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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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nutte der heutigen historischen und staatspolitischen Wissenschaft aus die
Kritik zu üben an den Werken und Gedanken Friedrich's. Eine solche Aus¬
gabe dem gebildeten und bemittelten deutschen Publikum zu bieten, hat
Prof. Franz X. Wegele in Würzburg unternommen, unterstützt durch die
ausgezeichnete Verdeutschung, die Heinrich Merke us den ausgewählten
Werken Friedrich's des Großen gegeben hat. Die schöne Arbeit wird ein-
geführt durch eine längere Abhandlung Prof. Wegele's, in welcher die
nationale und schriftstellerische Bedeutung Friedrich's mit vollstem Verständniß
und freudig anregender Wärme geschildert ist. Den ersten Halbhart füllt
dann eine kritische, durch Anmerkungen und Erläuterungen sehr lesbar ge-
wandte Uebersetzung der bekannten Fridericianischen "Denkwürdigkeiten zur
Geschichte des Hauses Brandenburg". Der zweite Halbhart des ersten
Theils wird dagegen eingenommen von einer in gleicher Weise commentirten
Uebersetzung der berühmten "Geschichte meiner Zeit", d. h. der Geschichte der
beiden schlesischen Kriege, die Friedrich, unmittelbar nachdem er mit Abschluß
des Dresdner Friedens das Schwert aus der Hand gelegt, fast in einem
Zuge und so rasch niederschrieb, daß am 2. November 1746 bereits das
Ganze vollendet war. Die "Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses
Brandenburg" waren immerhin noch eine Jugendarbeit des Königs --
gleichsam der letzte Ausläufer jener für Friedrich's jugendlich-schriftstellerische
Produktivität und allseitige geistige Vertiefung unendlich bedeutsamen Zeit,
welche ihren Anfang nahm nach der Wiedcraussöhnung mit dem Vater,
'dren Gipfel erreichte während der lustigen Tage von Reinsberg und in
wuner ernsterem Streben, wenn auch in größeren Pausen, fortgeführt wurde
!w ersten harten Jahrzehnte der Negierung. Aber während Friedrich die
"Denkwürdigkeiten" schon 1750 im Druck erscheinen ließ -- man bedenke
wohl Abhandlungen, die zum großen Theil Zeiten galten, die um
Jahrhunderte zurücklagen hinter seinen eigenen Tagen, ist sein Verhalten
gegenüber "der Geschichte meiner Zeit" ein ganz anderes. Hier hatte der
König geschöpft aus dem reichsten vollsten Quellenmaterial, das je einem
Geschichtsschreiber zur Verfügung gestanden hat. Geschrieben hatte er unter
dem mächtigen unmittelbaren Eindruck der Ereignisse, die kaum erst der Zeit¬
geschichte angehörten; während er die Feder führte, schwebten noch die großen
Gestalten der Männer, die in seinem und der Feinde Lager die Geschicke des
wittleren Europa gelenkt hatten, der Lebenden und der Todten in kräftigen
Umrissen vor seinen Augen. Auch die Fülle von Ideen und Plänen, die
wi Widerstreite der Kräfte beseitigt oder vertagt worden waren, klangen ihm
wie fernes Ecko ans Ohr. während er die Geschichte seiner Zeit schrieb. Und
dennoch ließ er das bedeutsame Werk, das auf diese mächtigen einzigen Grund-
^gen sich stützte, nahezu drei Jahrzehnte in seinem Schrein ruhen. Und erst


