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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Regierung darin ohne irgend eine Schonung aufgedeckt wurden, aber die
Sympathien für Frankreich und Belgien wurden dadurch nicht vermehrt.
Der deutsche Sinn war in den Rheinlanden zu vorherrschend und die
Präfektenregierung noch zu lebendig in der Erinnerung. Auch gab eine
Vereinigung mit Belgien nicht die Sicherung, welche der preußische Staat
gewähren konnte. Hierzu kam, daß Friedrich Wilhelm III. zur Zeit, wo
dieses Buch erschien, schon fast 2 Jahre gestorben und Friedrich Wilhelm IV.
an die Regierung gekommen war. Dieser hatte bald nach feinem Regierungs¬
antritte die Freilassung der beiden Erzbischöfe von Cöln und Gnesen aus¬
gesprochen, hatte dem Ersteren eine Art Ehrenerklärung gegeben und ihm nach
dem Uebereinkommen mit dem päpstlichen Stuhle einen Nachfolger ernannt,
welcher während des Lebens des Erzbischofs als Coadjutor die Diöcese ver¬
waltete. Auch hatte er verordnet, daß fortan gegen die katholischen Priester,
welche die Einsegnung gemischter Ehen verweigern würden, jede Maßregel
eingestellt werden sollte. Die ultramontane Partei hatte somit gesiegt und
der Sieg mußte der katholischen Bevölkerung Befriedigung gewähren. Der
König ging nun noch weiter. Er gestattete, was selbst in katholischen
Ländern nicht der Fall war, den völlig freien Verkehr der katholischen Geist¬
lichkeit mit Rom. Günstiger konnte die Geistlichkeit nicht gestellt werden und
die natürliche Folge war, daß für die nächste Zeit der kirchliche Friede in der
Rheinprovinz hergestellt wurde und die Gemüther in religiöser Hinsicht be¬
ruhigt waren. Hierzu trat die persönliche Zuneigung der Katholiken zu
Friedrich Wilhelm IV. In verschiedenen Lebensabschnitten war seine Neigung
zum Katholicismus hervorgetreten und den Rheinländern schmeichelte, daß er
zur Vollendung der Metropolitankirche Cölns, des wahren Glanzpunktes
deutscher Kunst, den thätigsten Antheil nahm und daß ein eifriger Katholik,
v. Nadowitz, sein nächster Freund war. Auch die Persönlichkeit des Königs
war, wie schon erwähnt, den Rheinländern angenehm und lieb und insbeson¬
dere schien ihnen zu gefallen, daß er schon als Kronprinz in Stolzenfels
seinen Sommerwohnsitz wählen wollte. Noch mehr waren sie darüber erfreut,
daß er zum ersten Male einen Katholiken zum Minister ernannte und ab¬
sichtlich dahin strebte, daß jeder Unterschied der Confession im staatlichen
Verhältnisse aufhöre.

So war es denn gekommen, daß sich die katholischen Rheinländer trotz
der vorausgegangenen kirchlichen Streitigkeiten mit der preußischen Regierung
wieder versöhnt hatten; aber ungeachtet dieser Versöhnung und ungeachtet
der Beförderung des Wohlstandes durch die Regierung blieb die Rheinprovinz
von den übrigen Provinzen abgesondert und verschmähte jede enge Vereinigung
mit denselben. Nach wie vor wurde in der Rheinprovinz jeder Altpreuße als


Regierung darin ohne irgend eine Schonung aufgedeckt wurden, aber die
Sympathien für Frankreich und Belgien wurden dadurch nicht vermehrt.
Der deutsche Sinn war in den Rheinlanden zu vorherrschend und die
Präfektenregierung noch zu lebendig in der Erinnerung. Auch gab eine
Vereinigung mit Belgien nicht die Sicherung, welche der preußische Staat
gewähren konnte. Hierzu kam, daß Friedrich Wilhelm III. zur Zeit, wo
dieses Buch erschien, schon fast 2 Jahre gestorben und Friedrich Wilhelm IV.
an die Regierung gekommen war. Dieser hatte bald nach feinem Regierungs¬
antritte die Freilassung der beiden Erzbischöfe von Cöln und Gnesen aus¬
gesprochen, hatte dem Ersteren eine Art Ehrenerklärung gegeben und ihm nach
dem Uebereinkommen mit dem päpstlichen Stuhle einen Nachfolger ernannt,
welcher während des Lebens des Erzbischofs als Coadjutor die Diöcese ver¬
waltete. Auch hatte er verordnet, daß fortan gegen die katholischen Priester,
welche die Einsegnung gemischter Ehen verweigern würden, jede Maßregel
eingestellt werden sollte. Die ultramontane Partei hatte somit gesiegt und
der Sieg mußte der katholischen Bevölkerung Befriedigung gewähren. Der
König ging nun noch weiter. Er gestattete, was selbst in katholischen
Ländern nicht der Fall war, den völlig freien Verkehr der katholischen Geist¬
lichkeit mit Rom. Günstiger konnte die Geistlichkeit nicht gestellt werden und
die natürliche Folge war, daß für die nächste Zeit der kirchliche Friede in der
Rheinprovinz hergestellt wurde und die Gemüther in religiöser Hinsicht be¬
ruhigt waren. Hierzu trat die persönliche Zuneigung der Katholiken zu
Friedrich Wilhelm IV. In verschiedenen Lebensabschnitten war seine Neigung
zum Katholicismus hervorgetreten und den Rheinländern schmeichelte, daß er
zur Vollendung der Metropolitankirche Cölns, des wahren Glanzpunktes
deutscher Kunst, den thätigsten Antheil nahm und daß ein eifriger Katholik,
v. Nadowitz, sein nächster Freund war. Auch die Persönlichkeit des Königs
war, wie schon erwähnt, den Rheinländern angenehm und lieb und insbeson¬
dere schien ihnen zu gefallen, daß er schon als Kronprinz in Stolzenfels
seinen Sommerwohnsitz wählen wollte. Noch mehr waren sie darüber erfreut,
daß er zum ersten Male einen Katholiken zum Minister ernannte und ab¬
sichtlich dahin strebte, daß jeder Unterschied der Confession im staatlichen
Verhältnisse aufhöre.

