Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tel nicht, Originalcorrespondenten im Ausland zu unterhalten. Ueber die
Vorgänge im karlistischen Lager jedoch ist sie mit einer Schnelligkeit und Be¬
stimmtheit unterrichtet, welche mit den späten, ungenauen oder unvollständi¬
gen Berichten, die sie über deutsche, französische, italienische, österreichische Politik
bringt, in seltsamem Gegensatze stehen. Man wäre versucht anzunehmen, daß
die frischen und meist sehr auffallenden Mittheilungen der "Botschaft" aus
dem Karlistenlager, vielleicht ihren Ursprung in der wohlwollenden Phantasie
des Kommandanten der karlistischen Etappe zu Klingnau hätten, wenn nicht
dieselben, später meist als erlogen sich herausstellenden Nachrichten, mit der¬
selben Rechtzeitigkeit in allen ultramontanen Blättern Deutschlands und
Frankreichs auftauchten. Das läßt nothwendig auf eine gemeinsame römische
Quelle der Erfindung und Ueberlieferung schließen. Hier einige Proben dieser
Berichte, deren kräftiger Gegensatz zu der freisinnigen Maske der "Botschaft"
für sich selbst so komisch wirkt, daß jeder Zusatz überflüssig erscheint.

In ihrer Nro. 86 vom 19. Juli 1874 fängt die "Botschaft mit einem
Leitartikel "Spanien" an. Da heißt es: "Es wird in den gesinnungs¬
tüchtigen Blättern entsetzlich auf die Karlisten wegen ihrer Grausamkeit
bei Anlaß des Kampfes von Estella losgedonnert. Die Karlisten seien durch
die Civilisation von Europa gerichtet. Nun dann sind die Preußen(!) auch
gerichtet. Jene unnöthigen Erschießungen, die sie an Besiegten (!) im Kriege
gegen Frankreich sich haben zu Schulden kommen lassen, sind noch nicht ver¬
gessen. Und der Republikaner Concha ist ebenfalls gerrichtet u. f. w. Was
haben die Karlisten gethan? Sie haben bei Estella unter den Vorposten im
Kampfe einen Preußen gefangen genommen und als Spion erschossen. Er
will aber nur Berichterstatter gewesen sein. Man glaubte es ihm nicht.
Ein bloser Berichterstatter ist doch nicht leicht zuvorderst unter den Kämpfen¬
den. Immerhin konnte(!) er zugleich Spion sein. Daß Bismark spio-
niren läßt, liegt nahe. Kurz(!)der gefangene Preuße wurde erschossen.
Dessen Begnadigung durch König (!) Carlos kam zu spät an (?). Und so
sind natürlich die Karlisten keine civilisirten Menschen mehr. Daß die Kar¬
listen durch die Preußen im höchsten Grade erbittert sein müssen ist klar,
und der karlistische Soldat (!) will aber auch Genugthuung haben. Die
preußischen Offiziere und Kanonen im republikanischen Lager sind hier zu,
fremdartige Elemente; die wahren Spanier dulden solche Elemente nicht ohne
Rächung." --

Zwei Tage später hat "die Botschaft" aus ihrer Quelle über die Spio¬
nage Schmidt's authentische Nachrichten erhalten, und ihren andalusisch-kastili-
schen Stolz in Betreff der angeblichen Verwendung preußischer Geschütze und
Offiziere in Spanien, inmajorem Zsi Aloriam erheblich herabgemindert. Frei¬
lich es handelt sich diesmal um die Frage, ob preußische Kanonen oder Offiziere


tel nicht, Originalcorrespondenten im Ausland zu unterhalten. Ueber die
Vorgänge im karlistischen Lager jedoch ist sie mit einer Schnelligkeit und Be¬
stimmtheit unterrichtet, welche mit den späten, ungenauen oder unvollständi¬
gen Berichten, die sie über deutsche, französische, italienische, österreichische Politik
bringt, in seltsamem Gegensatze stehen. Man wäre versucht anzunehmen, daß
die frischen und meist sehr auffallenden Mittheilungen der „Botschaft" aus
dem Karlistenlager, vielleicht ihren Ursprung in der wohlwollenden Phantasie
des Kommandanten der karlistischen Etappe zu Klingnau hätten, wenn nicht
dieselben, später meist als erlogen sich herausstellenden Nachrichten, mit der¬
selben Rechtzeitigkeit in allen ultramontanen Blättern Deutschlands und
Frankreichs auftauchten. Das läßt nothwendig auf eine gemeinsame römische
Quelle der Erfindung und Ueberlieferung schließen. Hier einige Proben dieser
Berichte, deren kräftiger Gegensatz zu der freisinnigen Maske der „Botschaft"
für sich selbst so komisch wirkt, daß jeder Zusatz überflüssig erscheint.

