Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.es den Namen Leipzigs an der Stirn trägt, doch eine Boreingenommenheit für Mancherlei Vorzüge, theilweise selbst erworben, theilweise durch die Gunst So ward Leipzig früh eine kosmopolitische Stadt, vielleicht die am meisten In die Vergangenheit einer solchen Stadt zurückzugehen, zu sehen, was Beginnen wir mit der äußeren Physiognomie der Stadt! Wir brauchen es den Namen Leipzigs an der Stirn trägt, doch eine Boreingenommenheit für Mancherlei Vorzüge, theilweise selbst erworben, theilweise durch die Gunst So ward Leipzig früh eine kosmopolitische Stadt, vielleicht die am meisten In die Vergangenheit einer solchen Stadt zurückzugehen, zu sehen, was Beginnen wir mit der äußeren Physiognomie der Stadt! Wir brauchen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131746"/> <p xml:id="ID_121" prev="#ID_120"> es den Namen Leipzigs an der Stirn trägt, doch eine Boreingenommenheit für<lb/> diese oder gegen die Schwesterstadt an der Elbe Niemand schuldgeben wird,<lb/> ward mit anerkennenswerther Unbefangenheit als die Signatur Leipzigs das<lb/> kräftig schöpferische Jünglings- und Mannesthum, als die Dresdens mehr<lb/> die harmlos genießende Kindheit und das beschauliche Alter bezeichnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_122"> Mancherlei Vorzüge, theilweise selbst erworben, theilweise durch die Gunst<lb/> der Verhältnisse und die umsichtige Fürsorge der Regierung ihm zugewendet,<lb/> treffen in Leipzig zusammen: die vortheilhafte Lage als ein Kreuzungspunkt<lb/> zwischen dem Norden und dem Süden, dem Osten und dem Westen Deutsch¬<lb/> lands, ein altbegründetes Handelswesen und ein ebenso altbegründeter Ruf<lb/> als Ausgangs- und Mittelpunkt vielseitiger, fruchtbarer wissenschaftlicher,<lb/> literarischer und künstlerischer Bestrebungen durch seine Hochschule, seinen weit¬<lb/> hin beherrschenden Buchhandel, seine berühmten Institute für Musik.</p><lb/> <p xml:id="ID_123"> So ward Leipzig früh eine kosmopolitische Stadt, vielleicht die am meisten<lb/> kosmopolitische in Deutschland, während es zugleich in neuerer Zeit eine der<lb/> am zweifellosesten nationale im ganzen Reiche ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_124"> In die Vergangenheit einer solchen Stadt zurückzugehen, zu sehen, was<lb/> früher anders war und wie aus dem Damals das Jetzt sich entwickelt hat,<lb/> muß sicherlich ein hohes kulturgeschichtliches Interesse bieten. Versuchen wir<lb/> es denn, soweit der Umfang quellenmäßiger Nachrichten es ermöglicht und<lb/> der freilich beschränkte Raum eines Artikels in diesen Blättern es gestattet!</p><lb/> <p xml:id="ID_125" next="#ID_126"> Beginnen wir mit der äußeren Physiognomie der Stadt! Wir brauchen<lb/> nicht allzuweit zurückzugehen, um uns anschaulichst zu überzeugen, welche<lb/> bedeutende Fortschritte im Laufe der letzten Jahrzehnte in Bezug auf Bauten<lb/> und Anlagen Leipzig gemacht hat. Wählen wir einen einzelnen Punkt, aller¬<lb/> dings den Glanzpunkt der Stadt, den Augustusplatz, der mit seinen vielen<lb/> stattlichen, zum Theil prächtigen Gebäuden und seinen großen, regelmäßigen<lb/> Raumverhältnissen fast jedem öffentlichen Platze in jeder deutschen Stadt sich<lb/> an die Seite setzen darf, die meisten davon, selbst in vielen der größten<lb/> Städte, hinter sich läßt. Wie sah er vor etwa anderthalb Menschenaltern,<lb/> etwa im Jahre 1830 aus? Da, wo jetzt die Grimmaische Straße frei und offen<lb/> auf den Platz mündet, streckte sich damals, die Aussicht verschließend und den<lb/> Verkehr beengend, das alte düstre Thor weit hinaus, rechts und links von<lb/> tiefen Stadtgraben flankirt, die sich rechts an und um die Erste Bürgerschule<lb/> bis zum Petersthor, und weiter (wie noch heut) an die Pleißenburg, links<lb/> zum Georgenhause hinzogen. Wo heut das glänzende Cafe' Felsche (beiläufig<lb/> gesagt, glänzender in seinem Innern als irgend eines in Dresden und selbst<lb/> in Berlin) in seine Räume oder unter seine Veranda einladet, stand damals<lb/> der finstere Tetzelthurm, ein interessantes Denkmal allerdings einer hochwich¬<lb/> tigen Zeit; neben ihm die noch nicht renovirte. kahl und hinfällig aus?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
es den Namen Leipzigs an der Stirn trägt, doch eine Boreingenommenheit für
diese oder gegen die Schwesterstadt an der Elbe Niemand schuldgeben wird,
ward mit anerkennenswerther Unbefangenheit als die Signatur Leipzigs das
kräftig schöpferische Jünglings- und Mannesthum, als die Dresdens mehr
die harmlos genießende Kindheit und das beschauliche Alter bezeichnet.
