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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Während dieser stillen Tage wurde in der Kajüte und im Logis, namentlich
von Dr. Panhas im Interesse der zoologischen Sammlung tüchtig gearbeitet,
die Navigationsschule munter fortgesetzt, sogar eine "Ostgrönländische Zeitung"
voll köstlichen Humors in mehreren Nummern herausgegeben, alle 14 Tage
und namentlich am 21. December 24 Stunden hindurch magnetischer Termin
an Land gehalten und von Allen die rechte Stimmung und Freude für die
herannahende Weinachtszeit gewonnen.

Das Fest sollte ganz in deutscher Weise begangen werden im ostgrön¬
ländischen Eise. Dazu durfte ein grüner Tannenbaum nicht fehlen. Aber
freilich in ganz Grönland wachsen keine Tannen. Dafür aber behalten die
kleinen Sträucher der Andromeda auch im Winter ihre Blätter, die, obgleich
dunkelgrün-bräunlich von Farbe, doch immer ein frisches Laub sind und sich
ohne Zweifel besser ausnehmen mußten, als Moos. Vom Zimmermann
wurde ein hohes hölzernes Gestell gemacht, das aus einem Fußbrett stehend,
den 3 Fuß hohen Stamm und die Hauptäste einer kleinen Tanne darstellte.
Diese wurde mit den Schößlingen der Andromeda bewickelt und ebenso be¬
wickelte kleine und kleinste Stäbe als Zweige und Nebenzweige naturgerecht
an die Aeste befestigt. Auf diese Weise erhielt man einen Tannenbaum, der
alle Erwartungen übertraf und von den Leuten mit Wachslichtern, vergol¬
deten Nüssen u. s. w. geziert wurde. So kam der heilige Abende heran. Um
4 Uhr mußte Jedermann die Kajüte verlassen. Die Wände wurden ringsum
mit Flaggen decorirt, neben dem Sofa die schönsten Fuchsfelle hingehängt,
und der Tisch durch Hülfe einiger Kisten bis zum Maste hinan verlängert. Um
6 Uhr gab die Schiffsglocke das Zeichen zur Bescheerung. Im Logis wurde ein
Weihnachtslied angestimmt. Dann traten Alle in die Kajüte um den Weih¬
nachtstisch. Da standen ernsthaft und doch so froh dreinschauend die kräftigen
Gestalten der großen Kinder, da erhob sich bis zur Decke hinauf der schönste
Weihnachtsbaum und glitzerte von Lichtern, von Gold und Silber. Und auf
frischen weißen Tischlaken lagen auf Tellern zierlich geordnet die Geschenke.
Lauter unbedeutende Dinge: kleine Bücher, Brieftaschen:c. aber jedem machten
sie die größte Freude. Auch ein Geschenk von Kieler Damen, eine große
Harmonie" "für die Mannschaft" wurde bescheert. Dann folgte ein warmes
Abendessen, wobei der Koch mit prachtvollem Gebäck überraschte. Die Glück¬
wünsche wurden in Schaumwein vom Neckar getrunken und beim Dessert
öffnete sich eine große Kiste, welche ein kostbares Geschenk aus Mainz, eine
Anzahl Flaschen des trefflichsten Rheinweins enthielt. Nun erglühten Herz
und Sinn den deutschen Seefahrern beim edelsten vaterländischen Tränke.
Eine Rede folgte der andern. Dann kam das deutsche Lied zu seinem Rechte!
hatte doch jeder von dem Verleger G. Westermann ein kleines Liederbuch zum
Geschenk erhalten. Heiliger Sangeseifer beseelte Alle. War es Vorahnung


Während dieser stillen Tage wurde in der Kajüte und im Logis, namentlich
von Dr. Panhas im Interesse der zoologischen Sammlung tüchtig gearbeitet,
die Navigationsschule munter fortgesetzt, sogar eine „Ostgrönländische Zeitung"
voll köstlichen Humors in mehreren Nummern herausgegeben, alle 14 Tage
und namentlich am 21. December 24 Stunden hindurch magnetischer Termin
an Land gehalten und von Allen die rechte Stimmung und Freude für die
herannahende Weinachtszeit gewonnen.