In ihrer Nro. 86 vom 19. Juli 1874 fängt die „Botschaft mit einem
Leitartikel „Spanien" an. Da heißt es: „Es wird in den gesinnungs¬
tüchtigen Blättern entsetzlich auf die Karlisten wegen ihrer Grausamkeit
bei Anlaß des Kampfes von Estella losgedonnert. Die Karlisten seien durch
die Civilisation von Europa gerichtet. Nun dann sind die Preußen(!) auch
gerichtet. Jene unnöthigen Erschießungen, die sie an Besiegten (!) im Kriege
gegen Frankreich sich haben zu Schulden kommen lassen, sind noch nicht ver¬
gessen. Und der Republikaner Concha ist ebenfalls gerrichtet u. f. w. Was
haben die Karlisten gethan? Sie haben bei Estella unter den Vorposten im
Kampfe einen Preußen gefangen genommen und als Spion erschossen. Er
will aber nur Berichterstatter gewesen sein. Man glaubte es ihm nicht.
Ein bloser Berichterstatter ist doch nicht leicht zuvorderst unter den Kämpfen¬
den. Immerhin konnte(!) er zugleich Spion sein. Daß Bismark spio-
niren läßt, liegt nahe. Kurz(!)der gefangene Preuße wurde erschossen.
Dessen Begnadigung durch König (!) Carlos kam zu spät an (?). Und so
sind natürlich die Karlisten keine civilisirten Menschen mehr. Daß die Kar¬
listen durch die Preußen im höchsten Grade erbittert sein müssen ist klar,
und der karlistische Soldat (!) will aber auch Genugthuung haben. Die
preußischen Offiziere und Kanonen im republikanischen Lager sind hier zu,
fremdartige Elemente; die wahren Spanier dulden solche Elemente nicht ohne
Rächung." —

