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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Ein mehr locales Interesse hat das kleine Buch von Romussi über
den Aufenthalt Petrarca's in Mailand. Romussi ist der Versasser eines
Buches, welches "Niltmo nei Luoi monumenti" betitelt ist und den Preis
der italienischen pädagogischen Gesellschaft davongetragen hat. Dies zeigt zur
Genüge, daß er die Topographie Mailands genau kennt, und daß niemand
besser als er, nachdem er die Beziehungen Petrarca's und der Visconti genau
studirt hatte, uns Aufschlüsse über die Lage von Petrarca's Haus in Mailand
hätte geben können, und ebenso über sein Landhaus, welches er in Erinnerung
an die Villa Scipio's sein Linternum nannte und wohin er sich 13S0 zurück¬
zog, um sich seinen Studien besser widmen zu können. Es ist nichts interessan¬
ter im Leben Petrarca's als diese Zeiten der Zurückgezogenheit; der thätige,
aufgeregte, leidenschaftliche und unternehmende Mann fühlte von Zeit zu
Zeit das Bedürfniß sich zu sammeln, vergessen zu sein und sich selbst zu ver¬
gessen in tiefer Einsamkeit. Er hat mehr als einmal daran gedacht, Mönch
zu werden und in ein Kloster zu gehen, und ein solcher Drang ist ganz er¬
klärlich; der Kämpfer sehnt sich wohl manchmal nach einem Augenblick Ruhe,
fern vom Getöse des Schlachtfeldes, und Petrarca ist ein mächtiger Kämpfer
gewesen, und wenn er sich erschöpft fühlte, suchte er sich einen Zufluchtsort
fern von der Welt. So floh er von dem lärmenden Hofe von Avignon in
die Stille der Vaucluse. so verließ er den glänzenden Hof der Visconti, um
sich in sein Linternum einzuschließen, beim Kloster San Simplieiano, und so
flüchtete er aus dem stürmischen Leben und den Kämpfen, welche er zu Ve¬
nedig auszuhalten hatte, als er sich nach Arqua zurückzog, welches sein Grab
werden sollte. Wenn auch das Buch Romussi's nichts Neues für die Ge¬
schichte der Visconti und Petrarca's bringt, so ist es doch dadurch interessant,
daß es uns hilft, den rechten Platz wieder zu finden, wo sein Linternum
stand, Garignano, nahe bei der Chartreuse, während die Mailänder Führer
bisher meist die Fremden nach einer ganz andern Richtung sandten, als wo
es sich wirklich befindet, nämlich nach dem "Oasoina interna" benannten
Orte vor der I?orth> NaMllta, welche gar nichts mit dem Linternum Pe¬
trarca's zu thun hat, aus dem l'interuÄ mag man Anders, gemacht, und es
dann durch den Gleichklang verführt mit dem Linternum Petrarca's vermengt
haben. Aber wir wissen ja, daß Petrarca seinem Zufluchtsort den Namen nicht
wegen eines Gleichklangs dieser Worte gegeben hatte, sondern in Erinnerung an
die Villa des Urbildes seines Heldengedichtes, der Africa. Romussi schließt
seine Abhandlung folgendermaßen: "denjenigen, welche Gewicht auf Ueber¬
lieferungen legen, fügen wir noch hinzu, daß während der langen Nachfor¬
schungen, welche wir in Garignano machten, man uns sagte, an der Grenze
des Parks der Chartreuse, hinter der Kirche, befinde sich das kleine Haus, von


Ein mehr locales Interesse hat das kleine Buch von Romussi über
den Aufenthalt Petrarca's in Mailand. Romussi ist der Versasser eines
Buches, welches „Niltmo nei Luoi monumenti" betitelt ist und den Preis
der italienischen pädagogischen Gesellschaft davongetragen hat. Dies zeigt zur
Genüge, daß er die Topographie Mailands genau kennt, und daß niemand
besser als er, nachdem er die Beziehungen Petrarca's und der Visconti genau
studirt hatte, uns Aufschlüsse über die Lage von Petrarca's Haus in Mailand
hätte geben können, und ebenso über sein Landhaus, welches er in Erinnerung
an die Villa Scipio's sein Linternum nannte und wohin er sich 13S0 zurück¬
zog, um sich seinen Studien besser widmen zu können. Es ist nichts interessan¬
ter im Leben Petrarca's als diese Zeiten der Zurückgezogenheit; der thätige,
aufgeregte, leidenschaftliche und unternehmende Mann fühlte von Zeit zu
Zeit das Bedürfniß sich zu sammeln, vergessen zu sein und sich selbst zu ver¬
gessen in tiefer Einsamkeit. Er hat mehr als einmal daran gedacht, Mönch
zu werden und in ein Kloster zu gehen, und ein solcher Drang ist ganz er¬
klärlich; der Kämpfer sehnt sich wohl manchmal nach einem Augenblick Ruhe,
fern vom Getöse des Schlachtfeldes, und Petrarca ist ein mächtiger Kämpfer
gewesen, und wenn er sich erschöpft fühlte, suchte er sich einen Zufluchtsort
fern von der Welt. So floh er von dem lärmenden Hofe von Avignon in
die Stille der Vaucluse. so verließ er den glänzenden Hof der Visconti, um
