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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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"Und der Pastor, der seine Heerde wieder findet, ist der katholische Hirt.
Hermann hat schon in Vers 49 vorausgesagt, daß das Gift der Ketzerei bis
in die dreizehnte Generation dauern werde: roe aä treäsnuin äuradit seeming,
Vönenum. Nun, diese Generation ist da, das Ende des preußischen Protestan¬
tismus ist nahe, nahe das Ende jener lutherischen Hypokrisie, welche bei jeder
abgeschlachteten Menschenhekatombe so that als beuge sie sich vor dem Aller¬
höchsten. Der König von Deutschland, Aermaniak rex, aber ist kein anderer
als der Sproße aus dem Hause Habsburg und dieser wird bald ins Nichts
zurückschleudern jenen eidbrüchigen Vasallen, der zweihundert Jahr hindurch
nur den einen Zweck verfolgt hat, den Oberherrn Deutschlands zu stürzen,
so wie Luther den Hirten zu stürzen gedachte. Hermann sagt in seinen fünf
letzten Versen vorher, daß die Klöster Lehnin und Chorin neu aufgebaut und
ihren alten Glanz wieder gewinnen werden. Wie könnte es auch überraschen,
daß nach dem Siege der katholischen Völker diese den Propheten von Lehnin
dadurch sich dankbar erzeigen, daß sie die Abtei des Bruders Hermann wieder
herstellen? Hat er ja doch ihren Triumph vor sechs Jahrhunderten im Vor¬
aus geweissagt!"

"So lautet die berühmte Weissagung des Wahrschauers. Wenn eine
Prophetie nicht bloß eine vereinzelte Thatsache verkündet, sondern eine ganze
Reihenfolge von Ereignissen, wie Hermany es thut, voraussagt; wenn die
ganze Geschichte der Fürsten aus dem Hause Brandenburg seit 1270 erzählt
Wird; wenn alle vorausverkündeten Thatsachen sich mit der äußersten Ge¬
nauigkeit erfüllt haben und dafür historische Zeugnisse vorliegen; -- wenn nur
noch die Erfüllung einer einzigen und letzten Thatsache in Aussicht steht, näm¬
lich die Züchtigung der H o h en zollern und die Verni es t un g dieses
verfluchten Geschlechts (1'An^g.ntissement cle eotte rach lnauäits), --
wer wird dann an der unbedingten Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit des
Propheten zweifeln?"

Auf solche Weise redet man sich in wilde Tobsucht hinein und ist in
der That reif für den Sonnenstein bei Pirna und für die Zwangsjacke. Ins
Narrenhaus gehören auch die, welche Preußens Untergang zuversichtlich vor¬
aussagen, weil ein landstreichender Wahrsager, der 1783 zu Köln verstorbene
Spielhahn ihn voraus verkündet habe. Er sah den Untergang der Ketzer
und wie sie entsetzlich gezüchtigt wurden; diese hatten in ihrem Unverstande
sich eingebildet, Gottes Willen und Vorsätze durchdringen zu können. Aber
Gottes Geduld ist (1780) am Ende, er wird sie strafen für ihre Verkehrtheit
und Thorheit. Merke auf, Land. Berg, die Königsfamilie, welche von
vielen Markgrafen abstammt, wird tief sinken, noch unter den Markgrafen
hinunter. -- Dieses "noch unter" muß vielen französischen Herzen doch


„Und der Pastor, der seine Heerde wieder findet, ist der katholische Hirt.
Hermann hat schon in Vers 49 vorausgesagt, daß das Gift der Ketzerei bis
in die dreizehnte Generation dauern werde: roe aä treäsnuin äuradit seeming,
Vönenum. Nun, diese Generation ist da, das Ende des preußischen Protestan¬
tismus ist nahe, nahe das Ende jener lutherischen Hypokrisie, welche bei jeder
abgeschlachteten Menschenhekatombe so that als beuge sie sich vor dem Aller¬
höchsten. Der König von Deutschland, Aermaniak rex, aber ist kein anderer
als der Sproße aus dem Hause Habsburg und dieser wird bald ins Nichts
zurückschleudern jenen eidbrüchigen Vasallen, der zweihundert Jahr hindurch
nur den einen Zweck verfolgt hat, den Oberherrn Deutschlands zu stürzen,
so wie Luther den Hirten zu stürzen gedachte. Hermann sagt in seinen fünf
letzten Versen vorher, daß die Klöster Lehnin und Chorin neu aufgebaut und
ihren alten Glanz wieder gewinnen werden. Wie könnte es auch überraschen,
daß nach dem Siege der katholischen Völker diese den Propheten von Lehnin
dadurch sich dankbar erzeigen, daß sie die Abtei des Bruders Hermann wieder
herstellen? Hat er ja doch ihren Triumph vor sechs Jahrhunderten im Vor¬
aus geweissagt!"

