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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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aussprach, daß die Aufführung ohne sein Vorwissen vorbereitet worden sei;
zwar wolle man nachträglich erlauben, "daß die Lateinische OomosÄi möge
gespiehlet werden. Wegen der Deutschen aber wirdt dem lieotori zu Se. Thomas
hiermit indibiret, solche gänzlich einzustellen, damit wiedrigenfalls anderer
Anordnung es nicht bedurften möge".

Der Rector richtete sofort nach Empfang dieser Zuschrift ein Entschuldigungs¬
schreiben an das Consistorium, worin er um Zurücknahme der frieden- und
freudestörenden Verordnung bat, erhielt aber Tags darauf eine noch viel ver¬
schärfter? Weisung, in welcher geradezu "an stadt und von wegen des Durch¬
lauchtigster. Hochgeborner Fürsten undt Herrn Herrn Johannes Georgen des
andern" 2e. dem gesammten Lehrercollegium der Thomasschule der Befehl
ertheilt wurde: "bey straff 30 goldgülden reinisch, ihr wollet euch der
Teutzschen LvmveÄi enthalten undt dieselbe nicht Spiehler laßen, damit wiedrigen¬
falls schärfferer Anordnung es nicht bedürften möge. Wornach ihr euch
samptlich zu achten."

Dieser Ukas wurde dem Rector im Schulgebäude insinuirt "nachmittags
nach drey Vhren, alßgleich die ^inani Inomani in Verrichtung ihres Lxsi-eitii
conici begriffen", und es läßt sich denken, daß die versammelten Praeceptores
darob in nicht geringe Bestürzung werden gerathen sein. Eine Weile war
man unschlüssig, was man thun sollte; da aber einmal alle Vorbereitungen
getroffen waren und das anwesende Publicum, darunter "mkmbra, skra-tus
selbsten", ungeduldig zu werden anfing, so wurde frischweg auch die deutsche
Komödie heruntergespielt. Noch denselben Abend aber machten die Lehrer
der Thomasschule an den Rath eine Angabe, in der sie erklärten, sie wüßten
gar nicht, wie sie von Seiten des Consistortums "zu dergleichen straffbaren
anordtnung" kämen, da sa nicht sie, sondern der Rath "aufs der ^wmuvrum
bittliches ansuchen die sPielung der Lomveäien verstattet und angeordtnet"
habe und das Collegium sich dieser Anordnung doch nicht habe widersetzen
können, und baten, der hohe Patron wolle sich ihrer dem Consistorium gegen¬
über annehmen, damit sie von der unverdienter Weise angedrohten Strafe
verschont blieben. Tags darauf wandten sie sich auch noch mit einem Schreiben
an das Consistorium selbst, worin sie sich ebenfalls darauf beriefen, daß der
Rath die Anordnung zu dem Schauspiele getroffen habe; "es wirdt vns auch,
heißt es dann weiter, verhoffentlich kein Mensch rathen oder zumuthen können,
daß wir arme Diener vns gegen vnsere xs-troile und Nutritios auflehnen vnd
dasJenige waß sie verordtnet, und vor sich zu verantwortten haben, zer¬
nichten sollen". Uebrigens hätten sie für ihre Person gar kein Interesse
daran, "ob diese comoetien gehalten werden oder nicht". Sie bäten, daß
man sie mit der angedrohten Strafe verschonen wolle, erklärten jedoch, daß
sie -- "auf alle wiedrige fälle, und damit Wir bey vnser ohne diß geringen


aussprach, daß die Aufführung ohne sein Vorwissen vorbereitet worden sei;
zwar wolle man nachträglich erlauben, „daß die Lateinische OomosÄi möge
gespiehlet werden. Wegen der Deutschen aber wirdt dem lieotori zu Se. Thomas
hiermit indibiret, solche gänzlich einzustellen, damit wiedrigenfalls anderer
Anordnung es nicht bedurften möge".

Der Rector richtete sofort nach Empfang dieser Zuschrift ein Entschuldigungs¬
schreiben an das Consistorium, worin er um Zurücknahme der frieden- und
freudestörenden Verordnung bat, erhielt aber Tags darauf eine noch viel ver¬
schärfter? Weisung, in welcher geradezu „an stadt und von wegen des Durch¬
lauchtigster. Hochgeborner Fürsten undt Herrn Herrn Johannes Georgen des
andern" 2e. dem gesammten Lehrercollegium der Thomasschule der Befehl
ertheilt wurde: „bey straff 30 goldgülden reinisch, ihr wollet euch der
Teutzschen LvmveÄi enthalten undt dieselbe nicht Spiehler laßen, damit wiedrigen¬
falls schärfferer Anordnung es nicht bedürften möge. Wornach ihr euch
samptlich zu achten."

Dieser Ukas wurde dem Rector im Schulgebäude insinuirt „nachmittags
nach drey Vhren, alßgleich die ^inani Inomani in Verrichtung ihres Lxsi-eitii
conici begriffen", und es läßt sich denken, daß die versammelten Praeceptores
darob in nicht geringe Bestürzung werden gerathen sein. Eine Weile war
man unschlüssig, was man thun sollte; da aber einmal alle Vorbereitungen
getroffen waren und das anwesende Publicum, darunter „mkmbra, skra-tus
selbsten", ungeduldig zu werden anfing, so wurde frischweg auch die deutsche
Komödie heruntergespielt. Noch denselben Abend aber machten die Lehrer
der Thomasschule an den Rath eine Angabe, in der sie erklärten, sie wüßten
gar nicht, wie sie von Seiten des Consistortums „zu dergleichen straffbaren
anordtnung" kämen, da sa nicht sie, sondern der Rath „aufs der ^wmuvrum
bittliches ansuchen die sPielung der Lomveäien verstattet und angeordtnet"
habe und das Collegium sich dieser Anordnung doch nicht habe widersetzen
können, und baten, der hohe Patron wolle sich ihrer dem Consistorium gegen¬
über annehmen, damit sie von der unverdienter Weise angedrohten Strafe
verschont blieben. Tags darauf wandten sie sich auch noch mit einem Schreiben
an das Consistorium selbst, worin sie sich ebenfalls darauf beriefen, daß der
Rath die Anordnung zu dem Schauspiele getroffen habe; „es wirdt vns auch,
heißt es dann weiter, verhoffentlich kein Mensch rathen oder zumuthen können,
daß wir arme Diener vns gegen vnsere xs-troile und Nutritios auflehnen vnd
dasJenige waß sie verordtnet, und vor sich zu verantwortten haben, zer¬
nichten sollen". Uebrigens hätten sie für ihre Person gar kein Interesse
daran, „ob diese comoetien gehalten werden oder nicht". Sie bäten, daß
man sie mit der angedrohten Strafe verschonen wolle, erklärten jedoch, daß
sie — „auf alle wiedrige fälle, und damit Wir bey vnser ohne diß geringen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/371>, abgerufen am 22.07.2024.