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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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heißhungerigen Blick wirst. Ich selber sah alle diese Dinge und bekam
die schmerzliche Vorahnung auf einer Reise, die ich 1837 (!) nach Wien.
Prag, München und Berlin unternahm. Dieses Volk lauert auf einen Tag
der Unruhe und des Zwiespaltes bei uns; es wartet darauf, daß wir voll¬
ständig verweichlicht sein werden oder unser Blut in brudermörderischer Kämpfen
vergießen. Dann richtet es sich in die Höhe und stürzt wie ein ausgehunger¬
ter Tiger auf die Beute, welche sich ihm von selber darbietet."

So spricht ein französischer Erzbischof und Cardinal. Wir wollen dem
Manne nichts erwidern und ihm nur Wiedergenesung seines angegriffenen
Gehirns wünschen.

Erlauben Sie zum Schlüsse, daß ich ihren Lesern eine Probe transatlan¬
tischen Witzes mittheile, der auf Rechnung der Ultramontanen in der Muster¬
republik der Yankees zu schreiben ist. In Boston erscheint "The Pilot";
dieses Blatt hat sich in eine Controverse gemischt, welche der Erzbischof
Manning mit einem Herrn Fitzjames Stephens führt. Er nimmt dabei Ge¬
legenheit allerlei Schnörkel anzubringen, darunter auch folgenden:

"Es giebt selbst in Deutschland manche Leute, die nicht gerade evangelischen
Respect vor dem Manne haben, welcher das Reich aufgebaut hat. Jüngst
herrschte in einer deutschen Stadt eine stockdunkle Nacht. Da hat sich denn
Künstler das Vergnügen gemacht, an eine Mauer eine gigantische Kathe¬
drale zu zeichnen. Rings um dieselbe war ein Seil gelegt und Fürst
Bismarck bemühete sich mit allen Kräften, die Kirche niederzureißen. Der
Teufel stand hinter ihm und lächelte. Um die Sache, um welche es sich
handelte, zu erläutern, hatte der Maler folgendes Zwiegespräch daneben ge¬
schrieben: --

Seine satanische Majestät: "Mein Herr, was machen Sie da?"

Fürst Bismarck: "Ich bin eben dabei die Kirche umzureißen."

S. Majestät: "Wirklich? El sieh! Sie wollen also die Kirche de-
^oliren. Wie viel Zeit werden Sie etwa dazu nöthig haben?""

Der Fürst: "Na, in drei oder vier Jahren wird sich's wohl machen.

S. Majestät: "Das werden Sie wohl bleiben lassen. Ich meinerseits
^beide nun seit achtzehnhundert Jahren daran, die Kirche umzureißen und
habe es noch nicht fertig gebracht. Wenn Sie es aber in drei bis vier Jahren
^gemacht haben, dann danke ich zu Ihren Gunsten ab und über-
Seb e Ihnen mein Reich."

Das ist so weit ganz hübsch. Wir vermuthen aber, daß in der stock-
dunkeln Nacht der Teufel dem Künstler bei der Arbeit geholfen habe, sonst
^re er wohl schwerlich damit zurecht gekommen.

Daß Fürst Bismarck eine "diabolische, satanische Natur" sei, wird ja


heißhungerigen Blick wirst. Ich selber sah alle diese Dinge und bekam
die schmerzliche Vorahnung auf einer Reise, die ich 1837 (!) nach Wien.
Prag, München und Berlin unternahm. Dieses Volk lauert auf einen Tag
der Unruhe und des Zwiespaltes bei uns; es wartet darauf, daß wir voll¬
ständig verweichlicht sein werden oder unser Blut in brudermörderischer Kämpfen
vergießen. Dann richtet es sich in die Höhe und stürzt wie ein ausgehunger¬
ter Tiger auf die Beute, welche sich ihm von selber darbietet."

So spricht ein französischer Erzbischof und Cardinal. Wir wollen dem
Manne nichts erwidern und ihm nur Wiedergenesung seines angegriffenen
Gehirns wünschen.

Erlauben Sie zum Schlüsse, daß ich ihren Lesern eine Probe transatlan¬
tischen Witzes mittheile, der auf Rechnung der Ultramontanen in der Muster¬
republik der Yankees zu schreiben ist. In Boston erscheint „The Pilot";
dieses Blatt hat sich in eine Controverse gemischt, welche der Erzbischof
Manning mit einem Herrn Fitzjames Stephens führt. Er nimmt dabei Ge¬
legenheit allerlei Schnörkel anzubringen, darunter auch folgenden:

„Es giebt selbst in Deutschland manche Leute, die nicht gerade evangelischen
Respect vor dem Manne haben, welcher das Reich aufgebaut hat. Jüngst
herrschte in einer deutschen Stadt eine stockdunkle Nacht. Da hat sich denn
Künstler das Vergnügen gemacht, an eine Mauer eine gigantische Kathe¬
drale zu zeichnen. Rings um dieselbe war ein Seil gelegt und Fürst
Bismarck bemühete sich mit allen Kräften, die Kirche niederzureißen. Der
Teufel stand hinter ihm und lächelte. Um die Sache, um welche es sich
handelte, zu erläutern, hatte der Maler folgendes Zwiegespräch daneben ge¬
schrieben: —

Seine satanische Majestät: „Mein Herr, was machen Sie da?"

