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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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1773 gab er es "verbessert zu Sanssouci nach dem Originale meiner Memoiren
von 1741 und 1742", gestählt durch die Schule harter Erfahrungen, gereift
durch noch größere Erfolge,, im Druck heraus: dem achtzehnten Jahrhundert
ein Geschichtswerk, dem die Zeitgenossen und das Säculum nichts auch nur
annäherndes an die Seite zu stellen hatten, uns Nachlebenden heute noch
eine einzige und unvergleichliche Quelle für die Zeit und das Streben des
großen Königs.

"Unsere meisten Geschichtswerke sind zusammengetragene Lügen, mit
einigen Wahrheiten untermischt", so durfte Friedrich am Anfang seines Vor¬
worts zur Geschichte seiner Zeit die historischen Machwerke seiner,Zeitgenossen
charakterisiren. Daß er in der strengsten Wahrheitsliebe, im Eingeständnisse
eigener Fehler, in der rückhaltlosen Anerkennung der Vorzüge des Gegners
das höchste Maß menschlicher Gerechtigkeit und Selbstverleugnung erfüllte,
dankt ihm heute noch die deutsche Wissenschaft ebenso, wie die preußische
Staatskunst, die sich dieselben Grundsätze zum Vorbild genommen hat. Nur
von diesem Standpunkte aus war es möglich, die eigenen und feindlichen
Kräfte mit jener meisterhaften Klarheit und Objectivität abzuwägen, die uns
der erste Abschnitt der "Geschichte meiner Zeit" aus der Feder des Königs
bietet. Die Zustände des preußischen Staates und der größeren Staaten
Europas und Deutschlands im Augenblicke des Thronwechsels und mit
Rücksicht auf den bevorstehenden unausbleiblichen Kampf des jungen Herrschers,
werden mit einer Frische und Lebendigkeit, einer Schärfe und Deutlichkeit ge¬
zeichnet, denen kaum etwas an die Seite zu setzen sein dürfte, außer den
Gesandtschaftsberichten Macchiavelli's und den reflectirenden oder schildernden,
Noten Bismarck's.

Der Herausgeber des interessanten Buches, Prof. Wegele, hat sich damit
begnügt, diese wichtigen Verhältnisse in einem kurzen Vorwort anzudeuten
und den Leser darauf hinzuweisen, welche Fülle von anregender Belehrung
aus einer Begleichung der beiden Texte Friedrich's, desjenigen von 1746 und
der Umarbeitung von 1775 für die Politik und die Entwickelung Friedrich's
zu gewinnen ist. Wegele überläßt das Verdienst dieser Begleichung aus¬
schließlich Ranke und Droysen, und tritt, seiner Natur gemäß, bescheiden zurück,
sobald er den König selbstredend einführt. --

In vier Bänden soll diese Sammlung vollendet sein. Wir werden im
zweiten Bande die Geschichte des siebenjährigen Krieges und die Denkwürdig¬
keiten vom Hubertusburger Frieden bis zum Frieden von Teschen zu erwarten
haben. Im dritten Bande die kleineren und zum Theil sehr jugendlichen
Abhandlungen Friedrich's: die Betrachtungen über den gegenwärtigen Stand
des Staaten-Systems in Europa, den Amel-Macchiavel, den Fürstenspiegel, die
Schrift über Erziehung, die Briefe über die deutsche Literatur u. s. w.


1773 gab er es „verbessert zu Sanssouci nach dem Originale meiner Memoiren
von 1741 und 1742", gestählt durch die Schule harter Erfahrungen, gereift
durch noch größere Erfolge,, im Druck heraus: dem achtzehnten Jahrhundert
ein Geschichtswerk, dem die Zeitgenossen und das Säculum nichts auch nur
annäherndes an die Seite zu stellen hatten, uns Nachlebenden heute noch
eine einzige und unvergleichliche Quelle für die Zeit und das Streben des
großen Königs.

„Unsere meisten Geschichtswerke sind zusammengetragene Lügen, mit
einigen Wahrheiten untermischt", so durfte Friedrich am Anfang seines Vor¬
worts zur Geschichte seiner Zeit die historischen Machwerke seiner,Zeitgenossen
charakterisiren. Daß er in der strengsten Wahrheitsliebe, im Eingeständnisse
eigener Fehler, in der rückhaltlosen Anerkennung der Vorzüge des Gegners
das höchste Maß menschlicher Gerechtigkeit und Selbstverleugnung erfüllte,
dankt ihm heute noch die deutsche Wissenschaft ebenso, wie die preußische
Staatskunst, die sich dieselben Grundsätze zum Vorbild genommen hat. Nur
von diesem Standpunkte aus war es möglich, die eigenen und feindlichen
Kräfte mit jener meisterhaften Klarheit und Objectivität abzuwägen, die uns
der erste Abschnitt der „Geschichte meiner Zeit" aus der Feder des Königs
bietet. Die Zustände des preußischen Staates und der größeren Staaten
Europas und Deutschlands im Augenblicke des Thronwechsels und mit
Rücksicht auf den bevorstehenden unausbleiblichen Kampf des jungen Herrschers,
werden mit einer Frische und Lebendigkeit, einer Schärfe und Deutlichkeit ge¬
zeichnet, denen kaum etwas an die Seite zu setzen sein dürfte, außer den
Gesandtschaftsberichten Macchiavelli's und den reflectirenden oder schildernden,
Noten Bismarck's.

Der Herausgeber des interessanten Buches, Prof. Wegele, hat sich damit
begnügt, diese wichtigen Verhältnisse in einem kurzen Vorwort anzudeuten
und den Leser darauf hinzuweisen, welche Fülle von anregender Belehrung
aus einer Begleichung der beiden Texte Friedrich's, desjenigen von 1746 und
der Umarbeitung von 1775 für die Politik und die Entwickelung Friedrich's
zu gewinnen ist. Wegele überläßt das Verdienst dieser Begleichung aus¬
schließlich Ranke und Droysen, und tritt, seiner Natur gemäß, bescheiden zurück,
sobald er den König selbstredend einführt. —

In vier Bänden soll diese Sammlung vollendet sein. Wir werden im
zweiten Bande die Geschichte des siebenjährigen Krieges und die Denkwürdig¬
keiten vom Hubertusburger Frieden bis zum Frieden von Teschen zu erwarten
haben. Im dritten Bande die kleineren und zum Theil sehr jugendlichen
Abhandlungen Friedrich's: die Betrachtungen über den gegenwärtigen Stand
des Staaten-Systems in Europa, den Amel-Macchiavel, den Fürstenspiegel, die
Schrift über Erziehung, die Briefe über die deutsche Literatur u. s. w.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/322>, abgerufen am 23.07.2024.