Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, sind wir recht berichtet, so ist Mancher, der der Regierung nahe steht,
geneigt, nicht nur jede Erhöhung der Universitätsrate abzulehnen, sondern
sogar die jetzige Rate zurückzuziehen. Wozu braucht Meiningen eine Univer¬
sität? Andere Kleinstaaten haben auch keine. Wenn man das Geld, das
jetzt für die Universität gezahlt wird, nähme und daraus Stipendien für die
Landeskinder zum Besuche anderer Universitäten machte, wäre es eigentlich
viel nützlicher. Unter allen Umständen sei die Universität ein Luxus, den
sich das Herzogthum versagen könne.

Kommen solche Aeußerungen wirklich vor. dann läßt sich freilich leicht
entgegnen, daß, wenn einmal von Luxus die Rede sein soll, noch mehreres
Andere mit mehrerer" Rechte als überflüssiger Luxus bezeichnet werden
könnte. Indessen erscheint es nicht der Mühe werth, dergleichen Ansichten weiter
zu verfolgen. Niemand wird für die klägliche Stimmung Einzelner, die in
ihrem Lokalpatriotismus darauf aus sind, gerade dem Ansehen und der Selbst-
ständigkeit Meiningens die tiefste Wunde zu schlagen, das Herzogthum und
seine Regierung verantwortlich machen.

Nehmen wir vielmehr an, daß nach wie vor volle Anhänglichkeit an
die alte Universität der Ernestiner besteht, und daß es nur die Erkenntniß
einer traurigen Nothwendigkeit ist, welche die Regierung zu bekennen zwingt:
mehr geben für Jena als bisher ist unmöglich. Schon jetzt ist im Etat kaum
noch Ausgabe und Einnahme zu balanciren. Ueber die französische Kriegs¬
entschädigung hat längst anderweit verfügt werden müssen. Und wenn etwa
Aussicht auf Steigerung der Staatseinnahmen vorhanden ist, dann muß zu¬
vörderst an eine Erhöhung der, allerdings der Erhöhung dringend bedürf¬
tigen, Gehalte der Staatsdiener gedacht werden; dann kommen die Matriku-
larbeiträge, mit den Militärausgaben und anderen Posten des Reichsbudgets
womöglich noch steigend, und noch allerlei Anderes. An die Universität ist
noch lange nicht zu denken.

Wir haben kein Material in Händen, um durch Thatsachen und
Ziffern nachzuweisen, daß die Gründe, aus denen trotz des außerordentlich
lebhaften Wunsches, das Gedeihen Jenas zu fördern, eine Mehrverwilligung,
sei es in Gestalt eines größeren Stiftungskapitals, sei es in Gestalt einer
Rente abgelehnt wird, unstichhaltig seien. Wir müssen sie hinnehmen, als
das ehrliche und unumwundene Bekenntniß von possumus. Meiningen kann
nicht mehr thun für die Universität, es wird vielleicht sogar zu erwägen
haben, ob es auch nur den bisherigen Beitrag zu leisten vermag. Hier er¬
öffnet sich ein tiefer Blick in die betrüvendsten Zustände. Meiningen kann
für den Fortbestand der Universität nicht mehr eintreten. Die Finanznoth
fordert, die höchste Bildungsanstalt, so sehr diese dem Herzogthum als Mit¬
theilhaber zum Ruhme gereicht hat, fallen zu lassen. Man muß froh sein,


Ja, sind wir recht berichtet, so ist Mancher, der der Regierung nahe steht,
geneigt, nicht nur jede Erhöhung der Universitätsrate abzulehnen, sondern
sogar die jetzige Rate zurückzuziehen. Wozu braucht Meiningen eine Univer¬
sität? Andere Kleinstaaten haben auch keine. Wenn man das Geld, das
jetzt für die Universität gezahlt wird, nähme und daraus Stipendien für die
Landeskinder zum Besuche anderer Universitäten machte, wäre es eigentlich
viel nützlicher. Unter allen Umständen sei die Universität ein Luxus, den
sich das Herzogthum versagen könne.

Kommen solche Aeußerungen wirklich vor. dann läßt sich freilich leicht
entgegnen, daß, wenn einmal von Luxus die Rede sein soll, noch mehreres
Andere mit mehrerer» Rechte als überflüssiger Luxus bezeichnet werden
könnte. Indessen erscheint es nicht der Mühe werth, dergleichen Ansichten weiter
zu verfolgen. Niemand wird für die klägliche Stimmung Einzelner, die in
ihrem Lokalpatriotismus darauf aus sind, gerade dem Ansehen und der Selbst-
ständigkeit Meiningens die tiefste Wunde zu schlagen, das Herzogthum und
seine Regierung verantwortlich machen.

Nehmen wir vielmehr an, daß nach wie vor volle Anhänglichkeit an
die alte Universität der Ernestiner besteht, und daß es nur die Erkenntniß
einer traurigen Nothwendigkeit ist, welche die Regierung zu bekennen zwingt:
mehr geben für Jena als bisher ist unmöglich. Schon jetzt ist im Etat kaum
noch Ausgabe und Einnahme zu balanciren. Ueber die französische Kriegs¬
entschädigung hat längst anderweit verfügt werden müssen. Und wenn etwa
Aussicht auf Steigerung der Staatseinnahmen vorhanden ist, dann muß zu¬
vörderst an eine Erhöhung der, allerdings der Erhöhung dringend bedürf¬
tigen, Gehalte der Staatsdiener gedacht werden; dann kommen die Matriku-
larbeiträge, mit den Militärausgaben und anderen Posten des Reichsbudgets
womöglich noch steigend, und noch allerlei Anderes. An die Universität ist
noch lange nicht zu denken.

Wir haben kein Material in Händen, um durch Thatsachen und
Ziffern nachzuweisen, daß die Gründe, aus denen trotz des außerordentlich
lebhaften Wunsches, das Gedeihen Jenas zu fördern, eine Mehrverwilligung,
sei es in Gestalt eines größeren Stiftungskapitals, sei es in Gestalt einer
Rente abgelehnt wird, unstichhaltig seien. Wir müssen sie hinnehmen, als
das ehrliche und unumwundene Bekenntniß von possumus. Meiningen kann
nicht mehr thun für die Universität, es wird vielleicht sogar zu erwägen
haben, ob es auch nur den bisherigen Beitrag zu leisten vermag. Hier er¬
öffnet sich ein tiefer Blick in die betrüvendsten Zustände. Meiningen kann
für den Fortbestand der Universität nicht mehr eintreten. Die Finanznoth
fordert, die höchste Bildungsanstalt, so sehr diese dem Herzogthum als Mit¬
theilhaber zum Ruhme gereicht hat, fallen zu lassen. Man muß froh sein,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132026"/>
          <p xml:id="ID_1199" prev="#ID_1198"> Ja, sind wir recht berichtet, so ist Mancher, der der Regierung nahe steht,<lb/>
geneigt, nicht nur jede Erhöhung der Universitätsrate abzulehnen, sondern<lb/>
sogar die jetzige Rate zurückzuziehen. Wozu braucht Meiningen eine Univer¬<lb/>
sität? Andere Kleinstaaten haben auch keine. Wenn man das Geld, das<lb/>
jetzt für die Universität gezahlt wird, nähme und daraus Stipendien für die<lb/>
Landeskinder zum Besuche anderer Universitäten machte, wäre es eigentlich<lb/>
viel nützlicher. Unter allen Umständen sei die Universität ein Luxus, den<lb/>
sich das Herzogthum versagen könne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200"> Kommen solche Aeußerungen wirklich vor. dann läßt sich freilich leicht<lb/>
entgegnen, daß, wenn einmal von Luxus die Rede sein soll, noch mehreres<lb/>
Andere mit mehrerer» Rechte als überflüssiger Luxus bezeichnet werden<lb/>
könnte. Indessen erscheint es nicht der Mühe werth, dergleichen Ansichten weiter<lb/>
zu verfolgen. Niemand wird für die klägliche Stimmung Einzelner, die in<lb/>
ihrem Lokalpatriotismus darauf aus sind, gerade dem Ansehen und der Selbst-<lb/>
ständigkeit Meiningens die tiefste Wunde zu schlagen, das Herzogthum und<lb/>
seine Regierung verantwortlich machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1201"> Nehmen wir vielmehr an, daß nach wie vor volle Anhänglichkeit an<lb/>
die alte Universität der Ernestiner besteht, und daß es nur die Erkenntniß<lb/>
einer traurigen Nothwendigkeit ist, welche die Regierung zu bekennen zwingt:<lb/>
mehr geben für Jena als bisher ist unmöglich. Schon jetzt ist im Etat kaum<lb/>
noch Ausgabe und Einnahme zu balanciren. Ueber die französische Kriegs¬<lb/>
entschädigung hat längst anderweit verfügt werden müssen. Und wenn etwa<lb/>
Aussicht auf Steigerung der Staatseinnahmen vorhanden ist, dann muß zu¬<lb/>
vörderst an eine Erhöhung der, allerdings der Erhöhung dringend bedürf¬<lb/>
tigen, Gehalte der Staatsdiener gedacht werden; dann kommen die Matriku-<lb/>
larbeiträge, mit den Militärausgaben und anderen Posten des Reichsbudgets<lb/>
womöglich noch steigend, und noch allerlei Anderes. An die Universität ist<lb/>
noch lange nicht zu denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1202" next="#ID_1203"> Wir haben kein Material in Händen, um durch Thatsachen und<lb/>
Ziffern nachzuweisen, daß die Gründe, aus denen trotz des außerordentlich<lb/>
lebhaften Wunsches, das Gedeihen Jenas zu fördern, eine Mehrverwilligung,<lb/>
sei es in Gestalt eines größeren Stiftungskapitals, sei es in Gestalt einer<lb/>
Rente abgelehnt wird, unstichhaltig seien. Wir müssen sie hinnehmen, als<lb/>
das ehrliche und unumwundene Bekenntniß von possumus. Meiningen kann<lb/>
nicht mehr thun für die Universität, es wird vielleicht sogar zu erwägen<lb/>
haben, ob es auch nur den bisherigen Beitrag zu leisten vermag. Hier er¬<lb/>
öffnet sich ein tiefer Blick in die betrüvendsten Zustände. Meiningen kann<lb/>
für den Fortbestand der Universität nicht mehr eintreten. Die Finanznoth<lb/>
fordert, die höchste Bildungsanstalt, so sehr diese dem Herzogthum als Mit¬<lb/>
theilhaber zum Ruhme gereicht hat, fallen zu lassen.  Man muß froh sein,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] Ja, sind wir recht berichtet, so ist Mancher, der der Regierung nahe steht, geneigt, nicht nur jede Erhöhung der Universitätsrate abzulehnen, sondern sogar die jetzige Rate zurückzuziehen. Wozu braucht Meiningen eine Univer¬ sität? Andere Kleinstaaten haben auch keine. Wenn man das Geld, das jetzt für die Universität gezahlt wird, nähme und daraus Stipendien für die Landeskinder zum Besuche anderer Universitäten machte, wäre es eigentlich viel nützlicher. Unter allen Umständen sei die Universität ein Luxus, den sich das Herzogthum versagen könne. Kommen solche Aeußerungen wirklich vor. dann läßt sich freilich leicht entgegnen, daß, wenn einmal von Luxus die Rede sein soll, noch mehreres Andere mit mehrerer» Rechte als überflüssiger Luxus bezeichnet werden könnte. Indessen erscheint es nicht der Mühe werth, dergleichen Ansichten weiter zu verfolgen. Niemand wird für die klägliche Stimmung Einzelner, die in ihrem Lokalpatriotismus darauf aus sind, gerade dem Ansehen und der Selbst- ständigkeit Meiningens die tiefste Wunde zu schlagen, das Herzogthum und seine Regierung verantwortlich machen. Nehmen wir vielmehr an, daß nach wie vor volle Anhänglichkeit an die alte Universität der Ernestiner besteht, und daß es nur die Erkenntniß einer traurigen Nothwendigkeit ist, welche die Regierung zu bekennen zwingt: mehr geben für Jena als bisher ist unmöglich. Schon jetzt ist im Etat kaum noch Ausgabe und Einnahme zu balanciren. Ueber die französische Kriegs¬ entschädigung hat längst anderweit verfügt werden müssen. Und wenn etwa Aussicht auf Steigerung der Staatseinnahmen vorhanden ist, dann muß zu¬ vörderst an eine Erhöhung der, allerdings der Erhöhung dringend bedürf¬ tigen, Gehalte der Staatsdiener gedacht werden; dann kommen die Matriku- larbeiträge, mit den Militärausgaben und anderen Posten des Reichsbudgets womöglich noch steigend, und noch allerlei Anderes. An die Universität ist noch lange nicht zu denken. Wir haben kein Material in Händen, um durch Thatsachen und Ziffern nachzuweisen, daß die Gründe, aus denen trotz des außerordentlich lebhaften Wunsches, das Gedeihen Jenas zu fördern, eine Mehrverwilligung, sei es in Gestalt eines größeren Stiftungskapitals, sei es in Gestalt einer Rente abgelehnt wird, unstichhaltig seien. Wir müssen sie hinnehmen, als das ehrliche und unumwundene Bekenntniß von possumus. Meiningen kann nicht mehr thun für die Universität, es wird vielleicht sogar zu erwägen haben, ob es auch nur den bisherigen Beitrag zu leisten vermag. Hier er¬ öffnet sich ein tiefer Blick in die betrüvendsten Zustände. Meiningen kann für den Fortbestand der Universität nicht mehr eintreten. Die Finanznoth fordert, die höchste Bildungsanstalt, so sehr diese dem Herzogthum als Mit¬ theilhaber zum Ruhme gereicht hat, fallen zu lassen. Man muß froh sein,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/332>, abgerufen am 22.07.2024.