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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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reichs und Rußlands zu Theil geworden, vielfach besonders hervorgehoben.
(Die Moskaner pharmaceutische Gesellschaft besorgt so eben eine russische Be¬
arbeitung.)

Ich glaube, die Untersuchungscommission wird von gedruckten und ge¬
schriebenen Vorarbeiten kaum etwas Wesentliches vermissen, wenn sie sich auf
die Benutzung der vorher unter 1) und 2) aufgeführten Arbeiten und der
meinigen beschränkt -- abgesehen, versteht sich, von dem durch die Reichs¬
behörden gesammelten statistischen Material, auf welches ich noch zurück¬
komme, und von dem reichen und vielartigen Erfahrungsschatze, der in der
Geschichte der Pharmacie und Medicin einzelner Deutschen Staaten auf¬
bewahrt ist, von dem aber die Commissionsmitglieder das Beste im Ge¬
dächtniß, manche Einzelheiten auch wohl schwarz auf weiß, mitbringen werden.
-- Zwischen Hartmann und mir aber ist, an Ansichten, Wünschen und Vor¬
schlägen, nur noch sehr wenig Differenz, und zwar hauptsächlich nur in den Ein¬
zelheiten bei Ertheilung von Concessionen; eine mündliche Verständigung über
das ganze Pharmacie-Gesetz würde hier gewiß leicht und rasch zu erzielen sein
und zwar nicht etwa durch gegenseitiges Abhandeln und Nachgeben, durch Com-
promiß, sondern auf dem viel lobenswertheren Wege eingehendster Erörterung.

Es scheint mir sonach, die Tagesliteratur habe bereits recht viel und
Anerkennenswerthes zur Aufhellung des gesammten, so vielseitigen und com-
plicirten, Gegenstandes, und damit auch zur Ausgleichung widerstreitender
Ansichten, gethan. Wo sie anderseits etwas zur Verschärfung des Wider¬
streits gethan habe, ist mir nicht bekannt geworden oder nicht erinnerlich,
denn parlamentarisch anständige Vertheidigungen gegen Ansichten Andrer darf
man ja wohl nicht Hieher ziehen; und sollten einzelne pharmaceutische Stim¬
men hier oder da mit einzelnen Aeußerungen über das parlamentarische Maß
hinausgegangen sein, so wird man das wohl der gedrückten Lage zu Gute
halten, in welcher sich die Pharmacie und die Apotheker seit 12 Jahren be¬
finden . auch hat es keinenfalls der Klärung des Gegenstandes geschadet. --

In den vom Reichskanzleramt gegebenen Motiven ist noch von der "durch
Staatsaufsicht beschränkten Gewerbefreiheit" die Rede. Ich darf wohl hier
daran erinnern, daß von der pharmaceutischen Presse an vielen Stellen, und
von mir, i. a. W. ganz besonders umfassend, nachgewiesen worden, wie un¬
vollkommen die Staatseinsicht im Stande ist, die große Schädlichkeit der phar¬
maceutischen Gewerbefreiheit, oder auch nur der Niederlassungsfreiheit, zu ver¬
bessern. Die sämmtlichen Länder der mittleren (westeuropäischen) Pharmaciestuse,
d. i. derjenigen, welche noch unter der aus dem Mittelalter überkommenen Ge-
werbefreiheit leidet, geben uns hier auf ihre Kosten die Lehre, daß für eine un-
tadelhaste Besorgung der wesentlichsten Theile des Pharmacie-Betriebs keine


reichs und Rußlands zu Theil geworden, vielfach besonders hervorgehoben.
(Die Moskaner pharmaceutische Gesellschaft besorgt so eben eine russische Be¬
arbeitung.)

Ich glaube, die Untersuchungscommission wird von gedruckten und ge¬
schriebenen Vorarbeiten kaum etwas Wesentliches vermissen, wenn sie sich auf
die Benutzung der vorher unter 1) und 2) aufgeführten Arbeiten und der
meinigen beschränkt — abgesehen, versteht sich, von dem durch die Reichs¬
behörden gesammelten statistischen Material, auf welches ich noch zurück¬
komme, und von dem reichen und vielartigen Erfahrungsschatze, der in der
Geschichte der Pharmacie und Medicin einzelner Deutschen Staaten auf¬
bewahrt ist, von dem aber die Commissionsmitglieder das Beste im Ge¬
dächtniß, manche Einzelheiten auch wohl schwarz auf weiß, mitbringen werden.
— Zwischen Hartmann und mir aber ist, an Ansichten, Wünschen und Vor¬
schlägen, nur noch sehr wenig Differenz, und zwar hauptsächlich nur in den Ein¬
zelheiten bei Ertheilung von Concessionen; eine mündliche Verständigung über
das ganze Pharmacie-Gesetz würde hier gewiß leicht und rasch zu erzielen sein
und zwar nicht etwa durch gegenseitiges Abhandeln und Nachgeben, durch Com-
promiß, sondern auf dem viel lobenswertheren Wege eingehendster Erörterung.

Es scheint mir sonach, die Tagesliteratur habe bereits recht viel und
Anerkennenswerthes zur Aufhellung des gesammten, so vielseitigen und com-
plicirten, Gegenstandes, und damit auch zur Ausgleichung widerstreitender
Ansichten, gethan. Wo sie anderseits etwas zur Verschärfung des Wider¬
streits gethan habe, ist mir nicht bekannt geworden oder nicht erinnerlich,
denn parlamentarisch anständige Vertheidigungen gegen Ansichten Andrer darf
man ja wohl nicht Hieher ziehen; und sollten einzelne pharmaceutische Stim¬
men hier oder da mit einzelnen Aeußerungen über das parlamentarische Maß
hinausgegangen sein, so wird man das wohl der gedrückten Lage zu Gute
halten, in welcher sich die Pharmacie und die Apotheker seit 12 Jahren be¬
finden . auch hat es keinenfalls der Klärung des Gegenstandes geschadet. —

In den vom Reichskanzleramt gegebenen Motiven ist noch von der „durch
Staatsaufsicht beschränkten Gewerbefreiheit" die Rede. Ich darf wohl hier
daran erinnern, daß von der pharmaceutischen Presse an vielen Stellen, und
von mir, i. a. W. ganz besonders umfassend, nachgewiesen worden, wie un¬
vollkommen die Staatseinsicht im Stande ist, die große Schädlichkeit der phar¬
maceutischen Gewerbefreiheit, oder auch nur der Niederlassungsfreiheit, zu ver¬
bessern. Die sämmtlichen Länder der mittleren (westeuropäischen) Pharmaciestuse,
d. i. derjenigen, welche noch unter der aus dem Mittelalter überkommenen Ge-
werbefreiheit leidet, geben uns hier auf ihre Kosten die Lehre, daß für eine un-
tadelhaste Besorgung der wesentlichsten Theile des Pharmacie-Betriebs keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/258>, abgerufen am 25.08.2024.