Mancherlei Vorzüge, theilweise selbst erworben, theilweise durch die Gunst
der Verhältnisse und die umsichtige Fürsorge der Regierung ihm zugewendet,
treffen in Leipzig zusammen: die vortheilhafte Lage als ein Kreuzungspunkt
zwischen dem Norden und dem Süden, dem Osten und dem Westen Deutsch¬
lands, ein altbegründetes Handelswesen und ein ebenso altbegründeter Ruf
als Ausgangs- und Mittelpunkt vielseitiger, fruchtbarer wissenschaftlicher,
literarischer und künstlerischer Bestrebungen durch seine Hochschule, seinen weit¬
hin beherrschenden Buchhandel, seine berühmten Institute für Musik.
So ward Leipzig früh eine kosmopolitische Stadt, vielleicht die am meisten
kosmopolitische in Deutschland, während es zugleich in neuerer Zeit eine der
am zweifellosesten nationale im ganzen Reiche ist.
In die Vergangenheit einer solchen Stadt zurückzugehen, zu sehen, was
früher anders war und wie aus dem Damals das Jetzt sich entwickelt hat,
muß sicherlich ein hohes kulturgeschichtliches Interesse bieten. Versuchen wir
es denn, soweit der Umfang quellenmäßiger Nachrichten es ermöglicht und
der freilich beschränkte Raum eines Artikels in diesen Blättern es gestattet!
Beginnen wir mit der äußeren Physiognomie der Stadt! Wir brauchen
nicht allzuweit zurückzugehen, um uns anschaulichst zu überzeugen, welche
bedeutende Fortschritte im Laufe der letzten Jahrzehnte in Bezug auf Bauten
und Anlagen Leipzig gemacht hat. Wählen wir einen einzelnen Punkt, aller¬
dings den Glanzpunkt der Stadt, den Augustusplatz, der mit seinen vielen
stattlichen, zum Theil prächtigen Gebäuden und seinen großen, regelmäßigen
Raumverhältnissen fast jedem öffentlichen Platze in jeder deutschen Stadt sich
an die Seite setzen darf, die meisten davon, selbst in vielen der größten
Städte, hinter sich läßt. Wie sah er vor etwa anderthalb Menschenaltern,
etwa im Jahre 1830 aus? Da, wo jetzt die Grimmaische Straße frei und offen
auf den Platz mündet, streckte sich damals, die Aussicht verschließend und den
Verkehr beengend, das alte düstre Thor weit hinaus, rechts und links von
tiefen Stadtgraben flankirt, die sich rechts an und um die Erste Bürgerschule
bis zum Petersthor, und weiter (wie noch heut) an die Pleißenburg, links
zum Georgenhause hinzogen. Wo heut das glänzende Cafe' Felsche (beiläufig
gesagt, glänzender in seinem Innern als irgend eines in Dresden und selbst
in Berlin) in seine Räume oder unter seine Veranda einladet, stand damals
der finstere Tetzelthurm, ein interessantes Denkmal allerdings einer hochwich¬
tigen Zeit; neben ihm die noch nicht renovirte. kahl und hinfällig aus?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |