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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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der Ereignisse des künftigen Jahres, daß auch die "Wacht am Rhein in die
arktische Nacht hineinschallte? Endlich machte man noch ein gemüthliches
Tänzchen an Land "in der wunderbar warmen und linden Luft". Bald
sprangen Alle im weichen Schnee umher, und im Geweih eines erfrorenen
Rennthiers sitzend, spielte der Bootsmann dazu mit kundiger Hand auf der
neuen Harmonien. Lange nach Mitternacht erst legten sie sich zur Ruhe. --
In gleich feierlich-fröhlicher Weise verlief der Sylvesterabend. Man saß beim
Wein zusammen, goß Blei, verloste Münchner Bilderbogen und tauschte
Manches ernste, manches hoffnungsreiche Wort beim Gläserklang. Die Astro¬
nomen hatten ausgerechnet, wann in den verschiedenen Heimathsorten die
Mitternachtsstunde schlage, und so gab es für einen Jeden noch ein beson¬
deres Anstoßen auf "Was wir lieben" in der Heimath. Auch auf die Ge¬
nossen von der Hansa wurde angestoßen, die man längst in der Weser einge¬
laufen wähnte. So ging ihnen das Jahr 1869 zu Ende.

Mit andauernden magnetischen und astronomischen Beobachtungen, sowie
Beobachtungen der Fluth und Ebbe wurden die sonnenlosen Monate der
Polarnacht wissenschaftlich ausgenutzt. Es kann hier nicht der Raum sein,
auf die sehr detaillirten und auch für jeden Laien anschaulichen Schilderungen
der Apparate und des Verfahrens bei diesen wissenschaftlichen Beobachtungen
näher einzugehen, welche das neunte Kapitel des vorliegenden Werkes ent¬
wirft. Alle an diesen u. a. wissenschaftlichen Arbeiten unbetheiligten Hände
der Mannschaft und Kajüte oblagen dagegen in denselben Monaten mit dem¬
selben Eifer den Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Schlittenreisen
im Frühjahr. Es wurde im Innern des Schiffes geschneidert und geschustert,
gezimmert und geschmiedet vom Morgen bis zum Abend. Zunächst kamen
die Kleider an die Reihe. Jeder hatte längst erfahren, daß für Kältegrade
wie man sie bisher kennen gelernt, nichts besser tauge, als die verschiedenen
Wollenzeuge, die vorhanden waren. Aber sie genügten nur bei stillem Wetter.
Gegen Sturm und Schneetreiben war man nur durch Pelzkleider gewappnet.
Unpractisch waren jedoch die langen Pelzröcke, die man mitbekommen hatte.
Schon Fürst Bismarck hatte, beim Auslaufen der Germania aus Bremerhaven.
auf Grund seiner Erfahrungen als Bärenjäger, die Länge dieser Pelzröcke
getadelt. Sie wurden jetzt erheblich kürzer und knapper gemacht und mit
Wolle gut gefüttert. Die Pelzkapuzen behielt man unverändert bei, ver¬
warf dagegen die Pelzstiefel, die zu schnell hart und unbequem werden und
ersetzte sie durch etwas unförmliche Institute, die außen aus Segeltuch, innen
aus Wollenzeug bestanden und die mit Ledersohlen versehen wurden. Weiter
wurden Pelzsacke und Pelzdecken für die Schlafstellen genäht und die Zelte
in passender Größe umgearbeitet. Während dieser Arbeiten war, -um Raum
Zu gewinnen, auch die Hintere Kajüte als Schneiderwerkstatt geheizt worden.


der Ereignisse des künftigen Jahres, daß auch die „Wacht am Rhein in die
arktische Nacht hineinschallte? Endlich machte man noch ein gemüthliches
Tänzchen an Land „in der wunderbar warmen und linden Luft". Bald
sprangen Alle im weichen Schnee umher, und im Geweih eines erfrorenen
Rennthiers sitzend, spielte der Bootsmann dazu mit kundiger Hand auf der
neuen Harmonien. Lange nach Mitternacht erst legten sie sich zur Ruhe. —
In gleich feierlich-fröhlicher Weise verlief der Sylvesterabend. Man saß beim
Wein zusammen, goß Blei, verloste Münchner Bilderbogen und tauschte
Manches ernste, manches hoffnungsreiche Wort beim Gläserklang. Die Astro¬
nomen hatten ausgerechnet, wann in den verschiedenen Heimathsorten die
Mitternachtsstunde schlage, und so gab es für einen Jeden noch ein beson¬
deres Anstoßen auf „Was wir lieben" in der Heimath. Auch auf die Ge¬
nossen von der Hansa wurde angestoßen, die man längst in der Weser einge¬
laufen wähnte. So ging ihnen das Jahr 1869 zu Ende.