Zwei Tage später hat „die Botschaft" aus ihrer Quelle über die Spio¬
nage Schmidt's authentische Nachrichten erhalten, und ihren andalusisch-kastili-
schen Stolz in Betreff der angeblichen Verwendung preußischer Geschütze und
Offiziere in Spanien, inmajorem Zsi Aloriam erheblich herabgemindert. Frei¬
lich es handelt sich diesmal um die Frage, ob preußische Kanonen oder Offiziere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131916"/>
          <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> tel nicht, Originalcorrespondenten im Ausland zu unterhalten. Ueber die<lb/>
Vorgänge im karlistischen Lager jedoch ist sie mit einer Schnelligkeit und Be¬<lb/>
stimmtheit unterrichtet, welche mit den späten, ungenauen oder unvollständi¬<lb/>
gen Berichten, die sie über deutsche, französische, italienische, österreichische Politik<lb/>
bringt, in seltsamem Gegensatze stehen. Man wäre versucht anzunehmen, daß<lb/>
die frischen und meist sehr auffallenden Mittheilungen der &#x201E;Botschaft" aus<lb/>
dem Karlistenlager, vielleicht ihren Ursprung in der wohlwollenden Phantasie<lb/>
des Kommandanten der karlistischen Etappe zu Klingnau hätten, wenn nicht<lb/>
dieselben, später meist als erlogen sich herausstellenden Nachrichten, mit der¬<lb/>
selben Rechtzeitigkeit in allen ultramontanen Blättern Deutschlands und<lb/>
Frankreichs auftauchten. Das läßt nothwendig auf eine gemeinsame römische<lb/>
Quelle der Erfindung und Ueberlieferung schließen. Hier einige Proben dieser<lb/>
Berichte, deren kräftiger Gegensatz zu der freisinnigen Maske der &#x201E;Botschaft"<lb/>
für sich selbst so komisch wirkt, daß jeder Zusatz überflüssig erscheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_801"> In ihrer Nro. 86 vom 19. Juli 1874 fängt die &#x201E;Botschaft mit einem<lb/>
Leitartikel &#x201E;Spanien" an. Da heißt es: &#x201E;Es wird in den gesinnungs¬<lb/>
tüchtigen Blättern entsetzlich auf die Karlisten wegen ihrer Grausamkeit<lb/>
bei Anlaß des Kampfes von Estella losgedonnert. Die Karlisten seien durch<lb/>
die Civilisation von Europa gerichtet. Nun dann sind die Preußen(!) auch<lb/>
gerichtet. Jene unnöthigen Erschießungen, die sie an Besiegten (!) im Kriege<lb/>
gegen Frankreich sich haben zu Schulden kommen lassen, sind noch nicht ver¬<lb/>
gessen. Und der Republikaner Concha ist ebenfalls gerrichtet u. f. w. Was<lb/>
haben die Karlisten gethan? Sie haben bei Estella unter den Vorposten im<lb/>
Kampfe einen Preußen gefangen genommen und als Spion erschossen. Er<lb/>
will aber nur Berichterstatter gewesen sein. Man glaubte es ihm nicht.<lb/>
Ein bloser Berichterstatter ist doch nicht leicht zuvorderst unter den Kämpfen¬<lb/>
den. Immerhin konnte(!) er zugleich Spion sein. Daß Bismark spio-<lb/>
niren läßt, liegt nahe. Kurz(!)der gefangene Preuße wurde erschossen.<lb/>
Dessen Begnadigung durch König (!) Carlos kam zu spät an (?). Und so<lb/>
sind natürlich die Karlisten keine civilisirten Menschen mehr. Daß die Kar¬<lb/>
listen durch die Preußen im höchsten Grade erbittert sein müssen ist klar,<lb/>
und der karlistische Soldat (!) will aber auch Genugthuung haben. Die<lb/>
preußischen Offiziere und Kanonen im republikanischen Lager sind hier zu,<lb/>
fremdartige Elemente; die wahren Spanier dulden solche Elemente nicht ohne<lb/>
Rächung." &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_802" next="#ID_803"> Zwei Tage später hat &#x201E;die Botschaft" aus ihrer Quelle über die Spio¬<lb/>
nage Schmidt's authentische Nachrichten erhalten, und ihren andalusisch-kastili-<lb/>
schen Stolz in Betreff der angeblichen Verwendung preußischer Geschütze und<lb/>
Offiziere in Spanien, inmajorem Zsi Aloriam erheblich herabgemindert. Frei¬<lb/>
lich es handelt sich diesmal um die Frage, ob preußische Kanonen oder Offiziere</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0222] tel nicht, Originalcorrespondenten im Ausland zu unterhalten. Ueber die Vorgänge im karlistischen Lager jedoch ist sie mit einer Schnelligkeit und Be¬ stimmtheit unterrichtet, welche mit den späten, ungenauen oder unvollständi¬ gen Berichten, die sie über deutsche, französische, italienische, österreichische Politik bringt, in seltsamem Gegensatze stehen. Man wäre versucht anzunehmen, daß die frischen und meist sehr auffallenden Mittheilungen der „Botschaft" aus dem Karlistenlager, vielleicht ihren Ursprung in der wohlwollenden Phantasie des Kommandanten der karlistischen Etappe zu Klingnau hätten, wenn nicht dieselben, später meist als erlogen sich herausstellenden Nachrichten, mit der¬ selben Rechtzeitigkeit in allen ultramontanen Blättern Deutschlands und Frankreichs auftauchten. Das läßt nothwendig auf eine gemeinsame römische Quelle der Erfindung und Ueberlieferung schließen. Hier einige Proben dieser Berichte, deren kräftiger Gegensatz zu der freisinnigen Maske der „Botschaft" für sich selbst so komisch wirkt, daß jeder Zusatz überflüssig erscheint. In ihrer Nro. 86 vom 19. Juli 1874 fängt die „Botschaft mit einem Leitartikel „Spanien" an. Da heißt es: „Es wird in den gesinnungs¬ tüchtigen Blättern entsetzlich auf die Karlisten wegen ihrer Grausamkeit bei Anlaß des Kampfes von Estella losgedonnert. Die Karlisten seien durch die Civilisation von Europa gerichtet. Nun dann sind die Preußen(!) auch gerichtet. Jene unnöthigen Erschießungen, die sie an Besiegten (!) im Kriege gegen Frankreich sich haben zu Schulden kommen lassen, sind noch nicht ver¬ gessen. Und der Republikaner Concha ist ebenfalls gerrichtet u. f. w. Was haben die Karlisten gethan? Sie haben bei Estella unter den Vorposten im Kampfe einen Preußen gefangen genommen und als Spion erschossen. Er will aber nur Berichterstatter gewesen sein. Man glaubte es ihm nicht. Ein bloser Berichterstatter ist doch nicht leicht zuvorderst unter den Kämpfen¬ den. Immerhin konnte(!) er zugleich Spion sein. Daß Bismark spio- niren läßt, liegt nahe. Kurz(!)der gefangene Preuße wurde erschossen. Dessen Begnadigung durch König (!) Carlos kam zu spät an (?). Und so sind natürlich die Karlisten keine civilisirten Menschen mehr. Daß die Kar¬ listen durch die Preußen im höchsten Grade erbittert sein müssen ist klar, und der karlistische Soldat (!) will aber auch Genugthuung haben. Die preußischen Offiziere und Kanonen im republikanischen Lager sind hier zu, fremdartige Elemente; die wahren Spanier dulden solche Elemente nicht ohne Rächung." — Zwei Tage später hat „die Botschaft" aus ihrer Quelle über die Spio¬ nage Schmidt's authentische Nachrichten erhalten, und ihren andalusisch-kastili- schen Stolz in Betreff der angeblichen Verwendung preußischer Geschütze und Offiziere in Spanien, inmajorem Zsi Aloriam erheblich herabgemindert. Frei¬ lich es handelt sich diesmal um die Frage, ob preußische Kanonen oder Offiziere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/222
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/222>, abgerufen am 22.07.2024.