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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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recht wohl thun; man war bisher so gnädig, die Könige nur bis zum
Markgrafen zu degradiren.

Aber, um noch einmal auf die lehninsche Weissagung zurückzukommen,
hat sie denn nicht etwa das Richtige mit dem Ausgange der preußischen
Könige getroffen? Die Franzosen haben nicht "richtig" ausgelegt. Wir
wollen ihnen auf die Sprünge helfen. Ltsmmatis ultimus trifft zu.
Friedrich Wilhelm der Vierte war allerdings der letzte König von Preußen.
Sein Nachfolger ist das nicht mehr allein, er ist obendrein deutscher
Kaiser und sein Sohn wird das auch sein.

Es bleibt bedauerlich, daß so viele Franzosen zeitweilig der Prosa des
gesunden Menschenverstandes den Abschied gegeben haben und sich leidenschaft¬
lich bis zum Lächerlichen erhitzen. Wir Deutschen sollen alles Mißgeschick
über sie gebracht haben. Bei ihnen kommt es gar nicht zur Erwägung, daß
sie es waren, welche uns den Krieg aufzwangen, daß sie eingestandener¬
maßen darauf ausgingen, uns unser linkes Rheinland zu rauben. Nun sollen
wir für die Verwirrung, welche sie doch selber über sich gebracht haben, ver¬
antwortlich sein! Wo bleibt da die Logik? Ihre Zustände sind allerdings
kläglich genug, Land und Volk in feindliche Parteien zerklüftet, deren jede für
sich ohnmächtig ist. Wenn das vielgepriesene "Prestige" verloren ging, wer
trägt die Schuld? Es ist allerdings rettungslos dahin. Aber wird ihr Elend
geringer dadurch, daß sie ununterbrochen und planmäßig uns mit Belei¬
digungen überhäufen, den Haß gegen Deutschland aufstacheln und uns tag¬
täglich zurufen, daß sie den Tag der Rache inbrünstig herbeisehnen?

Und wozu soll es frommen, daß sie ihrer ohnmächtigen Wuth in Schimpf¬
reden der niedrigsten Art Luft machen? Selbst die hohe Geistlichkeit entblödet
sich nicht, gegen das "ketzerische" Deutschland zu Hetzen. Da liegt ein Schrei¬
ben vor mir, welches Cardinal Dommel, Erzbischof von Bordeaux ver¬
öffentlicht hat. Dasselbe ist an einen Herrn Combes, Verfasser einer Geschichte
der deutschen Invasionen in Frankreich, gerichtet. Der Cardinal denkt nicht
daran, sich zu fragen, wer denn diese Invasionen verschuldet habe: "Es ver¬
steht sich ja von selbst, daß sie den ^"ausgehungerten Tigern" zur
Last fallen.

Der Erzbischof sagt: "Frankreichs Himmel ist klar, unser Klima mild,
auf unseren Ebenen wogt ein Meer von goldenen Aehren und bunte Wein¬
reben krönen unsere Hügel. Bei uns herrscht überall Reichthum, Ueberfluß
und Vergnügen."

"Dort aber im Norden, unter dem eisigen, nebeligen Himmel
(Deutschland), auf einem armen, kalten Boden, kauert in seinen un-
wirthen Steppen ein Volk, das, einig im Gefühle seiner bar¬
barischen Habgier auf unser Glück einen blutgierigen und


recht wohl thun; man war bisher so gnädig, die Könige nur bis zum
Markgrafen zu degradiren.

Aber, um noch einmal auf die lehninsche Weissagung zurückzukommen,
hat sie denn nicht etwa das Richtige mit dem Ausgange der preußischen
Könige getroffen? Die Franzosen haben nicht „richtig" ausgelegt. Wir
wollen ihnen auf die Sprünge helfen. Ltsmmatis ultimus trifft zu.
Friedrich Wilhelm der Vierte war allerdings der letzte König von Preußen.
Sein Nachfolger ist das nicht mehr allein, er ist obendrein deutscher
Kaiser und sein Sohn wird das auch sein.

Es bleibt bedauerlich, daß so viele Franzosen zeitweilig der Prosa des
gesunden Menschenverstandes den Abschied gegeben haben und sich leidenschaft¬
lich bis zum Lächerlichen erhitzen. Wir Deutschen sollen alles Mißgeschick
über sie gebracht haben. Bei ihnen kommt es gar nicht zur Erwägung, daß
sie es waren, welche uns den Krieg aufzwangen, daß sie eingestandener¬
maßen darauf ausgingen, uns unser linkes Rheinland zu rauben. Nun sollen
wir für die Verwirrung, welche sie doch selber über sich gebracht haben, ver¬
antwortlich sein! Wo bleibt da die Logik? Ihre Zustände sind allerdings
kläglich genug, Land und Volk in feindliche Parteien zerklüftet, deren jede für
sich ohnmächtig ist. Wenn das vielgepriesene „Prestige" verloren ging, wer
trägt die Schuld? Es ist allerdings rettungslos dahin. Aber wird ihr Elend
geringer dadurch, daß sie ununterbrochen und planmäßig uns mit Belei¬
digungen überhäufen, den Haß gegen Deutschland aufstacheln und uns tag¬
täglich zurufen, daß sie den Tag der Rache inbrünstig herbeisehnen?

Und wozu soll es frommen, daß sie ihrer ohnmächtigen Wuth in Schimpf¬
reden der niedrigsten Art Luft machen? Selbst die hohe Geistlichkeit entblödet
sich nicht, gegen das „ketzerische" Deutschland zu Hetzen. Da liegt ein Schrei¬
ben vor mir, welches Cardinal Dommel, Erzbischof von Bordeaux ver¬
öffentlicht hat. Dasselbe ist an einen Herrn Combes, Verfasser einer Geschichte
der deutschen Invasionen in Frankreich, gerichtet. Der Cardinal denkt nicht
daran, sich zu fragen, wer denn diese Invasionen verschuldet habe: „Es ver¬
steht sich ja von selbst, daß sie den ^„ausgehungerten Tigern" zur
Last fallen.

Der Erzbischof sagt: „Frankreichs Himmel ist klar, unser Klima mild,
auf unseren Ebenen wogt ein Meer von goldenen Aehren und bunte Wein¬
reben krönen unsere Hügel. Bei uns herrscht überall Reichthum, Ueberfluß
und Vergnügen."

„Dort aber im Norden, unter dem eisigen, nebeligen Himmel
(Deutschland), auf einem armen, kalten Boden, kauert in seinen un-
wirthen Steppen ein Volk, das, einig im Gefühle seiner bar¬
barischen Habgier auf unser Glück einen blutgierigen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/364>, abgerufen am 22.07.2024.