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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ihm erschienen, unter entsetzlichem Gebrüll klagend, daß er verdammt sei,
weil er ihm (Amcmzio) gerathen habe, sein Vermögen zum Nachtheile seiner
nächsten Verwandtin zu verschenken. Nur mit Mühe gelang es Pius VI.,
den verzweifelnden Lepri mit der Versicherung zu beruhigen, daß die vermeint¬
liche Erscheinung nur ein Traum sei, und durch den Rath, sich mittelst einiger
Aderlässe von den Beschwerden der Vollblütigkeit zu befreien.

Als Amanzio bald darauf lebensgefährlich erkrankte, nahm für seine
Bruderstochter und rechtmäßige Erbin deren Mutter, die Marchesa Victoria
Lepri, sein ganzes Vermögen in Anspruch, und machte den Prozeß bei der
Rot" anhängig. Diese war das selbst außerhalb der Siebenhügelstadt be¬
rühmteste päpstliche Tribunal, welches aus zwölf Richtern bestand, unter denen
nur drei geborne Römer und im Ganzen fünf vom Papste besoldete waren.
Die übrigen sieben Richter wurden vom deutschen Kaiser, den Königen von
Frankreich und Spanien und einigen italienischen Mächten besoldet, die das
Recht besaßen. bei jeder Vacanz dem heil. Vater drei oder vier Kandidaten
zu präsentiren, aus welchen dieser einen wählte. Die Mitglieder der Roda
standen in dem Rufe, sich nur sehr selten von ihrer Pflicht zu verirren, wes¬
halb Pius VI. selbst ihren Ausspruch fürchtete, und darum der Marchesa
für ihre Tochter Lepri eine Abfindung von 200.000 Scudi bot. die diese jedoch
ausschlug. Und ehe die zu dem Behufe eingeleiteten Verhandlungen, eine
Heirath zwischen Mariannen Lepri und dem Grafen Aloysius von Braschi-
Onesti. dem dritten Neffen des Papstes, zu Stande zu bringen, zu einem
Resultate führten, erfolgte (2. Juni 1785) die fast einstimmige Roda zu
Mariannens Gunsten. Dabei widerfuhr dem Träger der Tiara noch die De¬
müthigung, daß das Volk von Rom den Sieg des guten Rechtes vor dem
Gerichtspalaste mit lärmenden Kundgebungen feierte.

Amanzio's kurz darauf eingetretener Tod bereitete dem Papste die nicht
kleine Ueberraschung, daß, als er das zu seinen Gunsten lautende Testament
desselben geltend machen wollte, dessen rechtmäßige Erbin einen neueren
letzten Willen ihres Oheims producirte, durch welchen er die dem heiligen
Vater und seinen Nepoten gemachte Schenkung unter Lebenden, als erlistete,
für null und nichtig erklärte. Aber obwohl die öffentliche Meinung jetzt noch
entschiedener als früher für Marianne Partei ergriff, war Pius VI. doch weit
entfernt, das reiche Erbe fahren zu lassen. Es gelang ihm vielmehr, die
Mehrzahl der Richter der Roda zu bestechen, so daß diese (1786) ihren ersten
Ausspruch umstieße, Amanzio's Schenkung für giltig erklärte und dessen
Nichte in die sehr bedeutenden Kosten dieses Processes verurtheilte.

Der jetzt auf den Gipfel gediehenen Entrüstung der Römer gab Fürst
Altieri, einer ihrer angesehensten und stolzesten Großen, einen sehr bezeichnenden
Ausdruck -- er heirathete Marianne. Jetzt erst (1787) verstand sich Christi


Grenzboten III. 1874. 49

ihm erschienen, unter entsetzlichem Gebrüll klagend, daß er verdammt sei,
weil er ihm (Amcmzio) gerathen habe, sein Vermögen zum Nachtheile seiner
nächsten Verwandtin zu verschenken. Nur mit Mühe gelang es Pius VI.,
den verzweifelnden Lepri mit der Versicherung zu beruhigen, daß die vermeint¬
liche Erscheinung nur ein Traum sei, und durch den Rath, sich mittelst einiger
Aderlässe von den Beschwerden der Vollblütigkeit zu befreien.

Als Amanzio bald darauf lebensgefährlich erkrankte, nahm für seine
Bruderstochter und rechtmäßige Erbin deren Mutter, die Marchesa Victoria
Lepri, sein ganzes Vermögen in Anspruch, und machte den Prozeß bei der
Rot« anhängig. Diese war das selbst außerhalb der Siebenhügelstadt be¬
rühmteste päpstliche Tribunal, welches aus zwölf Richtern bestand, unter denen
nur drei geborne Römer und im Ganzen fünf vom Papste besoldete waren.
Die übrigen sieben Richter wurden vom deutschen Kaiser, den Königen von
Frankreich und Spanien und einigen italienischen Mächten besoldet, die das
Recht besaßen. bei jeder Vacanz dem heil. Vater drei oder vier Kandidaten
zu präsentiren, aus welchen dieser einen wählte. Die Mitglieder der Roda
standen in dem Rufe, sich nur sehr selten von ihrer Pflicht zu verirren, wes¬
halb Pius VI. selbst ihren Ausspruch fürchtete, und darum der Marchesa
für ihre Tochter Lepri eine Abfindung von 200.000 Scudi bot. die diese jedoch
ausschlug. Und ehe die zu dem Behufe eingeleiteten Verhandlungen, eine
Heirath zwischen Mariannen Lepri und dem Grafen Aloysius von Braschi-
Onesti. dem dritten Neffen des Papstes, zu Stande zu bringen, zu einem
Resultate führten, erfolgte (2. Juni 1785) die fast einstimmige Roda zu
Mariannens Gunsten. Dabei widerfuhr dem Träger der Tiara noch die De¬
müthigung, daß das Volk von Rom den Sieg des guten Rechtes vor dem
Gerichtspalaste mit lärmenden Kundgebungen feierte.

