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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Genossen offenbar nicht verlassen wollten und sich mit ihm sehr langsam nach
der nordwestlichen Seite des Berges in eine der dortigen Hügelreihen zurück¬
zogen. Nun stiegen die Jäger ungesehen hinab, passirten rasch und vorsich¬
tig eine Hügelreihe nach der andern und erblickten eben, wie sie über
einen neuen Hügel wollten, den Rücken eines der grasenden Thiere vor sich.
Auf Händen und Füßen krochen die Jäger nun ganz nahe an die Thiere
heran und verwundeten mit drei in drei Secunden abgefeuerten Schüssen die
beiden Ochsen tödtlich, die Wagner für den Gnadenstoß aufs Korn nahm,
während Dr. Copeland der armen erschreckten kleinen Kuh bergab nachsetzte.
Er schoß sie zuerst mitten auf die Stirn, ohne daß sie auch nur gezuckt hätte.
Vielmehr schien sie versuchen zu wollen, was sie wohl mit ihren scharfen, kleinen
krummen Hörnern zu ihrer Vertheidigung ausrichten könne. Da streckte sie
ein zweiter Schuß in die Schulter nieder. -- Ein gewaltiger Bär und mehrere
Füchse, welche das frischgeschossene Fleisch anlockte, vervollständigten die Beute
dieser reichen Jagdtage. Einer der Füchse wurde eben niedergestreckt, als er
sich mit der Leber davon machen wollte. "Mittags als die Leber auf den
Tisch kam", erzählt Dr. Copeland, "zeigten mir einige Schrotkörner in dem
Stücke, das auf meinen Antheil kam, daß ich mit dem unglücklichen Fuchs
den letzten Bissen theilte, der ihm in diesem Leben zu Theil geworden war.
Unsere sorglichen Matrosen waren natürlich der Meinung, daß keine Gabe
Gottes verloren gehe dürfe, und so hatten sie auch das besagte Stück Leber als
gute Beute betrachtet und für den Tisch in der Kajüte noch immerhin brauchbar be¬
funden!" Leider konnten die herrlichen Häute und Knochen nicht wissenschaftlich
präparirt werden, da Dr. Panhas bereits am 5. August beim ersten Betreten
des Landes das Unglück gehabt hatte, sich durch die Muskeln des Unterarms
zu schießen und nun noch lange nicht soweit geheilt war, um das kranke
Glied beim Skeletiren u. s. w. zu benutzen.

Als sich während des Aufenthaltes der Germania an der Insel Shannon
im Laufe des Monat August das Fahrwasser immer mehr mit Eis besetzte,
wurde am 27. einstimmig beschlossen, nach dem Winterhafen an der Südseite
der Sabine-Insel aufzubrechen, unterwegs jedoch so lang als irgend möglich
zum Zwecke wissenschaftlicher Beobachtungen aller Art zu verweilen. Dieser
Beschluß ist den nämlichen Tag noch ausgeführt, und der Kurs nach Süd¬
westen immer erst dann fortgesetzt worden, nachdem man sich von den höchsten
Höhen der Küsten, an denen man vorbeikam, überzeugt hatte, daß nach Norden
jede Fahrstraße absolut vereist war, und ebenso dringende Gefahr sei, die letzte
Rückzugslinie nach Süden zu verlieren, wenn nicht weiter gesegelt oder gedampft
würde. Das feste undurchdringliche Eis schloß sich, förmlich der Germania
auf dem Fuße folgend, zu; nicht selten mußte sie schon durch zolldickes Eis
mit voller Dampfkraft durchbrechen, um ihr Ziel zu erreichen. Daß die brave


Genossen offenbar nicht verlassen wollten und sich mit ihm sehr langsam nach
der nordwestlichen Seite des Berges in eine der dortigen Hügelreihen zurück¬
zogen. Nun stiegen die Jäger ungesehen hinab, passirten rasch und vorsich¬
tig eine Hügelreihe nach der andern und erblickten eben, wie sie über
einen neuen Hügel wollten, den Rücken eines der grasenden Thiere vor sich.
Auf Händen und Füßen krochen die Jäger nun ganz nahe an die Thiere
heran und verwundeten mit drei in drei Secunden abgefeuerten Schüssen die
beiden Ochsen tödtlich, die Wagner für den Gnadenstoß aufs Korn nahm,
während Dr. Copeland der armen erschreckten kleinen Kuh bergab nachsetzte.
Er schoß sie zuerst mitten auf die Stirn, ohne daß sie auch nur gezuckt hätte.
Vielmehr schien sie versuchen zu wollen, was sie wohl mit ihren scharfen, kleinen
krummen Hörnern zu ihrer Vertheidigung ausrichten könne. Da streckte sie
ein zweiter Schuß in die Schulter nieder. — Ein gewaltiger Bär und mehrere
Füchse, welche das frischgeschossene Fleisch anlockte, vervollständigten die Beute
dieser reichen Jagdtage. Einer der Füchse wurde eben niedergestreckt, als er
sich mit der Leber davon machen wollte. „Mittags als die Leber auf den
Tisch kam", erzählt Dr. Copeland, „zeigten mir einige Schrotkörner in dem
Stücke, das auf meinen Antheil kam, daß ich mit dem unglücklichen Fuchs
den letzten Bissen theilte, der ihm in diesem Leben zu Theil geworden war.
Unsere sorglichen Matrosen waren natürlich der Meinung, daß keine Gabe
Gottes verloren gehe dürfe, und so hatten sie auch das besagte Stück Leber als
gute Beute betrachtet und für den Tisch in der Kajüte noch immerhin brauchbar be¬
funden!" Leider konnten die herrlichen Häute und Knochen nicht wissenschaftlich
präparirt werden, da Dr. Panhas bereits am 5. August beim ersten Betreten
des Landes das Unglück gehabt hatte, sich durch die Muskeln des Unterarms
zu schießen und nun noch lange nicht soweit geheilt war, um das kranke
Glied beim Skeletiren u. s. w. zu benutzen.

Als sich während des Aufenthaltes der Germania an der Insel Shannon
im Laufe des Monat August das Fahrwasser immer mehr mit Eis besetzte,
wurde am 27. einstimmig beschlossen, nach dem Winterhafen an der Südseite
der Sabine-Insel aufzubrechen, unterwegs jedoch so lang als irgend möglich
zum Zwecke wissenschaftlicher Beobachtungen aller Art zu verweilen. Dieser
Beschluß ist den nämlichen Tag noch ausgeführt, und der Kurs nach Süd¬
westen immer erst dann fortgesetzt worden, nachdem man sich von den höchsten
Höhen der Küsten, an denen man vorbeikam, überzeugt hatte, daß nach Norden
jede Fahrstraße absolut vereist war, und ebenso dringende Gefahr sei, die letzte
Rückzugslinie nach Süden zu verlieren, wenn nicht weiter gesegelt oder gedampft
würde. Das feste undurchdringliche Eis schloß sich, förmlich der Germania
auf dem Fuße folgend, zu; nicht selten mußte sie schon durch zolldickes Eis
mit voller Dampfkraft durchbrechen, um ihr Ziel zu erreichen. Daß die brave


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/270>, abgerufen am 22.07.2024.