GrenzbM" III. 157-1. 40

nutte der heutigen historischen und staatspolitischen Wissenschaft aus die
Kritik zu üben an den Werken und Gedanken Friedrich's. Eine solche Aus¬
gabe dem gebildeten und bemittelten deutschen Publikum zu bieten, hat
Prof. Franz X. Wegele in Würzburg unternommen, unterstützt durch die
ausgezeichnete Verdeutschung, die Heinrich Merke us den ausgewählten
Werken Friedrich's des Großen gegeben hat. Die schöne Arbeit wird ein-
geführt durch eine längere Abhandlung Prof. Wegele's, in welcher die
nationale und schriftstellerische Bedeutung Friedrich's mit vollstem Verständniß
und freudig anregender Wärme geschildert ist. Den ersten Halbhart füllt
dann eine kritische, durch Anmerkungen und Erläuterungen sehr lesbar ge-
wandte Uebersetzung der bekannten Fridericianischen „Denkwürdigkeiten zur
Geschichte des Hauses Brandenburg". Der zweite Halbhart des ersten
Theils wird dagegen eingenommen von einer in gleicher Weise commentirten
Uebersetzung der berühmten „Geschichte meiner Zeit", d. h. der Geschichte der
beiden schlesischen Kriege, die Friedrich, unmittelbar nachdem er mit Abschluß
des Dresdner Friedens das Schwert aus der Hand gelegt, fast in einem
Zuge und so rasch niederschrieb, daß am 2. November 1746 bereits das
Ganze vollendet war. Die „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses
Brandenburg" waren immerhin noch eine Jugendarbeit des Königs —
gleichsam der letzte Ausläufer jener für Friedrich's jugendlich-schriftstellerische
Produktivität und allseitige geistige Vertiefung unendlich bedeutsamen Zeit,
welche ihren Anfang nahm nach der Wiedcraussöhnung mit dem Vater,
'dren Gipfel erreichte während der lustigen Tage von Reinsberg und in
wuner ernsterem Streben, wenn auch in größeren Pausen, fortgeführt wurde
!w ersten harten Jahrzehnte der Negierung. Aber während Friedrich die
»Denkwürdigkeiten" schon 1750 im Druck erscheinen ließ — man bedenke
wohl Abhandlungen, die zum großen Theil Zeiten galten, die um
Jahrhunderte zurücklagen hinter seinen eigenen Tagen, ist sein Verhalten
gegenüber „der Geschichte meiner Zeit" ein ganz anderes. Hier hatte der
König geschöpft aus dem reichsten vollsten Quellenmaterial, das je einem
Geschichtsschreiber zur Verfügung gestanden hat. Geschrieben hatte er unter
dem mächtigen unmittelbaren Eindruck der Ereignisse, die kaum erst der Zeit¬
geschichte angehörten; während er die Feder führte, schwebten noch die großen
Gestalten der Männer, die in seinem und der Feinde Lager die Geschicke des
wittleren Europa gelenkt hatten, der Lebenden und der Todten in kräftigen
Umrissen vor seinen Augen. Auch die Fülle von Ideen und Plänen, die
wi Widerstreite der Kräfte beseitigt oder vertagt worden waren, klangen ihm
wie fernes Ecko ans Ohr. während er die Geschichte seiner Zeit schrieb. Und
dennoch ließ er das bedeutsame Werk, das auf diese mächtigen einzigen Grund-
^gen sich stützte, nahezu drei Jahrzehnte in seinem Schrein ruhen. Und erst


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[0321] nutte der heutigen historischen und staatspolitischen Wissenschaft aus die Kritik zu üben an den Werken und Gedanken Friedrich's. Eine solche Aus¬ gabe dem gebildeten und bemittelten deutschen Publikum zu bieten, hat Prof. Franz X. Wegele in Würzburg unternommen, unterstützt durch die ausgezeichnete Verdeutschung, die Heinrich Merke us den ausgewählten Werken Friedrich's des Großen gegeben hat. Die schöne Arbeit wird ein- geführt durch eine längere Abhandlung Prof. Wegele's, in welcher die nationale und schriftstellerische Bedeutung Friedrich's mit vollstem Verständniß und freudig anregender Wärme geschildert ist. Den ersten Halbhart füllt dann eine kritische, durch Anmerkungen und Erläuterungen sehr lesbar ge- wandte Uebersetzung der bekannten Fridericianischen „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg". Der zweite Halbhart des ersten Theils wird dagegen eingenommen von einer in gleicher Weise commentirten Uebersetzung der berühmten „Geschichte meiner Zeit", d. h. der Geschichte der beiden schlesischen Kriege, die Friedrich, unmittelbar nachdem er mit Abschluß des Dresdner Friedens das Schwert aus der Hand gelegt, fast in einem Zuge und so rasch niederschrieb, daß am 2. November 1746 bereits das Ganze vollendet war. Die „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg" waren immerhin noch eine Jugendarbeit des Königs — gleichsam der letzte Ausläufer jener für Friedrich's jugendlich-schriftstellerische Produktivität und allseitige geistige Vertiefung unendlich bedeutsamen Zeit, welche ihren Anfang nahm nach der Wiedcraussöhnung mit dem Vater, 'dren Gipfel erreichte während der lustigen Tage von Reinsberg und in wuner ernsterem Streben, wenn auch in größeren Pausen, fortgeführt wurde !w ersten harten Jahrzehnte der Negierung. Aber während Friedrich die »Denkwürdigkeiten" schon 1750 im Druck erscheinen ließ — man bedenke wohl Abhandlungen, die zum großen Theil Zeiten galten, die um Jahrhunderte zurücklagen hinter seinen eigenen Tagen, ist sein Verhalten gegenüber „der Geschichte meiner Zeit" ein ganz anderes. Hier hatte der König geschöpft aus dem reichsten vollsten Quellenmaterial, das je einem Geschichtsschreiber zur Verfügung gestanden hat. Geschrieben hatte er unter dem mächtigen unmittelbaren Eindruck der Ereignisse, die kaum erst der Zeit¬ geschichte angehörten; während er die Feder führte, schwebten noch die großen Gestalten der Männer, die in seinem und der Feinde Lager die Geschicke des wittleren Europa gelenkt hatten, der Lebenden und der Todten in kräftigen Umrissen vor seinen Augen. Auch die Fülle von Ideen und Plänen, die wi Widerstreite der Kräfte beseitigt oder vertagt worden waren, klangen ihm wie fernes Ecko ans Ohr. während er die Geschichte seiner Zeit schrieb. Und dennoch ließ er das bedeutsame Werk, das auf diese mächtigen einzigen Grund- ^gen sich stützte, nahezu drei Jahrzehnte in seinem Schrein ruhen. Und erst GrenzbM» III. 157-1. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/321>, abgerufen am 22.07.2024.