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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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kräftig wissenschaftlich vorschreite, es wissenschaftlich und materiell ver¬
loren sei. --

Ein Zweites, was wir im Ersuchen des Reichskanzleramtes fast ganz
vermissen (nur angedeutet kann man es in der Unter-Frage 1. finden), ist die
Ablösungsfrage. Daß die alten Apotheken-Privilegien (sachliche und
vsräußerliche Berechtigungen) eine Unzweckmäßigkeit und weit mehr schädlich
als nützlich seien, daß aber ihre Aufhebung ohne "Ablösung" (ohne angemes¬
sene Geld-Entschädigung für die gegenwärtigen Inhaber) nicht bloß ungerecht
und unbillig wäre, sondern auch den Ruin sehr zahlreicher Apotheker und
schwere Beschädigung ihrer Gläubiger herbeiführen würde, ist wohl jetzt all¬
gemein anerkannt. Man nimmt vielfach an, die Beschaffung der zur Ablö¬
sung erforderlichen Summen sei sehr schwierig, wohl selbst unmöglich. Es
hat aber 1873 Schweden durch sein Beispiel gezeigt, wie man die Ablösung
bewerkstelligen kann; das dazu erforderliche Staatsgesetz, aus einem Antrage
der Apothekenbesitzer hervorgegangen, ist rasch und leicht von beiden Kammern
des Reichstags angenommen und vom Könige verkündigt worden, zur Be¬
friedigung nicht bloß der Apotheker, sondern auch der Staatsregierung,
des Publicums und der Aerzte, also aller irgend Bethel tigem. In der
deutschen Presse haben die Pharmaceutische Zeitung, Th. Husemann und ich
auf dieses Beispiel hingewiesen, auch die wesentlichsten Einzelheiten mitgetheilt
und beurtheilt; außerdem haben verschiedene pharmaceutische Stimmen Urtheile
über das Ganze ausgesprochen. Einzelne haben geglaubt, in Schweden solle
nach Beendigung des Ablösungsverfahrens Niederlassungsfreiheit eintreten:
das war ein hermeneutischer Irrthum, ist aber bereits durch mich und An¬
dere berichtigt. Einzelne sind der Ansicht, eine Nachahmung jenes Ablösungs¬
verfahrens sei für Deutschland unmöglich; es sei unpsychologisch und rechnerisch¬
widersinnig, zu erwarten, daß die gegenwärtigen Privilegbesitzer sich nur unter
einander (ohne Beihülfe vom Staate) entschädigen, ablösen sollten. Es scheint
hierbei übersehen zu sein, daß die Möglichkeit und Zulässigkeit eines Ablö-
sungsverfahrens. auch ohne Geldbeiträge vom Staat, sofort unzweideutig
wird, wenn man noch eine Reihe von Jahren hindurch die neu eintretenden
Apothekeninhaber a n seh nu es e Beiträge an den Ablösungsfonds zahlen läßt
-- Beiträge, welche an die Stelle der z. Th. noch ansehnlicheren Summen treten,
die gegenwärtig für die Privilegien-Werthe gezahlt werden. So geschieht es
in Schweden: der Staat überwacht das Verfahren und bestimmt jedem neu
Eintretenden, wieviel er beizutragen habe, während anderseits verkündigt ist,
daß mit Ende des Jahres 1920 alle Privilegien erloschen seyn werden.

Es ist wohl dringend zu wünschen, daß die Untersuchung" - Commission
unter Zuziehung von Geldrechnungskundigen ermittele, ob und welche Schwie¬
rigkeiten etwa in Deutschland durch complicirtere Verhältnisse, namentlich die


kräftig wissenschaftlich vorschreite, es wissenschaftlich und materiell ver¬
loren sei. —

Ein Zweites, was wir im Ersuchen des Reichskanzleramtes fast ganz
vermissen (nur angedeutet kann man es in der Unter-Frage 1. finden), ist die
Ablösungsfrage. Daß die alten Apotheken-Privilegien (sachliche und
vsräußerliche Berechtigungen) eine Unzweckmäßigkeit und weit mehr schädlich
als nützlich seien, daß aber ihre Aufhebung ohne „Ablösung" (ohne angemes¬
sene Geld-Entschädigung für die gegenwärtigen Inhaber) nicht bloß ungerecht
und unbillig wäre, sondern auch den Ruin sehr zahlreicher Apotheker und
schwere Beschädigung ihrer Gläubiger herbeiführen würde, ist wohl jetzt all¬
gemein anerkannt. Man nimmt vielfach an, die Beschaffung der zur Ablö¬
sung erforderlichen Summen sei sehr schwierig, wohl selbst unmöglich. Es
hat aber 1873 Schweden durch sein Beispiel gezeigt, wie man die Ablösung
bewerkstelligen kann; das dazu erforderliche Staatsgesetz, aus einem Antrage
der Apothekenbesitzer hervorgegangen, ist rasch und leicht von beiden Kammern
des Reichstags angenommen und vom Könige verkündigt worden, zur Be¬
friedigung nicht bloß der Apotheker, sondern auch der Staatsregierung,
des Publicums und der Aerzte, also aller irgend Bethel tigem. In der
deutschen Presse haben die Pharmaceutische Zeitung, Th. Husemann und ich
auf dieses Beispiel hingewiesen, auch die wesentlichsten Einzelheiten mitgetheilt
und beurtheilt; außerdem haben verschiedene pharmaceutische Stimmen Urtheile
über das Ganze ausgesprochen. Einzelne haben geglaubt, in Schweden solle
nach Beendigung des Ablösungsverfahrens Niederlassungsfreiheit eintreten:
das war ein hermeneutischer Irrthum, ist aber bereits durch mich und An¬
dere berichtigt. Einzelne sind der Ansicht, eine Nachahmung jenes Ablösungs¬
verfahrens sei für Deutschland unmöglich; es sei unpsychologisch und rechnerisch¬
widersinnig, zu erwarten, daß die gegenwärtigen Privilegbesitzer sich nur unter
einander (ohne Beihülfe vom Staate) entschädigen, ablösen sollten. Es scheint
hierbei übersehen zu sein, daß die Möglichkeit und Zulässigkeit eines Ablö-
sungsverfahrens. auch ohne Geldbeiträge vom Staat, sofort unzweideutig
wird, wenn man noch eine Reihe von Jahren hindurch die neu eintretenden
Apothekeninhaber a n seh nu es e Beiträge an den Ablösungsfonds zahlen läßt
— Beiträge, welche an die Stelle der z. Th. noch ansehnlicheren Summen treten,
die gegenwärtig für die Privilegien-Werthe gezahlt werden. So geschieht es
in Schweden: der Staat überwacht das Verfahren und bestimmt jedem neu
Eintretenden, wieviel er beizutragen habe, während anderseits verkündigt ist,
daß mit Ende des Jahres 1920 alle Privilegien erloschen seyn werden.

