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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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gefaßt werden wird. Otte's Buch dagegen ist aus dem reichen Material
vorausgegangener Einzelforschung hervorgewachsen; es ist, so viel immerhin
noch auch auf diesem Gebiete im Einzelnen zu thun übrig sein mag, doch
wesentlich ein zusammenfassendes, abschließendes Werk; die Früchte jahrzehnte¬
langen fremden und eigenen Fleißes sind es, die hier in die Scheuern ge¬
bracht werden.

Ursprünglich hatte Otte den Plan, eine ausführliche Geschichte der ge-
sammten deutschen Baukunst von den Römerzeiten an bis in unsre Tage
herein zu schreiben. Die Größe der Aufgabe, die er, sich damit gestellt hatte,
war jedenfalls von ihm unterschätzt worden. Bierzehn Jahre sind dahin¬
gegangen, seit das erste Heft des Werkes erschien (1860), und jetzt endlich
liegt abgeschlossen vor, was eigentlich nur den ersten Band eines großen drei¬
bändigen Werkes bilden sollte. Wer einen Blick gethan hat in die litterarischen
Nachweise, die der Verfasser am Ende jedes größeren Abschnittes giebt, der
wird sich freilich nicht wundern, daß das Werk so langsam gereift ist. Von
der Gründlichkeit, mit der der Verfasser gearbeitet, mag die Thatsache eine
Ahnung geben, daß es dieselbe Periode ist, die Lübke in seiner "Geschichte der
Architektur" -- verhältnißmäßig ausführlich -- aus etwa 100 Seiten be¬
handelt hat, welche hier in Otte's Buch auf weit über 700 Seiten dargestellt
ist. Inzwischen ist er, wie er selber klagt, an der "Schwelle des Greisenalters"
angelangt, und es ist fraglich, ob ihm Zeit und Kraft beschicken sein wird,
Um wenigstens noch in einem zweiten Bande die Periode der Goebel, für
deren Darstellung es eine noch weit gewaltigere Masse von Material zu be¬
wältigen gilt, in derselben Weise zu bearbeiten. Freuen wir uns des Erreichten,
Und hoffen wir von der Zukunft das Günstigste!

Auf Einzelheiten des schönen Werkes einzugehen würde hier nicht am
Platze sein. Ein Wort nur über die Gliederung des Ganzen. In einer
ziemlich umfänglichen Einleitung behandelt der Verfasser zunächst die aus¬
gedehnte Bauthätigkeit der Römer auf deutschem Boden, als die Grundlage,
von der die Baukunst des deutschen Mittelalters ausging. Innerhalb der
romanischen Baukunst selbst macht er dann drei große Abschnitte: der erste
reicht bis zum Schlüsse des zehnten Jahrhunderts, behandelt also namentlich,
wenn wir von den spärlichen Nachrichten über die frühesten Jahrhunderte ab¬
sehen, die Zeit der carolingischen und sächsischen Kaiser; der zweite umfaßt
den specifisch sogenannten "frühromanischen" Stil während des elften Jahr¬
hunderts, der dritte und umfangreichste endlich, der für sich allein weit über
die Hälfte des ganzen Buches einnimmt, ist der eigentlichen Blüthezeit des
romanischen Baustils gewidmet, welche in das zwölfte Jahrhundert und
den Anfang des dreizehnten, also in das Zeitalter der Kreuzzüge und der
Hohenstaufen fällt. Mit außerordentlichem Geschick hat Otte innerhalb jedes


gefaßt werden wird. Otte's Buch dagegen ist aus dem reichen Material
vorausgegangener Einzelforschung hervorgewachsen; es ist, so viel immerhin
noch auch auf diesem Gebiete im Einzelnen zu thun übrig sein mag, doch
wesentlich ein zusammenfassendes, abschließendes Werk; die Früchte jahrzehnte¬
langen fremden und eigenen Fleißes sind es, die hier in die Scheuern ge¬
bracht werden.

Ursprünglich hatte Otte den Plan, eine ausführliche Geschichte der ge-
sammten deutschen Baukunst von den Römerzeiten an bis in unsre Tage
herein zu schreiben. Die Größe der Aufgabe, die er, sich damit gestellt hatte,
war jedenfalls von ihm unterschätzt worden. Bierzehn Jahre sind dahin¬
gegangen, seit das erste Heft des Werkes erschien (1860), und jetzt endlich
liegt abgeschlossen vor, was eigentlich nur den ersten Band eines großen drei¬
bändigen Werkes bilden sollte. Wer einen Blick gethan hat in die litterarischen
Nachweise, die der Verfasser am Ende jedes größeren Abschnittes giebt, der
wird sich freilich nicht wundern, daß das Werk so langsam gereift ist. Von
der Gründlichkeit, mit der der Verfasser gearbeitet, mag die Thatsache eine
Ahnung geben, daß es dieselbe Periode ist, die Lübke in seiner „Geschichte der
Architektur" — verhältnißmäßig ausführlich — aus etwa 100 Seiten be¬
handelt hat, welche hier in Otte's Buch auf weit über 700 Seiten dargestellt
ist. Inzwischen ist er, wie er selber klagt, an der „Schwelle des Greisenalters"
angelangt, und es ist fraglich, ob ihm Zeit und Kraft beschicken sein wird,
Um wenigstens noch in einem zweiten Bande die Periode der Goebel, für
deren Darstellung es eine noch weit gewaltigere Masse von Material zu be¬
wältigen gilt, in derselben Weise zu bearbeiten. Freuen wir uns des Erreichten,
Und hoffen wir von der Zukunft das Günstigste!

Auf Einzelheiten des schönen Werkes einzugehen würde hier nicht am
Platze sein. Ein Wort nur über die Gliederung des Ganzen. In einer
ziemlich umfänglichen Einleitung behandelt der Verfasser zunächst die aus¬
gedehnte Bauthätigkeit der Römer auf deutschem Boden, als die Grundlage,
von der die Baukunst des deutschen Mittelalters ausging. Innerhalb der
romanischen Baukunst selbst macht er dann drei große Abschnitte: der erste
reicht bis zum Schlüsse des zehnten Jahrhunderts, behandelt also namentlich,
wenn wir von den spärlichen Nachrichten über die frühesten Jahrhunderte ab¬
sehen, die Zeit der carolingischen und sächsischen Kaiser; der zweite umfaßt
den specifisch sogenannten „frühromanischen" Stil während des elften Jahr¬
hunderts, der dritte und umfangreichste endlich, der für sich allein weit über
die Hälfte des ganzen Buches einnimmt, ist der eigentlichen Blüthezeit des
romanischen Baustils gewidmet, welche in das zwölfte Jahrhundert und
den Anfang des dreizehnten, also in das Zeitalter der Kreuzzüge und der
Hohenstaufen fällt. Mit außerordentlichem Geschick hat Otte innerhalb jedes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/235>, abgerufen am 25.08.2024.