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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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identische Interessen, ja durch die Sorge um ihre gesammte staatliche Existenz
bei rechter Würdigung der Situation sich am lebhaftesten angeregt fühlen
sollten, die Zusammengehörigkeit zu pflegen und für eine ganze Reihe von
Einrichtungen die Gemeinsamkeit zu suchen, die centrifugalen Neigungen vor¬
herrschen.

Das bestätigt sich auch an der Universität. Nicht selten scheint es, als
ob die Gemeinsamkeit mehr als eine Last, denn als eine gern geübte Pflicht
betrachtet werde. Wenn ein Uebergewicht Weimars empfunden wird, so braucht
man sich einfach nur klar zu machen, worauf das Uevergewicht beruht. Wer
dann kein Uebergewicht will, für den liegt das Mittel, zum erwünschten Ziele
zu gelangen, nahe genug zur Hand. Man braucht nur im gleichem Maße
mit zu thaten, dann bleibt das gleiche Mitrathcn sicher nicht aus. Allein an
dem gleichen Mitthun fehlt allzuviel. Nicht allein die pekuniären Leistungen
differiren sehr. Auch in jeder anderen Beziehung dokumentär sich eine Ver¬
schiedenst" figkeit des Interesses an der Universität, die zu der Gemeinsamkeit,
welche unter den Nachkommen des Stifters vorausgesetzt werden müßte, nicht
stimmt. Der Großherzog von Weimar führt die von ihm hochgehaltene Würde
eines lieetor in^gniüeeutissimus. Daß das dem Fürsten mehr als ein
bloßer Ehrentitel ist, weiß in Jena Jedermann. Man weiß, mit welcher per
fortleben Theilnahme derselbe alle Vorgänge der Universität verfolgt, wie oft
und eingehend er sich selber von den Zuständen überzeugt. Weimarische Mi¬
nister und Beamte sind es, die immer zu treffen sind, sobald es sich um irgend
welche Anordnungen handelt. Von den übrigen Staaten wird die Universität
wenig gewahr. Wenn nicht je zuweilen einmal eine größere Conferenz noth¬
wendig wird, können Jahre vergehen, ohne daß irgend eine persönliche Be¬
rührung der Universität mit den Ministerien der übrigen Staaten stattfindet.

Wir sind weit entfernt, daraus zu folgern, daß nur Weimar überhaupt
ein Herz für die Universität habe und daß sie den drei Herzogthümern gleich¬
gültig sei. Die Wünsche, Jena's Hochschule fortexistiren und immer mehr
gedeihen zu sehen, theilen gewiß alle. Es wäre ja wunderbar, wenn es sich
anders verhielte. An gutem Willen für die Universität fehlt es unstreitig nicht
einmal in denjenigen Staaten Thüringens, die es von jeher bei dem guten
Willen haben bewenden lassen, die gar nicht dem Verbände der Nutritoren
angehören und deren Freude an der Thüringischen Universität ebendeshalb
vielleicht eine um so ungetrübtere ist; geschweige denn bei denen, welche als
Miterhalter zur Universitätskasse beizutragen haben. Aber so stark der gute
Wille sein mag, die Mittel zu thatsächlichem Ausdruck und Erfolg sind nur
zu schwach. Zu einer Universität gehört Geld und nochmals Geld. Vom
besten Willen kann sie nicht leben. Gerade im Punkte des Geldes aber tritt
die auffälligste Verschiebung des- ursprünglichen Gemeinsamkeitsverhältnisses


identische Interessen, ja durch die Sorge um ihre gesammte staatliche Existenz
bei rechter Würdigung der Situation sich am lebhaftesten angeregt fühlen
sollten, die Zusammengehörigkeit zu pflegen und für eine ganze Reihe von
Einrichtungen die Gemeinsamkeit zu suchen, die centrifugalen Neigungen vor¬
herrschen.

Das bestätigt sich auch an der Universität. Nicht selten scheint es, als
ob die Gemeinsamkeit mehr als eine Last, denn als eine gern geübte Pflicht
betrachtet werde. Wenn ein Uebergewicht Weimars empfunden wird, so braucht
man sich einfach nur klar zu machen, worauf das Uevergewicht beruht. Wer
dann kein Uebergewicht will, für den liegt das Mittel, zum erwünschten Ziele
zu gelangen, nahe genug zur Hand. Man braucht nur im gleichem Maße
mit zu thaten, dann bleibt das gleiche Mitrathcn sicher nicht aus. Allein an
dem gleichen Mitthun fehlt allzuviel. Nicht allein die pekuniären Leistungen
differiren sehr. Auch in jeder anderen Beziehung dokumentär sich eine Ver¬
schiedenst» figkeit des Interesses an der Universität, die zu der Gemeinsamkeit,
welche unter den Nachkommen des Stifters vorausgesetzt werden müßte, nicht
stimmt. Der Großherzog von Weimar führt die von ihm hochgehaltene Würde
eines lieetor in^gniüeeutissimus. Daß das dem Fürsten mehr als ein
bloßer Ehrentitel ist, weiß in Jena Jedermann. Man weiß, mit welcher per
fortleben Theilnahme derselbe alle Vorgänge der Universität verfolgt, wie oft
und eingehend er sich selber von den Zuständen überzeugt. Weimarische Mi¬
nister und Beamte sind es, die immer zu treffen sind, sobald es sich um irgend
welche Anordnungen handelt. Von den übrigen Staaten wird die Universität
wenig gewahr. Wenn nicht je zuweilen einmal eine größere Conferenz noth¬
wendig wird, können Jahre vergehen, ohne daß irgend eine persönliche Be¬
rührung der Universität mit den Ministerien der übrigen Staaten stattfindet.

Wir sind weit entfernt, daraus zu folgern, daß nur Weimar überhaupt
ein Herz für die Universität habe und daß sie den drei Herzogthümern gleich¬
gültig sei. Die Wünsche, Jena's Hochschule fortexistiren und immer mehr
gedeihen zu sehen, theilen gewiß alle. Es wäre ja wunderbar, wenn es sich
anders verhielte. An gutem Willen für die Universität fehlt es unstreitig nicht
einmal in denjenigen Staaten Thüringens, die es von jeher bei dem guten
Willen haben bewenden lassen, die gar nicht dem Verbände der Nutritoren
angehören und deren Freude an der Thüringischen Universität ebendeshalb
vielleicht eine um so ungetrübtere ist; geschweige denn bei denen, welche als
Miterhalter zur Universitätskasse beizutragen haben. Aber so stark der gute
Wille sein mag, die Mittel zu thatsächlichem Ausdruck und Erfolg sind nur
zu schwach. Zu einer Universität gehört Geld und nochmals Geld. Vom
besten Willen kann sie nicht leben. Gerade im Punkte des Geldes aber tritt
die auffälligste Verschiebung des- ursprünglichen Gemeinsamkeitsverhältnisses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/293>, abgerufen am 22.07.2024.