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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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zu beklagen, ja sich ganz trostlos darüber zu stellen*), vermochte Hesperiens
Bewohner von der Echtheit der demokratischen Tendenzen der katholischen
Kirche und der Lauterkeit ihrer so plötzlich erwachten Volksfreundschaft nicht
zu überzeugen. Die unerwartetste Wirkung äußerte Spedalieri's Buch aber
auf Könige und Fürsten, die aus demselben zu ihrer großen Ueberraschung
ersahen, wie geneigt die heiligen Männer in Rom waren, sich mit der Re¬
volution zu befreunden, ja! selbst mit dieser gegen die "Tyrannen" sich zu
verbünden, sobald es ihr Vortheil zu erheischen schien. Den allerübelsten Ein¬
druck machte diese Entdeckung auf den Todfeind alles dessen, was nur ent¬
fernt nach Revolution schmeckte, auf Kaiser Franz II., den Einzigen, der zu
wirksamer Unterstützung noch sähig war, der aber vornehmlich deshalb nach¬
mals wachsende Geneigtheit verrieth**), von dem Patrimonium des heiligen
Petrus dem Patrimonium des Hauses Habsburg-Lothringen möglichst viel
zu annectiren und auf des Papstes dringende Hülfebitten kühl erklärte: Erst
solle ihm dieser Ferrara und noch einige andere Städte abtreten, dann wolle
er sich die Sache einmal überlegen. Zu diesen Hülfebitten sah Pius VI. erst
einige Jahre später sich genöthigt. Trotz seiner tiefen Erbitterung gegen die
neue Republik aus den berührten Gründen hatte dieser Träger der Tiara
doch rathsam erachtet, die diplomatische Verbindung mit derselben nicht abzu¬
brechen, vielmehr als deren Geschäftsträger den gewesenen Redakteur des
Uercure nationale, Basseville, in der Siebenhügelstadt zu empfangen. Mehr
noch als die von diesem angeordnete Ersetzung des königlichen Wappens an
der dortigen französischen Künstlerakademie durch das republikanische gaben
großes Aergerniß ein von ihm in seinem Hotel (13. Januar 1793) ver-
anstaltetes Fest und die dabei ausgebrachten Toaste auf die Freiheit. Es
kam zu einem Volksaufstand, in welchem das Hotel gestürmt. Basseville selbst
und noch einige Franzosen ermordet wurden. Wenn schon der heilige Vater
betheuerte, er sei ganz unschuldig an der fatalen Geschichte, wollte der National-
Convent das doch nicht glauben***) und erklärte sofort, daß er für diese
schwere Verletzung des Völkerrechts die empfindlichste Rache nehmen werde.

So lange aber FrankreichsFeinde die Oberhand auf der Halbinsel hatten,
mußte die Ausführung dieser Drohung verschoben werden. Erst mit dem
siegreichen Vordringen Bon aparte's in Italien war die Zeit dazu ge-





') Wie man aus einer dem National-Convent durch Merlin von Daurt aus der Korre¬
spondenz des Wohlfahrts-Ausschusses am 3. Oktober 1794 gemachten Mittheilung erfährt.
Posselt, Chronol. Regist. d. fränkisch. Revol. I. 394.
*") Schon sehr deutlich in der Instruktion Thugut's für Allvintzy vom 12. November 1796
bei Vivenot. Thugut, Clerfayt und Wurmser S. 513 f. (Wien 1869.)
1793 erschien in Paris die, von Dorat-Cubiöres oder Cubiöres-Palmezcaux verfaßte
Schrift: 1^" moi't as IZÄssovillv, on I" Lonspiratioii et" ?i<z VI. üövoilös; die Italiener
Savil und Monti haben Basseville poetisch verherrlicht, letzterer in der Lsssövillana.

zu beklagen, ja sich ganz trostlos darüber zu stellen*), vermochte Hesperiens
Bewohner von der Echtheit der demokratischen Tendenzen der katholischen
Kirche und der Lauterkeit ihrer so plötzlich erwachten Volksfreundschaft nicht
zu überzeugen. Die unerwartetste Wirkung äußerte Spedalieri's Buch aber
auf Könige und Fürsten, die aus demselben zu ihrer großen Ueberraschung
ersahen, wie geneigt die heiligen Männer in Rom waren, sich mit der Re¬
volution zu befreunden, ja! selbst mit dieser gegen die „Tyrannen" sich zu
verbünden, sobald es ihr Vortheil zu erheischen schien. Den allerübelsten Ein¬
druck machte diese Entdeckung auf den Todfeind alles dessen, was nur ent¬
fernt nach Revolution schmeckte, auf Kaiser Franz II., den Einzigen, der zu
wirksamer Unterstützung noch sähig war, der aber vornehmlich deshalb nach¬
mals wachsende Geneigtheit verrieth**), von dem Patrimonium des heiligen
Petrus dem Patrimonium des Hauses Habsburg-Lothringen möglichst viel
zu annectiren und auf des Papstes dringende Hülfebitten kühl erklärte: Erst
solle ihm dieser Ferrara und noch einige andere Städte abtreten, dann wolle
er sich die Sache einmal überlegen. Zu diesen Hülfebitten sah Pius VI. erst
einige Jahre später sich genöthigt. Trotz seiner tiefen Erbitterung gegen die
neue Republik aus den berührten Gründen hatte dieser Träger der Tiara
doch rathsam erachtet, die diplomatische Verbindung mit derselben nicht abzu¬
brechen, vielmehr als deren Geschäftsträger den gewesenen Redakteur des
Uercure nationale, Basseville, in der Siebenhügelstadt zu empfangen. Mehr
noch als die von diesem angeordnete Ersetzung des königlichen Wappens an
der dortigen französischen Künstlerakademie durch das republikanische gaben
großes Aergerniß ein von ihm in seinem Hotel (13. Januar 1793) ver-
anstaltetes Fest und die dabei ausgebrachten Toaste auf die Freiheit. Es
kam zu einem Volksaufstand, in welchem das Hotel gestürmt. Basseville selbst
und noch einige Franzosen ermordet wurden. Wenn schon der heilige Vater
betheuerte, er sei ganz unschuldig an der fatalen Geschichte, wollte der National-
Convent das doch nicht glauben***) und erklärte sofort, daß er für diese
schwere Verletzung des Völkerrechts die empfindlichste Rache nehmen werde.

So lange aber FrankreichsFeinde die Oberhand auf der Halbinsel hatten,
mußte die Ausführung dieser Drohung verschoben werden. Erst mit dem
siegreichen Vordringen Bon aparte's in Italien war die Zeit dazu ge-





') Wie man aus einer dem National-Convent durch Merlin von Daurt aus der Korre¬
spondenz des Wohlfahrts-Ausschusses am 3. Oktober 1794 gemachten Mittheilung erfährt.
Posselt, Chronol. Regist. d. fränkisch. Revol. I. 394.
*") Schon sehr deutlich in der Instruktion Thugut's für Allvintzy vom 12. November 1796
bei Vivenot. Thugut, Clerfayt und Wurmser S. 513 f. (Wien 1869.)
1793 erschien in Paris die, von Dorat-Cubiöres oder Cubiöres-Palmezcaux verfaßte
Schrift: 1^» moi't as IZÄssovillv, on I» Lonspiratioii et» ?i<z VI. üövoilös; die Italiener
Savil und Monti haben Basseville poetisch verherrlicht, letzterer in der Lsssövillana.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/396>, abgerufen am 22.07.2024.