Amanzio's kurz darauf eingetretener Tod bereitete dem Papste die nicht
kleine Ueberraschung, daß, als er das zu seinen Gunsten lautende Testament
desselben geltend machen wollte, dessen rechtmäßige Erbin einen neueren
letzten Willen ihres Oheims producirte, durch welchen er die dem heiligen
Vater und seinen Nepoten gemachte Schenkung unter Lebenden, als erlistete,
für null und nichtig erklärte. Aber obwohl die öffentliche Meinung jetzt noch
entschiedener als früher für Marianne Partei ergriff, war Pius VI. doch weit
entfernt, das reiche Erbe fahren zu lassen. Es gelang ihm vielmehr, die
Mehrzahl der Richter der Roda zu bestechen, so daß diese (1786) ihren ersten
Ausspruch umstieße, Amanzio's Schenkung für giltig erklärte und dessen
Nichte in die sehr bedeutenden Kosten dieses Processes verurtheilte.

Der jetzt auf den Gipfel gediehenen Entrüstung der Römer gab Fürst
Altieri, einer ihrer angesehensten und stolzesten Großen, einen sehr bezeichnenden
Ausdruck — er heirathete Marianne. Jetzt erst (1787) verstand sich Christi


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[0393] ihm erschienen, unter entsetzlichem Gebrüll klagend, daß er verdammt sei, weil er ihm (Amcmzio) gerathen habe, sein Vermögen zum Nachtheile seiner nächsten Verwandtin zu verschenken. Nur mit Mühe gelang es Pius VI., den verzweifelnden Lepri mit der Versicherung zu beruhigen, daß die vermeint¬ liche Erscheinung nur ein Traum sei, und durch den Rath, sich mittelst einiger Aderlässe von den Beschwerden der Vollblütigkeit zu befreien. Als Amanzio bald darauf lebensgefährlich erkrankte, nahm für seine Bruderstochter und rechtmäßige Erbin deren Mutter, die Marchesa Victoria Lepri, sein ganzes Vermögen in Anspruch, und machte den Prozeß bei der Rot« anhängig. Diese war das selbst außerhalb der Siebenhügelstadt be¬ rühmteste päpstliche Tribunal, welches aus zwölf Richtern bestand, unter denen nur drei geborne Römer und im Ganzen fünf vom Papste besoldete waren. Die übrigen sieben Richter wurden vom deutschen Kaiser, den Königen von Frankreich und Spanien und einigen italienischen Mächten besoldet, die das Recht besaßen. bei jeder Vacanz dem heil. Vater drei oder vier Kandidaten zu präsentiren, aus welchen dieser einen wählte. Die Mitglieder der Roda standen in dem Rufe, sich nur sehr selten von ihrer Pflicht zu verirren, wes¬ halb Pius VI. selbst ihren Ausspruch fürchtete, und darum der Marchesa für ihre Tochter Lepri eine Abfindung von 200.000 Scudi bot. die diese jedoch ausschlug. Und ehe die zu dem Behufe eingeleiteten Verhandlungen, eine Heirath zwischen Mariannen Lepri und dem Grafen Aloysius von Braschi- Onesti. dem dritten Neffen des Papstes, zu Stande zu bringen, zu einem Resultate führten, erfolgte (2. Juni 1785) die fast einstimmige Roda zu Mariannens Gunsten. Dabei widerfuhr dem Träger der Tiara noch die De¬ müthigung, daß das Volk von Rom den Sieg des guten Rechtes vor dem Gerichtspalaste mit lärmenden Kundgebungen feierte. Amanzio's kurz darauf eingetretener Tod bereitete dem Papste die nicht kleine Ueberraschung, daß, als er das zu seinen Gunsten lautende Testament desselben geltend machen wollte, dessen rechtmäßige Erbin einen neueren letzten Willen ihres Oheims producirte, durch welchen er die dem heiligen Vater und seinen Nepoten gemachte Schenkung unter Lebenden, als erlistete, für null und nichtig erklärte. Aber obwohl die öffentliche Meinung jetzt noch entschiedener als früher für Marianne Partei ergriff, war Pius VI. doch weit entfernt, das reiche Erbe fahren zu lassen. Es gelang ihm vielmehr, die Mehrzahl der Richter der Roda zu bestechen, so daß diese (1786) ihren ersten Ausspruch umstieße, Amanzio's Schenkung für giltig erklärte und dessen Nichte in die sehr bedeutenden Kosten dieses Processes verurtheilte. Der jetzt auf den Gipfel gediehenen Entrüstung der Römer gab Fürst Altieri, einer ihrer angesehensten und stolzesten Großen, einen sehr bezeichnenden Ausdruck — er heirathete Marianne. Jetzt erst (1787) verstand sich Christi Grenzboten III. 1874. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/393>, abgerufen am 22.07.2024.