Fürst Bismarck: „Ich bin eben dabei die Kirche umzureißen."

S. Majestät: „Wirklich? El sieh! Sie wollen also die Kirche de-
^oliren. Wie viel Zeit werden Sie etwa dazu nöthig haben?""

Der Fürst: „Na, in drei oder vier Jahren wird sich's wohl machen.

S. Majestät: „Das werden Sie wohl bleiben lassen. Ich meinerseits
^beide nun seit achtzehnhundert Jahren daran, die Kirche umzureißen und
habe es noch nicht fertig gebracht. Wenn Sie es aber in drei bis vier Jahren
^gemacht haben, dann danke ich zu Ihren Gunsten ab und über-
Seb e Ihnen mein Reich."

Das ist so weit ganz hübsch. Wir vermuthen aber, daß in der stock-
dunkeln Nacht der Teufel dem Künstler bei der Arbeit geholfen habe, sonst
^re er wohl schwerlich damit zurecht gekommen.

Daß Fürst Bismarck eine „diabolische, satanische Natur" sei, wird ja


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[0365] heißhungerigen Blick wirst. Ich selber sah alle diese Dinge und bekam die schmerzliche Vorahnung auf einer Reise, die ich 1837 (!) nach Wien. Prag, München und Berlin unternahm. Dieses Volk lauert auf einen Tag der Unruhe und des Zwiespaltes bei uns; es wartet darauf, daß wir voll¬ ständig verweichlicht sein werden oder unser Blut in brudermörderischer Kämpfen vergießen. Dann richtet es sich in die Höhe und stürzt wie ein ausgehunger¬ ter Tiger auf die Beute, welche sich ihm von selber darbietet." So spricht ein französischer Erzbischof und Cardinal. Wir wollen dem Manne nichts erwidern und ihm nur Wiedergenesung seines angegriffenen Gehirns wünschen. Erlauben Sie zum Schlüsse, daß ich ihren Lesern eine Probe transatlan¬ tischen Witzes mittheile, der auf Rechnung der Ultramontanen in der Muster¬ republik der Yankees zu schreiben ist. In Boston erscheint „The Pilot"; dieses Blatt hat sich in eine Controverse gemischt, welche der Erzbischof Manning mit einem Herrn Fitzjames Stephens führt. Er nimmt dabei Ge¬ legenheit allerlei Schnörkel anzubringen, darunter auch folgenden: „Es giebt selbst in Deutschland manche Leute, die nicht gerade evangelischen Respect vor dem Manne haben, welcher das Reich aufgebaut hat. Jüngst herrschte in einer deutschen Stadt eine stockdunkle Nacht. Da hat sich denn Künstler das Vergnügen gemacht, an eine Mauer eine gigantische Kathe¬ drale zu zeichnen. Rings um dieselbe war ein Seil gelegt und Fürst Bismarck bemühete sich mit allen Kräften, die Kirche niederzureißen. Der Teufel stand hinter ihm und lächelte. Um die Sache, um welche es sich handelte, zu erläutern, hatte der Maler folgendes Zwiegespräch daneben ge¬ schrieben: — Seine satanische Majestät: „Mein Herr, was machen Sie da?" Fürst Bismarck: „Ich bin eben dabei die Kirche umzureißen." S. Majestät: „Wirklich? El sieh! Sie wollen also die Kirche de- ^oliren. Wie viel Zeit werden Sie etwa dazu nöthig haben?"" Der Fürst: „Na, in drei oder vier Jahren wird sich's wohl machen. S. Majestät: „Das werden Sie wohl bleiben lassen. Ich meinerseits ^beide nun seit achtzehnhundert Jahren daran, die Kirche umzureißen und habe es noch nicht fertig gebracht. Wenn Sie es aber in drei bis vier Jahren ^gemacht haben, dann danke ich zu Ihren Gunsten ab und über- Seb e Ihnen mein Reich." Das ist so weit ganz hübsch. Wir vermuthen aber, daß in der stock- dunkeln Nacht der Teufel dem Künstler bei der Arbeit geholfen habe, sonst ^re er wohl schwerlich damit zurecht gekommen. Daß Fürst Bismarck eine „diabolische, satanische Natur" sei, wird ja

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/365>, abgerufen am 22.07.2024.