„So lautet die berühmte Weissagung des Wahrschauers. Wenn eine
Prophetie nicht bloß eine vereinzelte Thatsache verkündet, sondern eine ganze
Reihenfolge von Ereignissen, wie Hermany es thut, voraussagt; wenn die
ganze Geschichte der Fürsten aus dem Hause Brandenburg seit 1270 erzählt
Wird; wenn alle vorausverkündeten Thatsachen sich mit der äußersten Ge¬
nauigkeit erfüllt haben und dafür historische Zeugnisse vorliegen; — wenn nur
noch die Erfüllung einer einzigen und letzten Thatsache in Aussicht steht, näm¬
lich die Züchtigung der H o h en zollern und die Verni es t un g dieses
verfluchten Geschlechts (1'An^g.ntissement cle eotte rach lnauäits), —
wer wird dann an der unbedingten Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit des
Propheten zweifeln?"

Auf solche Weise redet man sich in wilde Tobsucht hinein und ist in
der That reif für den Sonnenstein bei Pirna und für die Zwangsjacke. Ins
Narrenhaus gehören auch die, welche Preußens Untergang zuversichtlich vor¬
aussagen, weil ein landstreichender Wahrsager, der 1783 zu Köln verstorbene
Spielhahn ihn voraus verkündet habe. Er sah den Untergang der Ketzer
und wie sie entsetzlich gezüchtigt wurden; diese hatten in ihrem Unverstande
sich eingebildet, Gottes Willen und Vorsätze durchdringen zu können. Aber
Gottes Geduld ist (1780) am Ende, er wird sie strafen für ihre Verkehrtheit
und Thorheit. Merke auf, Land. Berg, die Königsfamilie, welche von
vielen Markgrafen abstammt, wird tief sinken, noch unter den Markgrafen
hinunter. — Dieses „noch unter" muß vielen französischen Herzen doch


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[0363] „Und der Pastor, der seine Heerde wieder findet, ist der katholische Hirt. Hermann hat schon in Vers 49 vorausgesagt, daß das Gift der Ketzerei bis in die dreizehnte Generation dauern werde: roe aä treäsnuin äuradit seeming, Vönenum. Nun, diese Generation ist da, das Ende des preußischen Protestan¬ tismus ist nahe, nahe das Ende jener lutherischen Hypokrisie, welche bei jeder abgeschlachteten Menschenhekatombe so that als beuge sie sich vor dem Aller¬ höchsten. Der König von Deutschland, Aermaniak rex, aber ist kein anderer als der Sproße aus dem Hause Habsburg und dieser wird bald ins Nichts zurückschleudern jenen eidbrüchigen Vasallen, der zweihundert Jahr hindurch nur den einen Zweck verfolgt hat, den Oberherrn Deutschlands zu stürzen, so wie Luther den Hirten zu stürzen gedachte. Hermann sagt in seinen fünf letzten Versen vorher, daß die Klöster Lehnin und Chorin neu aufgebaut und ihren alten Glanz wieder gewinnen werden. Wie könnte es auch überraschen, daß nach dem Siege der katholischen Völker diese den Propheten von Lehnin dadurch sich dankbar erzeigen, daß sie die Abtei des Bruders Hermann wieder herstellen? Hat er ja doch ihren Triumph vor sechs Jahrhunderten im Vor¬ aus geweissagt!" „So lautet die berühmte Weissagung des Wahrschauers. Wenn eine Prophetie nicht bloß eine vereinzelte Thatsache verkündet, sondern eine ganze Reihenfolge von Ereignissen, wie Hermany es thut, voraussagt; wenn die ganze Geschichte der Fürsten aus dem Hause Brandenburg seit 1270 erzählt Wird; wenn alle vorausverkündeten Thatsachen sich mit der äußersten Ge¬ nauigkeit erfüllt haben und dafür historische Zeugnisse vorliegen; — wenn nur noch die Erfüllung einer einzigen und letzten Thatsache in Aussicht steht, näm¬ lich die Züchtigung der H o h en zollern und die Verni es t un g dieses verfluchten Geschlechts (1'An^g.ntissement cle eotte rach lnauäits), — wer wird dann an der unbedingten Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit des Propheten zweifeln?" Auf solche Weise redet man sich in wilde Tobsucht hinein und ist in der That reif für den Sonnenstein bei Pirna und für die Zwangsjacke. Ins Narrenhaus gehören auch die, welche Preußens Untergang zuversichtlich vor¬ aussagen, weil ein landstreichender Wahrsager, der 1783 zu Köln verstorbene Spielhahn ihn voraus verkündet habe. Er sah den Untergang der Ketzer und wie sie entsetzlich gezüchtigt wurden; diese hatten in ihrem Unverstande sich eingebildet, Gottes Willen und Vorsätze durchdringen zu können. Aber Gottes Geduld ist (1780) am Ende, er wird sie strafen für ihre Verkehrtheit und Thorheit. Merke auf, Land. Berg, die Königsfamilie, welche von vielen Markgrafen abstammt, wird tief sinken, noch unter den Markgrafen hinunter. — Dieses „noch unter" muß vielen französischen Herzen doch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/363>, abgerufen am 22.07.2024.