Es ist wohl dringend zu wünschen, daß die Untersuchung« - Commission
unter Zuziehung von Geldrechnungskundigen ermittele, ob und welche Schwie¬
rigkeiten etwa in Deutschland durch complicirtere Verhältnisse, namentlich die


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[0253] kräftig wissenschaftlich vorschreite, es wissenschaftlich und materiell ver¬ loren sei. — Ein Zweites, was wir im Ersuchen des Reichskanzleramtes fast ganz vermissen (nur angedeutet kann man es in der Unter-Frage 1. finden), ist die Ablösungsfrage. Daß die alten Apotheken-Privilegien (sachliche und vsräußerliche Berechtigungen) eine Unzweckmäßigkeit und weit mehr schädlich als nützlich seien, daß aber ihre Aufhebung ohne „Ablösung" (ohne angemes¬ sene Geld-Entschädigung für die gegenwärtigen Inhaber) nicht bloß ungerecht und unbillig wäre, sondern auch den Ruin sehr zahlreicher Apotheker und schwere Beschädigung ihrer Gläubiger herbeiführen würde, ist wohl jetzt all¬ gemein anerkannt. Man nimmt vielfach an, die Beschaffung der zur Ablö¬ sung erforderlichen Summen sei sehr schwierig, wohl selbst unmöglich. Es hat aber 1873 Schweden durch sein Beispiel gezeigt, wie man die Ablösung bewerkstelligen kann; das dazu erforderliche Staatsgesetz, aus einem Antrage der Apothekenbesitzer hervorgegangen, ist rasch und leicht von beiden Kammern des Reichstags angenommen und vom Könige verkündigt worden, zur Be¬ friedigung nicht bloß der Apotheker, sondern auch der Staatsregierung, des Publicums und der Aerzte, also aller irgend Bethel tigem. In der deutschen Presse haben die Pharmaceutische Zeitung, Th. Husemann und ich auf dieses Beispiel hingewiesen, auch die wesentlichsten Einzelheiten mitgetheilt und beurtheilt; außerdem haben verschiedene pharmaceutische Stimmen Urtheile über das Ganze ausgesprochen. Einzelne haben geglaubt, in Schweden solle nach Beendigung des Ablösungsverfahrens Niederlassungsfreiheit eintreten: das war ein hermeneutischer Irrthum, ist aber bereits durch mich und An¬ dere berichtigt. Einzelne sind der Ansicht, eine Nachahmung jenes Ablösungs¬ verfahrens sei für Deutschland unmöglich; es sei unpsychologisch und rechnerisch¬ widersinnig, zu erwarten, daß die gegenwärtigen Privilegbesitzer sich nur unter einander (ohne Beihülfe vom Staate) entschädigen, ablösen sollten. Es scheint hierbei übersehen zu sein, daß die Möglichkeit und Zulässigkeit eines Ablö- sungsverfahrens. auch ohne Geldbeiträge vom Staat, sofort unzweideutig wird, wenn man noch eine Reihe von Jahren hindurch die neu eintretenden Apothekeninhaber a n seh nu es e Beiträge an den Ablösungsfonds zahlen läßt — Beiträge, welche an die Stelle der z. Th. noch ansehnlicheren Summen treten, die gegenwärtig für die Privilegien-Werthe gezahlt werden. So geschieht es in Schweden: der Staat überwacht das Verfahren und bestimmt jedem neu Eintretenden, wieviel er beizutragen habe, während anderseits verkündigt ist, daß mit Ende des Jahres 1920 alle Privilegien erloschen seyn werden. Es ist wohl dringend zu wünschen, daß die Untersuchung« - Commission unter Zuziehung von Geldrechnungskundigen ermittele, ob und welche Schwie¬ rigkeiten etwa in Deutschland durch complicirtere Verhältnisse, namentlich die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/253>, abgerufen am 22.07.2024.