sich in sein Linternum einzuschließen, beim Kloster San Simplieiano, und so
flüchtete er aus dem stürmischen Leben und den Kämpfen, welche er zu Ve¬
nedig auszuhalten hatte, als er sich nach Arqua zurückzog, welches sein Grab
werden sollte. Wenn auch das Buch Romussi's nichts Neues für die Ge¬
schichte der Visconti und Petrarca's bringt, so ist es doch dadurch interessant,
daß es uns hilft, den rechten Platz wieder zu finden, wo sein Linternum
stand, Garignano, nahe bei der Chartreuse, während die Mailänder Führer
bisher meist die Fremden nach einer ganz andern Richtung sandten, als wo
es sich wirklich befindet, nämlich nach dem „Oasoina interna" benannten
Orte vor der I?orth> NaMllta, welche gar nichts mit dem Linternum Pe¬
trarca's zu thun hat, aus dem l'interuÄ mag man Anders, gemacht, und es
dann durch den Gleichklang verführt mit dem Linternum Petrarca's vermengt
haben. Aber wir wissen ja, daß Petrarca seinem Zufluchtsort den Namen nicht
wegen eines Gleichklangs dieser Worte gegeben hatte, sondern in Erinnerung an
die Villa des Urbildes seines Heldengedichtes, der Africa. Romussi schließt
seine Abhandlung folgendermaßen: „denjenigen, welche Gewicht auf Ueber¬
lieferungen legen, fügen wir noch hinzu, daß während der langen Nachfor¬
schungen, welche wir in Garignano machten, man uns sagte, an der Grenze
des Parks der Chartreuse, hinter der Kirche, befinde sich das kleine Haus, von


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[0406] Ein mehr locales Interesse hat das kleine Buch von Romussi über den Aufenthalt Petrarca's in Mailand. Romussi ist der Versasser eines Buches, welches „Niltmo nei Luoi monumenti" betitelt ist und den Preis der italienischen pädagogischen Gesellschaft davongetragen hat. Dies zeigt zur Genüge, daß er die Topographie Mailands genau kennt, und daß niemand besser als er, nachdem er die Beziehungen Petrarca's und der Visconti genau studirt hatte, uns Aufschlüsse über die Lage von Petrarca's Haus in Mailand hätte geben können, und ebenso über sein Landhaus, welches er in Erinnerung an die Villa Scipio's sein Linternum nannte und wohin er sich 13S0 zurück¬ zog, um sich seinen Studien besser widmen zu können. Es ist nichts interessan¬ ter im Leben Petrarca's als diese Zeiten der Zurückgezogenheit; der thätige, aufgeregte, leidenschaftliche und unternehmende Mann fühlte von Zeit zu Zeit das Bedürfniß sich zu sammeln, vergessen zu sein und sich selbst zu ver¬ gessen in tiefer Einsamkeit. Er hat mehr als einmal daran gedacht, Mönch zu werden und in ein Kloster zu gehen, und ein solcher Drang ist ganz er¬ klärlich; der Kämpfer sehnt sich wohl manchmal nach einem Augenblick Ruhe, fern vom Getöse des Schlachtfeldes, und Petrarca ist ein mächtiger Kämpfer gewesen, und wenn er sich erschöpft fühlte, suchte er sich einen Zufluchtsort fern von der Welt. So floh er von dem lärmenden Hofe von Avignon in die Stille der Vaucluse. so verließ er den glänzenden Hof der Visconti, um sich in sein Linternum einzuschließen, beim Kloster San Simplieiano, und so flüchtete er aus dem stürmischen Leben und den Kämpfen, welche er zu Ve¬ nedig auszuhalten hatte, als er sich nach Arqua zurückzog, welches sein Grab werden sollte. Wenn auch das Buch Romussi's nichts Neues für die Ge¬ schichte der Visconti und Petrarca's bringt, so ist es doch dadurch interessant, daß es uns hilft, den rechten Platz wieder zu finden, wo sein Linternum stand, Garignano, nahe bei der Chartreuse, während die Mailänder Führer bisher meist die Fremden nach einer ganz andern Richtung sandten, als wo es sich wirklich befindet, nämlich nach dem „Oasoina interna" benannten Orte vor der I?orth> NaMllta, welche gar nichts mit dem Linternum Pe¬ trarca's zu thun hat, aus dem l'interuÄ mag man Anders, gemacht, und es dann durch den Gleichklang verführt mit dem Linternum Petrarca's vermengt haben. Aber wir wissen ja, daß Petrarca seinem Zufluchtsort den Namen nicht wegen eines Gleichklangs dieser Worte gegeben hatte, sondern in Erinnerung an die Villa des Urbildes seines Heldengedichtes, der Africa. Romussi schließt seine Abhandlung folgendermaßen: „denjenigen, welche Gewicht auf Ueber¬ lieferungen legen, fügen wir noch hinzu, daß während der langen Nachfor¬ schungen, welche wir in Garignano machten, man uns sagte, an der Grenze des Parks der Chartreuse, hinter der Kirche, befinde sich das kleine Haus, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/406>, abgerufen am 22.07.2024.