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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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darzulegen und auf Abhülfe zu sinnen, erscheint Pflicht. Handelt es sich doch
um eine Stätte der Kultur, an der die ganze Nation betheiligt ist, der die
weitesten Kreise unseres gesammten Vaterlandes Dank schulden und die selbst
im Auslande mit Achtung genannt wird.

Im Weimarischen Landtag ist von dem Abgeordneten aus Jena die Ge¬
legenheit ergriffen worden, eine kurze Schilderung der obwaltenden Verhält¬
nisse zu geben. Manches davon ist in die Zeitungen übergegangen, jedoch
meist nur bruchstücks- und auszugsweise. Es wird daher nicht überflüssig
sein, gestützt auf die Zahlenangaben, die dort mitgetheilt wurden, die Lage
der Dinge hier etwas gründlicher zu beleuchten und die Darstellung jenes
Abgeordneten noch einigermaßen zu ergänzen.

Die Universität zu Jena ist dem Großherzogthum Weimar, den Herzoge
thümern Altenburg, Coburg-Gotha und Meiningen gemeinschaftlich. Diese
vier Staaten, deren Fürsten den Titel der Nutritoren führen, haben also für
die finanzielle Erhaltung zu sorgen. Die Stadt Jena gehört zum Gro߬
herzogthum Weimar. Historische Ueberlieferungen der verschiedensten Art zu¬
gleich mit der örtlichen Lage im Weimarischen Lande, in der Nähe der Resi¬
denz Weimar, ein Name, mit dem der Name Jenas zumal seit der Goethe-
Schiller-Epoche auf das Engste verbunden erscheint, erklären zur Genüge, daß
bei aller Gemeinsamkeit stets die Hauptsorge und die Hauptleitung in der
Hand der Weimarischen Regierung liegt. Der Idee nach soll die Universität
als gemeinsames Institut einen neutralen Charakter haben. Zum Beweise
dient die Freiheit ihrer Mitglieder von allen direkten Staatsabgaben, mit
Ausnahme der Grundsteuer. Keiner der übrigen Staaten würde eine Wei¬
marische Besteuerung gestatten. Eine Besteuerung zu Gunsten sämmtlicher
vier Staaten erscheint unmöglich, weil man den Modus der Verlegung und
Vertheilung kaum zu finden vermöchte. Folglich hat es bei dem hergebrachten
Privilegium der Steuerfreiheit, so wunderlich ein solches unter heutigen Ver¬
hältnissen sich ausnimmt, sein Bewenden. Ja sogar der Gemeindekasse der
Stadt gegenüber besteht, wenn auch neuerdings mannigfach durchlöchert, ein
Privilegium der Freiheit von Gemeindesteuern und Umlagen. Wie könnten
die drei übrigen Staaten dulden, daß die Mitglieder der Universität dazu mit¬
helfen sollten, den Säckel einer Weimarischen Stadt zu füllen?

Die Rechtsgemeinschaft, welche sich in solchen Erscheinungen praktisch
ausdrückt, hat unzweifelhaft ihre guten, aber auch ihre schlimmen Seiten.

Für die Unabhängigkeit der Universität ist es von großer Wichtigkeit,
daß sie nicht von einer einzelnen, sondern von vier Regierungen abhängt.
In trüben Perioden der deutschen Hochschulen hat sich das bewährt. Zum
großen Theil ist es der aufgeklärten Richtung und dem guten Willen der
Weimarischen Regierung, die sich darin seit geraumer Zeit treu geblieben.


darzulegen und auf Abhülfe zu sinnen, erscheint Pflicht. Handelt es sich doch
um eine Stätte der Kultur, an der die ganze Nation betheiligt ist, der die
weitesten Kreise unseres gesammten Vaterlandes Dank schulden und die selbst
im Auslande mit Achtung genannt wird.

Im Weimarischen Landtag ist von dem Abgeordneten aus Jena die Ge¬
legenheit ergriffen worden, eine kurze Schilderung der obwaltenden Verhält¬
nisse zu geben. Manches davon ist in die Zeitungen übergegangen, jedoch
meist nur bruchstücks- und auszugsweise. Es wird daher nicht überflüssig
sein, gestützt auf die Zahlenangaben, die dort mitgetheilt wurden, die Lage
der Dinge hier etwas gründlicher zu beleuchten und die Darstellung jenes
Abgeordneten noch einigermaßen zu ergänzen.

Die Universität zu Jena ist dem Großherzogthum Weimar, den Herzoge
thümern Altenburg, Coburg-Gotha und Meiningen gemeinschaftlich. Diese
vier Staaten, deren Fürsten den Titel der Nutritoren führen, haben also für
die finanzielle Erhaltung zu sorgen. Die Stadt Jena gehört zum Gro߬
herzogthum Weimar. Historische Ueberlieferungen der verschiedensten Art zu¬
gleich mit der örtlichen Lage im Weimarischen Lande, in der Nähe der Resi¬
denz Weimar, ein Name, mit dem der Name Jenas zumal seit der Goethe-
Schiller-Epoche auf das Engste verbunden erscheint, erklären zur Genüge, daß
bei aller Gemeinsamkeit stets die Hauptsorge und die Hauptleitung in der
Hand der Weimarischen Regierung liegt. Der Idee nach soll die Universität
als gemeinsames Institut einen neutralen Charakter haben. Zum Beweise
dient die Freiheit ihrer Mitglieder von allen direkten Staatsabgaben, mit
Ausnahme der Grundsteuer. Keiner der übrigen Staaten würde eine Wei¬
marische Besteuerung gestatten. Eine Besteuerung zu Gunsten sämmtlicher
vier Staaten erscheint unmöglich, weil man den Modus der Verlegung und
Vertheilung kaum zu finden vermöchte. Folglich hat es bei dem hergebrachten
Privilegium der Steuerfreiheit, so wunderlich ein solches unter heutigen Ver¬
hältnissen sich ausnimmt, sein Bewenden. Ja sogar der Gemeindekasse der
Stadt gegenüber besteht, wenn auch neuerdings mannigfach durchlöchert, ein
Privilegium der Freiheit von Gemeindesteuern und Umlagen. Wie könnten
die drei übrigen Staaten dulden, daß die Mitglieder der Universität dazu mit¬
helfen sollten, den Säckel einer Weimarischen Stadt zu füllen?

Die Rechtsgemeinschaft, welche sich in solchen Erscheinungen praktisch
ausdrückt, hat unzweifelhaft ihre guten, aber auch ihre schlimmen Seiten.

Für die Unabhängigkeit der Universität ist es von großer Wichtigkeit,
daß sie nicht von einer einzelnen, sondern von vier Regierungen abhängt.
In trüben Perioden der deutschen Hochschulen hat sich das bewährt. Zum
großen Theil ist es der aufgeklärten Richtung und dem guten Willen der
Weimarischen Regierung, die sich darin seit geraumer Zeit treu geblieben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/291>, abgerufen am 22.07.2024.