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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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hinausgehen werden. So wird die deutsche Pharmacie dem Reiche einige
Tausend praktische Naturforscher liefern, eine der Zahl und dem Werthe nach
höchst bedeutende Vermehrung der bisherigen, an Akademien der Wissen¬
schaften, an Universitäten. Fackschulen, Gymnasien, Realschulen und technischen
Instituten wirkenden. Dieses neue, doch bereits im Heranwachsen begriffene,
Pharmaceutische Culturelement ist besonders deshalb so schätzbar,

1) weil es innerhalb des enormen Umfangs der Chemie, Physik und
Botanik seine Objecte besonders in den xliarmÄcis (Arzneimitteln und Giften)
findet, die bereits nach Tausenden zählen, fortdauernd zahlreicher und für
das Leben wichtiger, an Nutzen und Schaden, werden und von den Natur¬
forschern der vorher gedachten Anstalten nicht so speciell cultivirt werden
können wie von den Apothekern;

2) weil es gleichförmiger über das Land vertheilt ist, als jene Anstalten;

3) weil es die Staatskasse sehr wenig und nur in solchen Fällen in
Anspruch nimmt, wo es unmittelbar und direct dem Staate einen
speciellen, handgreiflichen Dienst geleistet hat.

Zwischen uns Aerzten und den Apothekern muß das gemeinsame wissen¬
schaftliche Arbeitsfeld, weil die Medicin im letzten Halbjahrhundert extensiv
und intensiv noch weit mehr gewachsen ist als die Pharmacie, allmählich neu
getheilt werden. Nur sehr wenige Aerzte -- und fast nur solche, die an
Universitäten oder an großen Krankenanstalten wirken -- sind noch so
glücklich, die chemische und mikroskopische Untersuchung der Secrete und Ex-
crete der Kranken so häusig und gründlich anstellen, die Nahrungsmittel, die
Wohnungsschädlichkeiten u. A. in. so überwachen zu können, wie die Wissen¬
schaft es verlangt. Den meisten Aerzten fehlt es dazu an Vorrichtungen und
ganz besonders an Zeit; der Mangel an Zeit hindert auch oft das hinläng¬
liche Fortschreiten mit den Naturwissenschaften und der wissenschaftlichen
Medicin, zumal mit den Einzelheiten dieser Gebiete. Hier kann die Pharmacie
vielfach aushelfen; nicht wenige Apotheker thun es auch bereits in sehr an-
erkennenswerther Weise, aber wir müssen diese Hülfe noch sehr verstärkt
wünschen.

Wohl ist ein Theil der heutigen Apotheker noch nicht genügend vor¬
bereitet für das größere und vielseitigere Arbeitsfeld, und wohl Mancher mag
sich vor demselben scheuen, der Erweiterung abhold sein. Aber die jüngeren
werden sich meist gern einarbeiten, die älteren mag man in Ruhe aussterben
lassen, beiden heranwachsenden dagegen durch ausgedehntere und strengere
Prüfungen als bisher für vollkommene Ausrüstung, auch durch neue
Betriebsvorschriften für die neuen Aufgaben, sorgen. Ein solches Verfahren
ist ohne Frage weit zweckmäßiger als den Apothekern, sehr willkürlich, die
Fähigkeit zu diesem oder jenem Theile der fraglichen Untersuchungen abzu-


hinausgehen werden. So wird die deutsche Pharmacie dem Reiche einige
Tausend praktische Naturforscher liefern, eine der Zahl und dem Werthe nach
höchst bedeutende Vermehrung der bisherigen, an Akademien der Wissen¬
schaften, an Universitäten. Fackschulen, Gymnasien, Realschulen und technischen
Instituten wirkenden. Dieses neue, doch bereits im Heranwachsen begriffene,
Pharmaceutische Culturelement ist besonders deshalb so schätzbar,

1) weil es innerhalb des enormen Umfangs der Chemie, Physik und
Botanik seine Objecte besonders in den xliarmÄcis (Arzneimitteln und Giften)
findet, die bereits nach Tausenden zählen, fortdauernd zahlreicher und für
das Leben wichtiger, an Nutzen und Schaden, werden und von den Natur¬
forschern der vorher gedachten Anstalten nicht so speciell cultivirt werden
können wie von den Apothekern;

2) weil es gleichförmiger über das Land vertheilt ist, als jene Anstalten;

3) weil es die Staatskasse sehr wenig und nur in solchen Fällen in
Anspruch nimmt, wo es unmittelbar und direct dem Staate einen
speciellen, handgreiflichen Dienst geleistet hat.

Zwischen uns Aerzten und den Apothekern muß das gemeinsame wissen¬
schaftliche Arbeitsfeld, weil die Medicin im letzten Halbjahrhundert extensiv
und intensiv noch weit mehr gewachsen ist als die Pharmacie, allmählich neu
getheilt werden. Nur sehr wenige Aerzte — und fast nur solche, die an
Universitäten oder an großen Krankenanstalten wirken — sind noch so
glücklich, die chemische und mikroskopische Untersuchung der Secrete und Ex-
crete der Kranken so häusig und gründlich anstellen, die Nahrungsmittel, die
Wohnungsschädlichkeiten u. A. in. so überwachen zu können, wie die Wissen¬
schaft es verlangt. Den meisten Aerzten fehlt es dazu an Vorrichtungen und
ganz besonders an Zeit; der Mangel an Zeit hindert auch oft das hinläng¬
liche Fortschreiten mit den Naturwissenschaften und der wissenschaftlichen
Medicin, zumal mit den Einzelheiten dieser Gebiete. Hier kann die Pharmacie
vielfach aushelfen; nicht wenige Apotheker thun es auch bereits in sehr an-
erkennenswerther Weise, aber wir müssen diese Hülfe noch sehr verstärkt
wünschen.

Wohl ist ein Theil der heutigen Apotheker noch nicht genügend vor¬
bereitet für das größere und vielseitigere Arbeitsfeld, und wohl Mancher mag
sich vor demselben scheuen, der Erweiterung abhold sein. Aber die jüngeren
werden sich meist gern einarbeiten, die älteren mag man in Ruhe aussterben
lassen, beiden heranwachsenden dagegen durch ausgedehntere und strengere
Prüfungen als bisher für vollkommene Ausrüstung, auch durch neue
Betriebsvorschriften für die neuen Aufgaben, sorgen. Ein solches Verfahren
ist ohne Frage weit zweckmäßiger als den Apothekern, sehr willkürlich, die
Fähigkeit zu diesem oder jenem Theile der fraglichen Untersuchungen abzu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/251>, abgerufen am 22.07.2024.