Mit andauernden magnetischen und astronomischen Beobachtungen, sowie
Beobachtungen der Fluth und Ebbe wurden die sonnenlosen Monate der
Polarnacht wissenschaftlich ausgenutzt. Es kann hier nicht der Raum sein,
auf die sehr detaillirten und auch für jeden Laien anschaulichen Schilderungen
der Apparate und des Verfahrens bei diesen wissenschaftlichen Beobachtungen
näher einzugehen, welche das neunte Kapitel des vorliegenden Werkes ent¬
wirft. Alle an diesen u. a. wissenschaftlichen Arbeiten unbetheiligten Hände
der Mannschaft und Kajüte oblagen dagegen in denselben Monaten mit dem¬
selben Eifer den Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Schlittenreisen
im Frühjahr. Es wurde im Innern des Schiffes geschneidert und geschustert,
gezimmert und geschmiedet vom Morgen bis zum Abend. Zunächst kamen
die Kleider an die Reihe. Jeder hatte längst erfahren, daß für Kältegrade
wie man sie bisher kennen gelernt, nichts besser tauge, als die verschiedenen
Wollenzeuge, die vorhanden waren. Aber sie genügten nur bei stillem Wetter.
Gegen Sturm und Schneetreiben war man nur durch Pelzkleider gewappnet.
Unpractisch waren jedoch die langen Pelzröcke, die man mitbekommen hatte.
Schon Fürst Bismarck hatte, beim Auslaufen der Germania aus Bremerhaven.
auf Grund seiner Erfahrungen als Bärenjäger, die Länge dieser Pelzröcke
getadelt. Sie wurden jetzt erheblich kürzer und knapper gemacht und mit
Wolle gut gefüttert. Die Pelzkapuzen behielt man unverändert bei, ver¬
warf dagegen die Pelzstiefel, die zu schnell hart und unbequem werden und
ersetzte sie durch etwas unförmliche Institute, die außen aus Segeltuch, innen
aus Wollenzeug bestanden und die mit Ledersohlen versehen wurden. Weiter
wurden Pelzsacke und Pelzdecken für die Schlafstellen genäht und die Zelte
in passender Größe umgearbeitet. Während dieser Arbeiten war, -um Raum
Zu gewinnen, auch die Hintere Kajüte als Schneiderwerkstatt geheizt worden.


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[0317] der Ereignisse des künftigen Jahres, daß auch die „Wacht am Rhein in die arktische Nacht hineinschallte? Endlich machte man noch ein gemüthliches Tänzchen an Land „in der wunderbar warmen und linden Luft". Bald sprangen Alle im weichen Schnee umher, und im Geweih eines erfrorenen Rennthiers sitzend, spielte der Bootsmann dazu mit kundiger Hand auf der neuen Harmonien. Lange nach Mitternacht erst legten sie sich zur Ruhe. — In gleich feierlich-fröhlicher Weise verlief der Sylvesterabend. Man saß beim Wein zusammen, goß Blei, verloste Münchner Bilderbogen und tauschte Manches ernste, manches hoffnungsreiche Wort beim Gläserklang. Die Astro¬ nomen hatten ausgerechnet, wann in den verschiedenen Heimathsorten die Mitternachtsstunde schlage, und so gab es für einen Jeden noch ein beson¬ deres Anstoßen auf „Was wir lieben" in der Heimath. Auch auf die Ge¬ nossen von der Hansa wurde angestoßen, die man längst in der Weser einge¬ laufen wähnte. So ging ihnen das Jahr 1869 zu Ende. Mit andauernden magnetischen und astronomischen Beobachtungen, sowie Beobachtungen der Fluth und Ebbe wurden die sonnenlosen Monate der Polarnacht wissenschaftlich ausgenutzt. Es kann hier nicht der Raum sein, auf die sehr detaillirten und auch für jeden Laien anschaulichen Schilderungen der Apparate und des Verfahrens bei diesen wissenschaftlichen Beobachtungen näher einzugehen, welche das neunte Kapitel des vorliegenden Werkes ent¬ wirft. Alle an diesen u. a. wissenschaftlichen Arbeiten unbetheiligten Hände der Mannschaft und Kajüte oblagen dagegen in denselben Monaten mit dem¬ selben Eifer den Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Schlittenreisen im Frühjahr. Es wurde im Innern des Schiffes geschneidert und geschustert, gezimmert und geschmiedet vom Morgen bis zum Abend. Zunächst kamen die Kleider an die Reihe. Jeder hatte längst erfahren, daß für Kältegrade wie man sie bisher kennen gelernt, nichts besser tauge, als die verschiedenen Wollenzeuge, die vorhanden waren. Aber sie genügten nur bei stillem Wetter. Gegen Sturm und Schneetreiben war man nur durch Pelzkleider gewappnet. Unpractisch waren jedoch die langen Pelzröcke, die man mitbekommen hatte. Schon Fürst Bismarck hatte, beim Auslaufen der Germania aus Bremerhaven. auf Grund seiner Erfahrungen als Bärenjäger, die Länge dieser Pelzröcke getadelt. Sie wurden jetzt erheblich kürzer und knapper gemacht und mit Wolle gut gefüttert. Die Pelzkapuzen behielt man unverändert bei, ver¬ warf dagegen die Pelzstiefel, die zu schnell hart und unbequem werden und ersetzte sie durch etwas unförmliche Institute, die außen aus Segeltuch, innen aus Wollenzeug bestanden und die mit Ledersohlen versehen wurden. Weiter wurden Pelzsacke und Pelzdecken für die Schlafstellen genäht und die Zelte in passender Größe umgearbeitet. Während dieser Arbeiten war, -um Raum Zu gewinnen, auch die Hintere Kajüte als Schneiderwerkstatt geheizt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/317>, abgerufen am 22.07.2024.