So war es denn gekommen, daß sich die katholischen Rheinländer trotz
der vorausgegangenen kirchlichen Streitigkeiten mit der preußischen Regierung
wieder versöhnt hatten; aber ungeachtet dieser Versöhnung und ungeachtet
der Beförderung des Wohlstandes durch die Regierung blieb die Rheinprovinz
von den übrigen Provinzen abgesondert und verschmähte jede enge Vereinigung
mit denselben. Nach wie vor wurde in der Rheinprovinz jeder Altpreuße als


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[0216] Regierung darin ohne irgend eine Schonung aufgedeckt wurden, aber die Sympathien für Frankreich und Belgien wurden dadurch nicht vermehrt. Der deutsche Sinn war in den Rheinlanden zu vorherrschend und die Präfektenregierung noch zu lebendig in der Erinnerung. Auch gab eine Vereinigung mit Belgien nicht die Sicherung, welche der preußische Staat gewähren konnte. Hierzu kam, daß Friedrich Wilhelm III. zur Zeit, wo dieses Buch erschien, schon fast 2 Jahre gestorben und Friedrich Wilhelm IV. an die Regierung gekommen war. Dieser hatte bald nach feinem Regierungs¬ antritte die Freilassung der beiden Erzbischöfe von Cöln und Gnesen aus¬ gesprochen, hatte dem Ersteren eine Art Ehrenerklärung gegeben und ihm nach dem Uebereinkommen mit dem päpstlichen Stuhle einen Nachfolger ernannt, welcher während des Lebens des Erzbischofs als Coadjutor die Diöcese ver¬ waltete. Auch hatte er verordnet, daß fortan gegen die katholischen Priester, welche die Einsegnung gemischter Ehen verweigern würden, jede Maßregel eingestellt werden sollte. Die ultramontane Partei hatte somit gesiegt und der Sieg mußte der katholischen Bevölkerung Befriedigung gewähren. Der König ging nun noch weiter. Er gestattete, was selbst in katholischen Ländern nicht der Fall war, den völlig freien Verkehr der katholischen Geist¬ lichkeit mit Rom. Günstiger konnte die Geistlichkeit nicht gestellt werden und die natürliche Folge war, daß für die nächste Zeit der kirchliche Friede in der Rheinprovinz hergestellt wurde und die Gemüther in religiöser Hinsicht be¬ ruhigt waren. Hierzu trat die persönliche Zuneigung der Katholiken zu Friedrich Wilhelm IV. In verschiedenen Lebensabschnitten war seine Neigung zum Katholicismus hervorgetreten und den Rheinländern schmeichelte, daß er zur Vollendung der Metropolitankirche Cölns, des wahren Glanzpunktes deutscher Kunst, den thätigsten Antheil nahm und daß ein eifriger Katholik, v. Nadowitz, sein nächster Freund war. Auch die Persönlichkeit des Königs war, wie schon erwähnt, den Rheinländern angenehm und lieb und insbeson¬ dere schien ihnen zu gefallen, daß er schon als Kronprinz in Stolzenfels seinen Sommerwohnsitz wählen wollte. Noch mehr waren sie darüber erfreut, daß er zum ersten Male einen Katholiken zum Minister ernannte und ab¬ sichtlich dahin strebte, daß jeder Unterschied der Confession im staatlichen Verhältnisse aufhöre. So war es denn gekommen, daß sich die katholischen Rheinländer trotz der vorausgegangenen kirchlichen Streitigkeiten mit der preußischen Regierung wieder versöhnt hatten; aber ungeachtet dieser Versöhnung und ungeachtet der Beförderung des Wohlstandes durch die Regierung blieb die Rheinprovinz von den übrigen Provinzen abgesondert und verschmähte jede enge Vereinigung mit denselben. Nach wie vor wurde in der Rheinprovinz jeder Altpreuße als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/216>, abgerufen am 22.07.2024.