam
freilich schon damals vor.

Kehren wir von dieser Abschweifung in die Umgegend Leipzigs in die
innere Stadt zurück, so nehmen wir mit Genugthuung wahr, wie mit der
Bau- und Verschönerungslust der Privaten die Sorge sür Verbesserung, be¬
ziehentlich Einführung solcher Einrichtungen Hand in Hand geht, die dem
allgemeinen Nutzen, der Bequemlichkeit aller Bewohner, der Sauberkeit und
Annehmlichkeit der Stadt dienen. Eine der wichtigsten dieser Einrichtungen
war die Beleuchtung der Straßen und Plätze. Wir begreifen es heutzutage
schwer, wie man ohne eine solche sich so lange hatte behelfen können. Allein
selbst in viel größeren Städten, wie London, ward eine allgemeine Straßen¬
beleuchtung erst im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts (1690) eingeführt.
Wien und Berlin erhielten eine wenigstens partielle ohngefähr um dieselbe
Zeit, Hamburg etwas früher. Den übrigen deutschen Städten ging Leipzig
mit dem Beispiel einer Straßenbeleuchtung, und zwar einer für damals
ziemlich glänzenden, voraus (1701). Die Residenz Dresden folgte erst 1704,
Frankfurt a. M. 1711; Kassel und Darmstadt, obschon auch Residenzen,
mußten bis in die 60er Jahre warten. Wir dürfen uns daher nicht wundern,
wenn ein für jene Zeit so gewaltiger Fortschritt, als er ins Leben trat,
ganz Leipzig in eine freudige Aufregung versetzte, es mit Stolz auf diesen
Borzug und mit Dank gegen den Stadtrath, dessen väterlicher Fürsorge man
ihn verdankte, erfüllte.

Eine 1728 erschienene Schrift: „Verbesserungen Leipzigs" spricht sich mit
wahrer Verzückung so aus: „Gegen Abend um 8 Uhr obgedachten Tages
ließ E. Hoch Edler Rath zu sonderbahren Wohlstand, wie auch Verhütung
vieles Ungemachs und Unglückes, so bei finsterer Nacht sonst geschehen können,
auff dem Markte und in allen Gassen und Straßen die aufgesetzten Oellampen
in denen auff eigenen Pfählern postirten Laternen, derer 700 gezehlet werden,
das erste mahl anbrennen. Diese anzuzünden, auszuleschen, mit Oel zu ver¬
sehen und stets rein und sauber zu halten, wurden 18 Personen dazu ver-
pflichtet und angenommen, auch ihnen eine besondere Ordnung vorgeschrieben,
zu welcher Zeit sie die Lampen anbrennen, putzen und wieder auslöschen
sollten. Und hat man von Anno 1701 den 24. December als heiligem Christ-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/43>, abgerufen am 22.07.2024.