Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.zwingen, außer Berechnung lag, so mußte man sich damit begnügen, die Um Uhr Abends endlich erreichten Payer und Ellinger nach zehn¬ Statt der üppigen Sohle deutscher Alpenthäler mit ihren Gehöften und zwingen, außer Berechnung lag, so mußte man sich damit begnügen, die Um Uhr Abends endlich erreichten Payer und Ellinger nach zehn¬ Statt der üppigen Sohle deutscher Alpenthäler mit ihren Gehöften und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132076"/> <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> zwingen, außer Berechnung lag, so mußte man sich damit begnügen, die<lb/> Größe und Richtung des Fjords nach Westen zu und den Charakter des Lan¬<lb/> des durch Besteigung eines hohen Berges festzustellen. Payer rüstete^sich sofort<lb/> zu dieser Bergfahrt in Gesellschaft von Dr. Copeland und Ellinger, nachdem<lb/> zuvor behufs Auswahl des höchsten und passendsten Berges, ein circa 2000<lb/> Meter hoher Felskegel in elf Stunden Wegs (hin und zurück) erstiegen wor¬<lb/> den war. Am 12. August 10 Uhr Morgens setzten sich die drei Bergsteiger<lb/> zur Ersteigung jenes gewaltigen Berges und Gletschers in Bewegung, der<lb/> zum Aussichtspunkt ausersehen war und heute die Payer-Spitze heißt. Ihre<lb/> Ausrüstung bestand in Steigeisen, Bergstöcken und einem 18 Klafter langen<lb/> Seile. Es war eine Bergreihe von seltener Schwierigkeit und Dauer. Die<lb/> Anwendung des Seiles, mit dem man sich über manches Hinderniß hätte hin¬<lb/> weghelfen können, war unzuverlässig; denn wer hinabstürzte, konnte nicht wie<lb/> etwa bei einer europäischen Alpenpartie von aus dem Thal geholten Leuten<lb/> heraufgezogen werden. Oft standen alle vereint auf einem schmalen Eisband,<lb/> umgeben von einer trügerischen Schneedecke, unter welcher ein schwarzer Ab¬<lb/> grund tückisch lauerte. Die Bergstöcke mußten zu einer Art gebrechlicher<lb/> Brücke zusammengelegt und auf dem Bauch darüber gekrochen werden. Bis<lb/> zum halben Leib versanken sie in Schneewehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1378"> Um Uhr Abends endlich erreichten Payer und Ellinger nach zehn¬<lb/> stündigem Marsch die klippenreiche Spitze, Copeland folgte einige Zeit später.<lb/> Die Spitze lag gegen zwei deutsche Meilen westlich vom Schiffe und war nahe¬<lb/> zu 2100 Meter hoch. Einige hundert Klafter entfernt ragte ein 2500 Meter<lb/> hohes imposantes Eishorn, außerhalb des Gletschers in die Höhe. Aber<lb/> rings in der umfassenden Fernsicht, die sich nach jeder Himmelsrichtung hin<lb/> erschloß, herrschte die Erstarrung des Todes, fast kein Zeichen Naturleben<lb/> unterbrach die rauhe Größe des Berglandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1379" next="#ID_1380"> Statt der üppigen Sohle deutscher Alpenthäler mit ihren Gehöften und<lb/> Ortschaften lag hier der dunkle Wasserspiegel des Fjords 2100 Meter tief zu<lb/> ihren Füßen. Unzählige Eisberge, in der Ferne glänzenden Perlen ver¬<lb/> gleichbar, schwammen auf dessen Fläche umher, eine furchtbare Wand fiel an¬<lb/> scheinend senkrecht in denselben hinab. Von allen Bergstufen, aus jedem<lb/> Thal senkten sich gigantische Gletscher in die Tiefe der gewaltigen Felsgasse<lb/> und von den hohen Eisbarrieren ihrer unteren Enden lösten sich jene präch¬<lb/> tigen Eisberge ab, welche Ebbe, Flut und Strömung durch das sundreiche<lb/> Hochland dem Ocean zuführen. Mehr als irgend ein anderer Gegenstand<lb/> fesselte eine ungeheure Eispyramide im Westen ihre Aufmerksamkeit. Um<lb/> ungefähr 1500 Meter überragte dieselbe einen hohen Gevirgskamm, welcher<lb/> sich im dritten Theile der Breite Grönlands in meridionaler Richtung erstreckt.<lb/> Diese herrliche Spitze wurde mit dem Namen des gefeierten Urhebers der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0382]
