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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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furchtbaren Krieges und der Wiederherstellung des verkehrbelebenden Friedens
waren verflossen, so sehen wir in Leipzig die Baulust in großem Style sich
regen, immer ein Anzeichen, daß eine Stadt über die erste Nothdurft hinaus
zu dem Gefühle des Behagens und eines gewissen Ueberflusses gelangt ist.

Schon im 16. Jahrhundert hatte Leipzig sich mit mehreren großen und
stattlichen Bauten geschmückt. 1556 war das Rathhaus, schon ein Jahr
früher die Alte Waage, 1576 das Fürstenhaus entstanden -- nicht zu ver¬
gessen den bereits 1530 gebauten klassischen "Auerbachs Hof". Der letzte be.
deutende Bau aus jener Zeit, kurz vor dem 30jährigen Krieg (1616) vollendet,
war "Stieglitzens Hof". Dann kam eine lange Zeit der schweren Noth, wo
Muth und Kraft zu solchen Unternehmungen versagten. Aber schon 1680
baut sich die Leipziger Kaufmannschaft ihre "Börse" (auf dem Naschmarkt)
für jene Zeit gewiß ein luxuriöser und jedenfalls -- wenn auch bei nur be¬
scheidenen Dimensionen -- ein geschmackvoller Bau in dem damals auch im Norden
heimisch gewordenen italienischen Styl. Die beschädigten Kirchen werden
restaurirt, ja die seit der Reformation zu weltlichen Zwecken verwendete Neu¬
kirche wird "auf das Anerbieten der Kaufmannschaft" und mit Hülfe ihrer
Beiträge 1699 dem Gottesdienste zurückgegeben. Im Jahre 1700 erhebt sich
dann das "zur Zucht und Pflege" bestimmte "Georgenhaus", von damaligen
Chronisten als ein "gar stattliches" Gebäude gepriesen und als ein solches
in der That selbst noch in die neueste Zeit hereinragend, ein Denkmal früherer
Wohlhabenheit und zugleich Mildthätigkeit, dessen Verschwinden wir beklagen
müßten, wenn nicht seine Stelle abermals durch einen stattlichen Bau, freilich
in anderem, modernem Style ausgefüllt, sein wohlmeinender Zweck auf eine
jetzt zeitgemäßere Weise erreicht würde. Auch zwei andere Wohlthätigkeits¬
anstalten. das Jacobs- und Johannishospital, wurden (1680 und 1744)
theils erweitert, theils ausgebaut, beide heutzutage in vergrößerter und ver¬
schönerter Gestalt abermals umgeschaffen. Auch das Petersthor, das letzte
der Leipziger Thore, welches dem modernen Freiheits- und Ausbreitungsdrange
Ma Opfer fiel, entstand 1719 und wurde 1723 zu der stattlicheren Gestalt
ausgebaut, in der viele der Jetztlebenden es noch gesehen haben.

Während so die wiedererwachte Unternehmungslust und der mit dem
verjüngten Wohlstande würdig schaltende Gemeinstnn für allgemeine Zwecke
des Verkehrs, der Kirchlichkeit, der Wohlthätigkeit -- nicht minder der Wissen¬
schaft und der Kunst (durch den in dem alten Gewandhaus 1747 erbauten
großen Bibliotheksaal und später. 1781, den schönen Concertsaal mit Oeser's treff¬
lichen Deckengemälden) zu sorgen bemüht war, trieb es auch die reicheren
Privaten, in geschmackvollen und zum Theil großartigen Bauten den Sinn
eines edleren Luxus zu entfalten. Im Laufe von 50 -- 60 Jahren entstand
eine Anzahl bürgerlicher Wohnhäuser und größerer, zugleich für Zwecke des


furchtbaren Krieges und der Wiederherstellung des verkehrbelebenden Friedens
waren verflossen, so sehen wir in Leipzig die Baulust in großem Style sich
regen, immer ein Anzeichen, daß eine Stadt über die erste Nothdurft hinaus
zu dem Gefühle des Behagens und eines gewissen Ueberflusses gelangt ist.

Schon im 16. Jahrhundert hatte Leipzig sich mit mehreren großen und
stattlichen Bauten geschmückt. 1556 war das Rathhaus, schon ein Jahr
früher die Alte Waage, 1576 das Fürstenhaus entstanden — nicht zu ver¬
gessen den bereits 1530 gebauten klassischen „Auerbachs Hof". Der letzte be.
deutende Bau aus jener Zeit, kurz vor dem 30jährigen Krieg (1616) vollendet,
war „Stieglitzens Hof". Dann kam eine lange Zeit der schweren Noth, wo
Muth und Kraft zu solchen Unternehmungen versagten. Aber schon 1680
baut sich die Leipziger Kaufmannschaft ihre „Börse" (auf dem Naschmarkt)
für jene Zeit gewiß ein luxuriöser und jedenfalls — wenn auch bei nur be¬
scheidenen Dimensionen — ein geschmackvoller Bau in dem damals auch im Norden
heimisch gewordenen italienischen Styl. Die beschädigten Kirchen werden
restaurirt, ja die seit der Reformation zu weltlichen Zwecken verwendete Neu¬
kirche wird „auf das Anerbieten der Kaufmannschaft" und mit Hülfe ihrer
Beiträge 1699 dem Gottesdienste zurückgegeben. Im Jahre 1700 erhebt sich
dann das „zur Zucht und Pflege" bestimmte „Georgenhaus", von damaligen
Chronisten als ein „gar stattliches" Gebäude gepriesen und als ein solches
in der That selbst noch in die neueste Zeit hereinragend, ein Denkmal früherer
Wohlhabenheit und zugleich Mildthätigkeit, dessen Verschwinden wir beklagen
müßten, wenn nicht seine Stelle abermals durch einen stattlichen Bau, freilich
in anderem, modernem Style ausgefüllt, sein wohlmeinender Zweck auf eine
jetzt zeitgemäßere Weise erreicht würde. Auch zwei andere Wohlthätigkeits¬
anstalten. das Jacobs- und Johannishospital, wurden (1680 und 1744)
theils erweitert, theils ausgebaut, beide heutzutage in vergrößerter und ver¬
schönerter Gestalt abermals umgeschaffen. Auch das Petersthor, das letzte
der Leipziger Thore, welches dem modernen Freiheits- und Ausbreitungsdrange
Ma Opfer fiel, entstand 1719 und wurde 1723 zu der stattlicheren Gestalt
ausgebaut, in der viele der Jetztlebenden es noch gesehen haben.

Während so die wiedererwachte Unternehmungslust und der mit dem
verjüngten Wohlstande würdig schaltende Gemeinstnn für allgemeine Zwecke
des Verkehrs, der Kirchlichkeit, der Wohlthätigkeit — nicht minder der Wissen¬
schaft und der Kunst (durch den in dem alten Gewandhaus 1747 erbauten
großen Bibliotheksaal und später. 1781, den schönen Concertsaal mit Oeser's treff¬
lichen Deckengemälden) zu sorgen bemüht war, trieb es auch die reicheren
Privaten, in geschmackvollen und zum Theil großartigen Bauten den Sinn
eines edleren Luxus zu entfalten. Im Laufe von 50 — 60 Jahren entstand
eine Anzahl bürgerlicher Wohnhäuser und größerer, zugleich für Zwecke des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/39>, abgerufen am 22.07.2024.