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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ansehnlicher Theil des Apothekenwesens bereits durch die Gewerbe-Ordnung
von 1869, b) die Kaiserliche Verordnung, betr. den Verkehr mit Apotheker¬
waaren, vom 25. März 1872 und e) die Einführung der ^Karmaeopoiza.
(ZermÄuiea. geordnet, und daß "zum Abschluß der in Rede stehenden Materie
hiernach noch" .... "Vorschriften über die Errichtung und Verlegung von
Apotheken erforderlich" seien. Das Wort "noch" kann hier augenscheinlich
als gleichbedeutend mit "nur noch" genommen werden, ja soll es vielleicht.
Im letzteren Falle müßten wir uns jedoch gegen die Gültigkeit des Satzes
verwahren, aus folgenden Gründen. Formell sind jene Theile des Apotheken¬
wesens allerdings geordnet, und zwar durch das Reich; daß sie aber auch
materiell bereits befriedigend geordnet seien, wird niemand annehmen, der die
zahlreichen motivirten Klagen und Desiderate der Apotheker, die nicht spar¬
samen administrativen und gerichtlichen Verhandlungen, kennt, welche in Bezug
auf jene Theile noch immer von der pharmaceutischen Presse zur Sprache ge¬
bracht werden. Wenn aber auch jene Theile erledigt wären und die Errichtung
und Verlegung von Apotheken es jetzt würde, so blieben noch andere sehr
wichtige Theile der gesammten Pharmacie-Frage offen und bliebe der jetzt zu
bildenden Untersuchungs-Commission die Pflicht, vor einer halben Schöpfung
zu warnen.

Wir finden nämlich zunächst, daß in dem Ersuchen des Reichskanzler¬
amts der allerwichtigste Theil der Pharmacie-Gesetzgebung kaum (so gut als
nicht) berührt ist: der wissenschaftliche -- der Inbegriff dessen, was man
an wissenschaftlichen Leistungen gegenwärtig und in der nächsten Zukunft zu
erwarten und zu fordern habe und was zu dem Ende von der Gesetzgebung
auszusprechen sei. Die Schriftsteller, am eingehendsten ich selbst (Lebensverhält¬
nisse der Pharmacie, 1873), haben nachgewiesen,

wie in den letzten 4--5 Jahrzehnten durch den Fortschritt der gesammten
Naturwissenschaft die Pharmacie als Wissenschaft und Kunst sehr gewachsen
ist, die Einnahmen der Apotheker aber sehr verkürzt worden sind, zum Theil
selbst bis zur Gefährdung des Fachs durch Bankerotte oder anderweitiges
Schließen einzelner Apotheken und durch finanzielle und geistige Ver¬
kümmerung sehr vieler, zumal der kleineren;

wie aber auch die Wissenschaft die Wunden zu heilen verspreche, welche
sie geschlagen hat. Der Apotheker ist nicht bloß, wie früher, als Arznetlieferer
unentbehrlich, sondern auch als Träger, Förderer und Verbreiter der an¬
gewandten und reinen Naturwissenschaften, besonders der Chemie, Physik und
Botanik, unersetzlich. Insbesondre soll er den Staats- und Gemeinde-Be¬
hörden, den Aerzten, Zahnärzten und Veterinärärzten, wenn sie es verlangen,
mit naturwissenschaftlichen Rathschlägen und Untersuchungen beistehen, welche
über das Gebiet der alten Pharmacie (der Arzneibereitungskunst) oft weit


ansehnlicher Theil des Apothekenwesens bereits durch die Gewerbe-Ordnung
von 1869, b) die Kaiserliche Verordnung, betr. den Verkehr mit Apotheker¬
waaren, vom 25. März 1872 und e) die Einführung der ^Karmaeopoiza.
(ZermÄuiea. geordnet, und daß „zum Abschluß der in Rede stehenden Materie
hiernach noch" .... „Vorschriften über die Errichtung und Verlegung von
Apotheken erforderlich" seien. Das Wort „noch" kann hier augenscheinlich
als gleichbedeutend mit „nur noch" genommen werden, ja soll es vielleicht.
Im letzteren Falle müßten wir uns jedoch gegen die Gültigkeit des Satzes
verwahren, aus folgenden Gründen. Formell sind jene Theile des Apotheken¬
wesens allerdings geordnet, und zwar durch das Reich; daß sie aber auch
materiell bereits befriedigend geordnet seien, wird niemand annehmen, der die
zahlreichen motivirten Klagen und Desiderate der Apotheker, die nicht spar¬
samen administrativen und gerichtlichen Verhandlungen, kennt, welche in Bezug
auf jene Theile noch immer von der pharmaceutischen Presse zur Sprache ge¬
bracht werden. Wenn aber auch jene Theile erledigt wären und die Errichtung
und Verlegung von Apotheken es jetzt würde, so blieben noch andere sehr
wichtige Theile der gesammten Pharmacie-Frage offen und bliebe der jetzt zu
bildenden Untersuchungs-Commission die Pflicht, vor einer halben Schöpfung
zu warnen.

Wir finden nämlich zunächst, daß in dem Ersuchen des Reichskanzler¬
amts der allerwichtigste Theil der Pharmacie-Gesetzgebung kaum (so gut als
nicht) berührt ist: der wissenschaftliche — der Inbegriff dessen, was man
an wissenschaftlichen Leistungen gegenwärtig und in der nächsten Zukunft zu
erwarten und zu fordern habe und was zu dem Ende von der Gesetzgebung
auszusprechen sei. Die Schriftsteller, am eingehendsten ich selbst (Lebensverhält¬
nisse der Pharmacie, 1873), haben nachgewiesen,

wie in den letzten 4—5 Jahrzehnten durch den Fortschritt der gesammten
Naturwissenschaft die Pharmacie als Wissenschaft und Kunst sehr gewachsen
ist, die Einnahmen der Apotheker aber sehr verkürzt worden sind, zum Theil
selbst bis zur Gefährdung des Fachs durch Bankerotte oder anderweitiges
Schließen einzelner Apotheken und durch finanzielle und geistige Ver¬
kümmerung sehr vieler, zumal der kleineren;

wie aber auch die Wissenschaft die Wunden zu heilen verspreche, welche
sie geschlagen hat. Der Apotheker ist nicht bloß, wie früher, als Arznetlieferer
unentbehrlich, sondern auch als Träger, Förderer und Verbreiter der an¬
gewandten und reinen Naturwissenschaften, besonders der Chemie, Physik und
Botanik, unersetzlich. Insbesondre soll er den Staats- und Gemeinde-Be¬
hörden, den Aerzten, Zahnärzten und Veterinärärzten, wenn sie es verlangen,
mit naturwissenschaftlichen Rathschlägen und Untersuchungen beistehen, welche
über das Gebiet der alten Pharmacie (der Arzneibereitungskunst) oft weit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/250>, abgerufen am 01.10.2024.