zwingen, außer Berechnung lag, so mußte man sich damit begnügen, die
Größe und Richtung des Fjords nach Westen zu und den Charakter des Lan¬
des durch Besteigung eines hohen Berges festzustellen. Payer rüstete^sich sofort
zu dieser Bergfahrt in Gesellschaft von Dr. Copeland und Ellinger, nachdem
zuvor behufs Auswahl des höchsten und passendsten Berges, ein circa 2000
Meter hoher Felskegel in elf Stunden Wegs (hin und zurück) erstiegen wor¬
den war. Am 12. August 10 Uhr Morgens setzten sich die drei Bergsteiger
zur Ersteigung jenes gewaltigen Berges und Gletschers in Bewegung, der
zum Aussichtspunkt ausersehen war und heute die Payer-Spitze heißt. Ihre
Ausrüstung bestand in Steigeisen, Bergstöcken und einem 18 Klafter langen
Seile. Es war eine Bergreihe von seltener Schwierigkeit und Dauer. Die
Anwendung des Seiles, mit dem man sich über manches Hinderniß hätte hin¬
weghelfen können, war unzuverlässig; denn wer hinabstürzte, konnte nicht wie
etwa bei einer europäischen Alpenpartie von aus dem Thal geholten Leuten
heraufgezogen werden. Oft standen alle vereint auf einem schmalen Eisband,
umgeben von einer trügerischen Schneedecke, unter welcher ein schwarzer Ab¬
grund tückisch lauerte. Die Bergstöcke mußten zu einer Art gebrechlicher
Brücke zusammengelegt und auf dem Bauch darüber gekrochen werden. Bis
zum halben Leib versanken sie in Schneewehen.
Um Uhr Abends endlich erreichten Payer und Ellinger nach zehn¬
stündigem Marsch die klippenreiche Spitze, Copeland folgte einige Zeit später.
Die Spitze lag gegen zwei deutsche Meilen westlich vom Schiffe und war nahe¬
zu 2100 Meter hoch. Einige hundert Klafter entfernt ragte ein 2500 Meter
hohes imposantes Eishorn, außerhalb des Gletschers in die Höhe. Aber
rings in der umfassenden Fernsicht, die sich nach jeder Himmelsrichtung hin
erschloß, herrschte die Erstarrung des Todes, fast kein Zeichen Naturleben
unterbrach die rauhe Größe des Berglandes.
Statt der üppigen Sohle deutscher Alpenthäler mit ihren Gehöften und
Ortschaften lag hier der dunkle Wasserspiegel des Fjords 2100 Meter tief zu
ihren Füßen. Unzählige Eisberge, in der Ferne glänzenden Perlen ver¬
gleichbar, schwammen auf dessen Fläche umher, eine furchtbare Wand fiel an¬
scheinend senkrecht in denselben hinab. Von allen Bergstufen, aus jedem
Thal senkten sich gigantische Gletscher in die Tiefe der gewaltigen Felsgasse
und von den hohen Eisbarrieren ihrer unteren Enden lösten sich jene präch¬
tigen Eisberge ab, welche Ebbe, Flut und Strömung durch das sundreiche
Hochland dem Ocean zuführen. Mehr als irgend ein anderer Gegenstand
fesselte eine ungeheure Eispyramide im Westen ihre Aufmerksamkeit. Um
ungefähr 1500 Meter überragte dieselbe einen hohen Gevirgskamm, welcher
sich im dritten Theile der Breite Grönlands in meridionaler Richtung erstreckt.
Diese herrliche Spitze wurde mit dem Namen des gefeierten Urhebers der
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