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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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kommen; unmittelbar nach Besetzung der nördlichen Legationen durch Augereau
(14. Juni 1796) sandte Pius VI, einen Bevollmächtigten an den Obergeneral,
um den Sturm zu beschwören. Unter Vermittlung des spanischen Gesandten
d'Azara erlangte jener von Bonaparte (23. Juni) einen Waffenstillstand,
gegen Ueberlassung der Legationen Bologna und Ferrara sowie der Citadelle
von Ancona. Zahlung von 21 Millionen Livres, angemessene Entschädigung
der Familie Basseville's, Auslieferung von 100 der kostbarsten Gemälde,
Statuen und Büsten wie auch von 300 der werthvollsten Manuscripte des
Vaticans, nach beliebiger Auswahl der Kommissäre der Republik. Da die
Affairen dieser, als ihr Gesandter Miot (21. Juli 1797) zur Ausführung der
fraglichen Stimulationen nach Rom kam, noch ziemlich gut auf der Halbinsel
standen, erklärte Pius VI. demselben in amtlicher Audienz persönlich, die
Pünktliche Vollziehung jener werde ihm eine heilige Sache sein (cosa, saero-
Lancia), und behändigte ihm auch seine in bester Form ausgestellte Ratifikations¬
urkunde des in Rede stehenden Vertrags. Aber schon nach etwa 14 Tagen
war durch Wurmser's Erscheinen in Ober-Italien an der Spitze von 60,000
Oesterreichern in der Stimmung des Papstes und seiner Umgebung ein solcher
Umschwung eingetreten, daß, trotz der erwähnten Ratifikation, die Ausführung
der Waffenstillstands-Bedingungen fortwährend auf neue Schwierigkeiten stieß.*)
Und so wie das Waffenglück den Oesterreichern einigermaßen zu lächeln schien,
erklärte (20. September 1796) der römische Hof, von welchem Bonaparte
schon damals (26. August) dem Direktorium schrieb, derselbe sei psrüäk
böte zugleich, daß weder die Religion noch die Rechte der heiligen Kirche ihm
gestatteten, jene Uebereinkunft zu vollziehen und verweigerte sogar jede andere.
Er ordnete die Aufstellung eines Truppencorps von 12,000 Mann an und
suchte zugleich unter der Hand**) den .Fanatismus der Massen gegen die
Franzosen zu entflammen. Sobald diese ordentliche Schläge bekommen,
sollten die päpstlichen Legionen sich mit denen Habsburgs vereinen und
Wälschland von ihnen befreien. Aber trotz der Gebete des heiligen Vaters,
der (3. Oktober) alle katholischen Potentaten dringend aufforderte, zur Ver¬
theidigung der Religion in ihrer letzten Zufluchtsstätte sich mit ihm zu ver¬
binden, und des heiligen Kollegiums, kam die Sache umgekehrt; der Oester¬
reicher entscheidende Niederlage bei Nivoli (14. Januar 1797) und Mantuas
Kapitulation (2. Februar) gaben den Kirchenstaat der Gnade der Franz¬
männer preis. Mit verdoppeltem Eifer bemüheten sich jetzt die Priester, die




*) Was Alles man erst aus Kliot as Nklito, Nümoirss roro. I., x>. 114 -- 12" Paris
1858) erfährt. Herausgeber dieser, zu den prachtvollsten und iustructivsten jener Tage zählen-
den Denkwürdigkeiten ist des (Jan. 1841 verstorbenen) Verfassers Schwiegersohn, der würrem-
bergische General und mehrjährige Gesandte (1838--1348) Fleischmann zu Paris.
") Ulve cle Ilslito, Nümoirss I., 11Z.

kommen; unmittelbar nach Besetzung der nördlichen Legationen durch Augereau
(14. Juni 1796) sandte Pius VI, einen Bevollmächtigten an den Obergeneral,
um den Sturm zu beschwören. Unter Vermittlung des spanischen Gesandten
d'Azara erlangte jener von Bonaparte (23. Juni) einen Waffenstillstand,
gegen Ueberlassung der Legationen Bologna und Ferrara sowie der Citadelle
von Ancona. Zahlung von 21 Millionen Livres, angemessene Entschädigung
der Familie Basseville's, Auslieferung von 100 der kostbarsten Gemälde,
Statuen und Büsten wie auch von 300 der werthvollsten Manuscripte des
Vaticans, nach beliebiger Auswahl der Kommissäre der Republik. Da die
Affairen dieser, als ihr Gesandter Miot (21. Juli 1797) zur Ausführung der
fraglichen Stimulationen nach Rom kam, noch ziemlich gut auf der Halbinsel
standen, erklärte Pius VI. demselben in amtlicher Audienz persönlich, die
Pünktliche Vollziehung jener werde ihm eine heilige Sache sein (cosa, saero-
Lancia), und behändigte ihm auch seine in bester Form ausgestellte Ratifikations¬
urkunde des in Rede stehenden Vertrags. Aber schon nach etwa 14 Tagen
war durch Wurmser's Erscheinen in Ober-Italien an der Spitze von 60,000
Oesterreichern in der Stimmung des Papstes und seiner Umgebung ein solcher
Umschwung eingetreten, daß, trotz der erwähnten Ratifikation, die Ausführung
der Waffenstillstands-Bedingungen fortwährend auf neue Schwierigkeiten stieß.*)
Und so wie das Waffenglück den Oesterreichern einigermaßen zu lächeln schien,
erklärte (20. September 1796) der römische Hof, von welchem Bonaparte
schon damals (26. August) dem Direktorium schrieb, derselbe sei psrüäk
böte zugleich, daß weder die Religion noch die Rechte der heiligen Kirche ihm
gestatteten, jene Uebereinkunft zu vollziehen und verweigerte sogar jede andere.
Er ordnete die Aufstellung eines Truppencorps von 12,000 Mann an und
suchte zugleich unter der Hand**) den .Fanatismus der Massen gegen die
Franzosen zu entflammen. Sobald diese ordentliche Schläge bekommen,
sollten die päpstlichen Legionen sich mit denen Habsburgs vereinen und
Wälschland von ihnen befreien. Aber trotz der Gebete des heiligen Vaters,
der (3. Oktober) alle katholischen Potentaten dringend aufforderte, zur Ver¬
theidigung der Religion in ihrer letzten Zufluchtsstätte sich mit ihm zu ver¬
binden, und des heiligen Kollegiums, kam die Sache umgekehrt; der Oester¬
reicher entscheidende Niederlage bei Nivoli (14. Januar 1797) und Mantuas
Kapitulation (2. Februar) gaben den Kirchenstaat der Gnade der Franz¬
männer preis. Mit verdoppeltem Eifer bemüheten sich jetzt die Priester, die




*) Was Alles man erst aus Kliot as Nklito, Nümoirss roro. I., x>. 114 — 12« Paris
1858) erfährt. Herausgeber dieser, zu den prachtvollsten und iustructivsten jener Tage zählen-
den Denkwürdigkeiten ist des (Jan. 1841 verstorbenen) Verfassers Schwiegersohn, der würrem-
bergische General und mehrjährige Gesandte (1838—1348) Fleischmann zu Paris.
") Ulve cle Ilslito, Nümoirss I., 11Z.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/397>, abgerufen am 22.07.2024.