Das Fest sollte ganz in deutscher Weise begangen werden im ostgrön¬
ländischen Eise. Dazu durfte ein grüner Tannenbaum nicht fehlen. Aber
freilich in ganz Grönland wachsen keine Tannen. Dafür aber behalten die
kleinen Sträucher der Andromeda auch im Winter ihre Blätter, die, obgleich
dunkelgrün-bräunlich von Farbe, doch immer ein frisches Laub sind und sich
ohne Zweifel besser ausnehmen mußten, als Moos. Vom Zimmermann
wurde ein hohes hölzernes Gestell gemacht, das aus einem Fußbrett stehend,
den 3 Fuß hohen Stamm und die Hauptäste einer kleinen Tanne darstellte.
Diese wurde mit den Schößlingen der Andromeda bewickelt und ebenso be¬
wickelte kleine und kleinste Stäbe als Zweige und Nebenzweige naturgerecht
an die Aeste befestigt. Auf diese Weise erhielt man einen Tannenbaum, der
alle Erwartungen übertraf und von den Leuten mit Wachslichtern, vergol¬
deten Nüssen u. s. w. geziert wurde. So kam der heilige Abende heran. Um
4 Uhr mußte Jedermann die Kajüte verlassen. Die Wände wurden ringsum
mit Flaggen decorirt, neben dem Sofa die schönsten Fuchsfelle hingehängt,
und der Tisch durch Hülfe einiger Kisten bis zum Maste hinan verlängert. Um
6 Uhr gab die Schiffsglocke das Zeichen zur Bescheerung. Im Logis wurde ein
Weihnachtslied angestimmt. Dann traten Alle in die Kajüte um den Weih¬
nachtstisch. Da standen ernsthaft und doch so froh dreinschauend die kräftigen
Gestalten der großen Kinder, da erhob sich bis zur Decke hinauf der schönste
Weihnachtsbaum und glitzerte von Lichtern, von Gold und Silber. Und auf
frischen weißen Tischlaken lagen auf Tellern zierlich geordnet die Geschenke.
Lauter unbedeutende Dinge: kleine Bücher, Brieftaschen:c. aber jedem machten
sie die größte Freude. Auch ein Geschenk von Kieler Damen, eine große
Harmonie« „für die Mannschaft" wurde bescheert. Dann folgte ein warmes
Abendessen, wobei der Koch mit prachtvollem Gebäck überraschte. Die Glück¬
wünsche wurden in Schaumwein vom Neckar getrunken und beim Dessert
öffnete sich eine große Kiste, welche ein kostbares Geschenk aus Mainz, eine
Anzahl Flaschen des trefflichsten Rheinweins enthielt. Nun erglühten Herz
und Sinn den deutschen Seefahrern beim edelsten vaterländischen Tränke.
Eine Rede folgte der andern. Dann kam das deutsche Lied zu seinem Rechte!
hatte doch jeder von dem Verleger G. Westermann ein kleines Liederbuch zum
Geschenk erhalten. Heiliger Sangeseifer beseelte Alle. War es Vorahnung


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[0316] Während dieser stillen Tage wurde in der Kajüte und im Logis, namentlich von Dr. Panhas im Interesse der zoologischen Sammlung tüchtig gearbeitet, die Navigationsschule munter fortgesetzt, sogar eine „Ostgrönländische Zeitung" voll köstlichen Humors in mehreren Nummern herausgegeben, alle 14 Tage und namentlich am 21. December 24 Stunden hindurch magnetischer Termin an Land gehalten und von Allen die rechte Stimmung und Freude für die herannahende Weinachtszeit gewonnen. Das Fest sollte ganz in deutscher Weise begangen werden im ostgrön¬ ländischen Eise. Dazu durfte ein grüner Tannenbaum nicht fehlen. Aber freilich in ganz Grönland wachsen keine Tannen. Dafür aber behalten die kleinen Sträucher der Andromeda auch im Winter ihre Blätter, die, obgleich dunkelgrün-bräunlich von Farbe, doch immer ein frisches Laub sind und sich ohne Zweifel besser ausnehmen mußten, als Moos. Vom Zimmermann wurde ein hohes hölzernes Gestell gemacht, das aus einem Fußbrett stehend, den 3 Fuß hohen Stamm und die Hauptäste einer kleinen Tanne darstellte. Diese wurde mit den Schößlingen der Andromeda bewickelt und ebenso be¬ wickelte kleine und kleinste Stäbe als Zweige und Nebenzweige naturgerecht an die Aeste befestigt. Auf diese Weise erhielt man einen Tannenbaum, der alle Erwartungen übertraf und von den Leuten mit Wachslichtern, vergol¬ deten Nüssen u. s. w. geziert wurde. So kam der heilige Abende heran. Um 4 Uhr mußte Jedermann die Kajüte verlassen. Die Wände wurden ringsum mit Flaggen decorirt, neben dem Sofa die schönsten Fuchsfelle hingehängt, und der Tisch durch Hülfe einiger Kisten bis zum Maste hinan verlängert. Um 6 Uhr gab die Schiffsglocke das Zeichen zur Bescheerung. Im Logis wurde ein Weihnachtslied angestimmt. Dann traten Alle in die Kajüte um den Weih¬ nachtstisch. Da standen ernsthaft und doch so froh dreinschauend die kräftigen Gestalten der großen Kinder, da erhob sich bis zur Decke hinauf der schönste Weihnachtsbaum und glitzerte von Lichtern, von Gold und Silber. Und auf frischen weißen Tischlaken lagen auf Tellern zierlich geordnet die Geschenke. Lauter unbedeutende Dinge: kleine Bücher, Brieftaschen:c. aber jedem machten sie die größte Freude. Auch ein Geschenk von Kieler Damen, eine große Harmonie« „für die Mannschaft" wurde bescheert. Dann folgte ein warmes Abendessen, wobei der Koch mit prachtvollem Gebäck überraschte. Die Glück¬ wünsche wurden in Schaumwein vom Neckar getrunken und beim Dessert öffnete sich eine große Kiste, welche ein kostbares Geschenk aus Mainz, eine Anzahl Flaschen des trefflichsten Rheinweins enthielt. Nun erglühten Herz und Sinn den deutschen Seefahrern beim edelsten vaterländischen Tränke. Eine Rede folgte der andern. Dann kam das deutsche Lied zu seinem Rechte! hatte doch jeder von dem Verleger G. Westermann ein kleines Liederbuch zum Geschenk erhalten. Heiliger Sangeseifer beseelte Alle. War es Vorahnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/316>, abgerufen am 22.07.2024.