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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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sprechen (wie es z. B. für die gerichtlich-chemischen Untersuchungen Kolbe ge¬
than hat, dessen hohe Autorität in der Chemie nicht hat verhindern können,
daß er hier von einigen pharmaceutischen Schriftstellern und noch umfassender
von mir widerlegt worden ist).

Die von mir empfohlene Erweiterung des Arbeitsfeldes wird für die
Pharmaceuten und die Pharmacie geistig und materiell ein großer Segen sein:

Geistig; denn auf dem bisherigen Arbeitsfelde waren die Apotheker
ziemlich unselbständig, ja in der Hauptsache fast nur Fabrik-Arbeiter, die nach
den Vorschriften der Pharmakopöe, ergänzenden Verfügungen und den Re¬
cepten der Aerzte zu verfahren hatten, und von denen einer den andern voll¬
kommen ersetzen konnte; aus dem neuen Felde sind sie selbständige Natur¬
forscher. Wir sehen hier also fast eine Verwandlung von Nummern in
Individuen (Phoebus, i. a. W. Note 184), gewiß das großartigste und auch
für den Staat werthvollste Geschenk, welches eine weise Gesetzgebung einem
ganzen Fache und Stande machen kann.

Materiell; denn bisher sah der Apotheker, selbst der noch ausnahms¬
weise materiell günstig gestellte, mit Bangen dem fortdauernden Steigen der¬
jenigen Momente entgegen, welche ihm neuerdings das Brot geschmälert
haben (Vereinfachung der Arzneiverordnungen, ausgedehnte Ersetzung der
Therapie durch Jdiodiätetik, des curativen Verfahrens durch prophylaktisches, :c.)
und schließlich dem "unis xliarmaeiae". Fortan dagegen kann er hoffen, daß
seine Beschäftigung als Naturforscher annähernd in demselben Maße wachsen
werde, wie das Eingreifen der Naturwissenschaften in das Leben wächst, und
daß schließlich, wenn auch diese Beschäftigung nicht mehr ausreichen sollte ihn
zu ernähren, der Staat durch die erhöhte Dignität, welche er ihm gegenwärtig
ertheilt, sich um so sicherer zu einer gerechten, auf verschiedenen Wegen erziel¬
baren Entschädigung für die geleisteten Dienste verpflichtet fühlen werde.

Ich bin überzeugt, daß ohne die von mir empfohlene Erweiterung des
Arbeitsfeldes und die zu dem Ende nöthige Erweiterung der Examina alles
Andere, was das neue Pharmacie-Gesetz bringen kann, höchstens eine Pallia¬
tive Wirkung auf sehr wenige Jahre äußern könnte, und daß deshalb jene
Erweiterungen das Alpha aller Beschlüsse über die Gestaltung der Pharmacie
zu werden verdienen. Ich hoffe, bei dieser Ansicht die gewichtigsten pharma¬
ceutischen Stimmen, insbesondre die von Blitz, Flückiger, G. Hartmann,
Bruno Hirsch, Oberdörffer, Rieckher, -- unter Ausländern die von Aline'n,
Dorvault, G. Planchon, Jul. Trapp, -- und von anderen ähnlich auf¬
geklärten und wissenschaftlich fruchtbaren Pharmaceuten für mich zu haben
oder doch alsbald zu gewinnen. Ich hoffe auch die große Majorität meiner
ärztlichen Fachgenossen für mich zu haben, schon deßhalb, weil wohl alle die
Ansicht theilen, daß, wenn ein angewandt-naturwissenschaftliches Fach nicht


sprechen (wie es z. B. für die gerichtlich-chemischen Untersuchungen Kolbe ge¬
than hat, dessen hohe Autorität in der Chemie nicht hat verhindern können,
daß er hier von einigen pharmaceutischen Schriftstellern und noch umfassender
von mir widerlegt worden ist).

Die von mir empfohlene Erweiterung des Arbeitsfeldes wird für die
Pharmaceuten und die Pharmacie geistig und materiell ein großer Segen sein:

Geistig; denn auf dem bisherigen Arbeitsfelde waren die Apotheker
ziemlich unselbständig, ja in der Hauptsache fast nur Fabrik-Arbeiter, die nach
den Vorschriften der Pharmakopöe, ergänzenden Verfügungen und den Re¬
cepten der Aerzte zu verfahren hatten, und von denen einer den andern voll¬
kommen ersetzen konnte; aus dem neuen Felde sind sie selbständige Natur¬
forscher. Wir sehen hier also fast eine Verwandlung von Nummern in
Individuen (Phoebus, i. a. W. Note 184), gewiß das großartigste und auch
für den Staat werthvollste Geschenk, welches eine weise Gesetzgebung einem
ganzen Fache und Stande machen kann.

Materiell; denn bisher sah der Apotheker, selbst der noch ausnahms¬
weise materiell günstig gestellte, mit Bangen dem fortdauernden Steigen der¬
jenigen Momente entgegen, welche ihm neuerdings das Brot geschmälert
haben (Vereinfachung der Arzneiverordnungen, ausgedehnte Ersetzung der
Therapie durch Jdiodiätetik, des curativen Verfahrens durch prophylaktisches, :c.)
und schließlich dem »unis xliarmaeiae". Fortan dagegen kann er hoffen, daß
seine Beschäftigung als Naturforscher annähernd in demselben Maße wachsen
werde, wie das Eingreifen der Naturwissenschaften in das Leben wächst, und
daß schließlich, wenn auch diese Beschäftigung nicht mehr ausreichen sollte ihn
zu ernähren, der Staat durch die erhöhte Dignität, welche er ihm gegenwärtig
ertheilt, sich um so sicherer zu einer gerechten, auf verschiedenen Wegen erziel¬
baren Entschädigung für die geleisteten Dienste verpflichtet fühlen werde.

Ich bin überzeugt, daß ohne die von mir empfohlene Erweiterung des
Arbeitsfeldes und die zu dem Ende nöthige Erweiterung der Examina alles
Andere, was das neue Pharmacie-Gesetz bringen kann, höchstens eine Pallia¬
tive Wirkung auf sehr wenige Jahre äußern könnte, und daß deshalb jene
Erweiterungen das Alpha aller Beschlüsse über die Gestaltung der Pharmacie
zu werden verdienen. Ich hoffe, bei dieser Ansicht die gewichtigsten pharma¬
ceutischen Stimmen, insbesondre die von Blitz, Flückiger, G. Hartmann,
Bruno Hirsch, Oberdörffer, Rieckher, — unter Ausländern die von Aline'n,
Dorvault, G. Planchon, Jul. Trapp, — und von anderen ähnlich auf¬
geklärten und wissenschaftlich fruchtbaren Pharmaceuten für mich zu haben
oder doch alsbald zu gewinnen. Ich hoffe auch die große Majorität meiner
ärztlichen Fachgenossen für mich zu haben, schon deßhalb, weil wohl alle die
Ansicht theilen, daß, wenn ein angewandt-naturwissenschaftliches Fach nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/252>, abgerufen am 22.07.2024.