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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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um so gefährlicher, als auch von Außen der Zündstoff benutzt wurde. In
München war zu derselben Zeit, wo der Erzbischof aus Eöln fortgeführt
wurde, das Ministerium Wallerstein gestürzt und Herr v. Abel an die Spitze
der Regierung gekommen. Derselbe suchte in Verbindung mit der kirchlich hierar¬
chischen Partei, namentlich mit dem Grafen Reisach und Grafen Seinsheim,
so wie Cabinetsrath Grandauer durch eine ultramontane absolutistische Re¬
gierung Gewalt im Inneren und Ansehen nach Außen zu erlangen. Zur
Erreichung des letzteren trat Baiern bei den Streitigkeiten in der preußischen
Rheinprovinz als Vorkämpfer für die katholische Sache auf und so sehr auch
sonst die Presse in Baiern geknechtet war, so wurde ihr doch der Angriff
gegen Preußen und den Protestantismus ganz frei gegeben. Man ging so¬
weit, den König Ludwig als Haupt der neuen katholischen Liga zu be¬
zeichnen und man benutzte die kirchlichen Wirren, um in den Rhein-
Provinzen eine feste Stellung zu gewinnen und nicht blos kirchlich,
sondern auch politisch auf die Rheinländer einzuwirken. Görres, einst
Jaeobtner, jetzt der eifrigste Papist und der strengste Absolutist, schleuderte
seinen mit dem alten Feuereifer geschriebenen Athanasius in die Welt und
eiferte mit glühendem Hasse gegen Preußen und den Protestantismus. Auch
wurde ebenso wenig als einst in Belgien die Hilfe der Demokraten verschmäht,
und nur darauf hingewiesen, daß sie schnell wieder unterdrückt werden
Mußten. Schon dachte man an ein selbständiges Reich der Rheinfranken
Unter Regierung eines baierischen Prinzen, und laut wurde daran erinnert,
Wie glücklich man in Cöln, Coblenz, Trier und Düsseldorf unter Wittels-
bacher Fürsten gewesen wäre. Auch in Belgien war die ultramontane Partei
thätig. Offen sprach man von einer Vereinigung der Rheinprovinz mit
Belgien, erinnerte an die glücklichen Zustände dieses Landes und die natür¬
liche Verbindung. Der heftigste Angriff erfolgte nun aber von Paris aus in
dem Buche: of ig, ?ruW6 et no hö. äomwa-lion sous les raMorts xoiitiHues
et roligikux, LWolalement äans les nouvelles xrovinees, welches zu Parks
Und Leipzig 1842 erschien und welches Cazalös, oder wie Andere sagen, einen
Polnischen hohen Adligen zum Versasser gehabt hat. In diesem Buche, welches
W Deutschland ein gewaltiges Aufsehen erregte, und mit der erbittertsten
Feindschaft gegen Preußen geschrieben ist, jedoch keineswegs der deutschen
ultramontanen Partei genehm war, wird Bündniß des Katholicismus mit
dem Demokratismus und Vermittelung durch Frankreich angerathen, damit
Erlösung aus dem Drucke der Fürsten, des Adels, der Beamten und der
äderen sonderrechtlichen Klassen erfolge. Zugleich wird angedeutet, daß eine
Bereinigung zwischen den Rheinlanden und Belgien nothwendig sei. Das
Buch, welches so viel mir bekannt, niemals übersetzt worden ist, hatte in den
^heinlanden insofern Anklang gefunden, als die Schwächen der preußischen


um so gefährlicher, als auch von Außen der Zündstoff benutzt wurde. In
München war zu derselben Zeit, wo der Erzbischof aus Eöln fortgeführt
wurde, das Ministerium Wallerstein gestürzt und Herr v. Abel an die Spitze
der Regierung gekommen. Derselbe suchte in Verbindung mit der kirchlich hierar¬
chischen Partei, namentlich mit dem Grafen Reisach und Grafen Seinsheim,
so wie Cabinetsrath Grandauer durch eine ultramontane absolutistische Re¬
gierung Gewalt im Inneren und Ansehen nach Außen zu erlangen. Zur
Erreichung des letzteren trat Baiern bei den Streitigkeiten in der preußischen
Rheinprovinz als Vorkämpfer für die katholische Sache auf und so sehr auch
sonst die Presse in Baiern geknechtet war, so wurde ihr doch der Angriff
gegen Preußen und den Protestantismus ganz frei gegeben. Man ging so¬
weit, den König Ludwig als Haupt der neuen katholischen Liga zu be¬
zeichnen und man benutzte die kirchlichen Wirren, um in den Rhein-
Provinzen eine feste Stellung zu gewinnen und nicht blos kirchlich,
sondern auch politisch auf die Rheinländer einzuwirken. Görres, einst
Jaeobtner, jetzt der eifrigste Papist und der strengste Absolutist, schleuderte
seinen mit dem alten Feuereifer geschriebenen Athanasius in die Welt und
eiferte mit glühendem Hasse gegen Preußen und den Protestantismus. Auch
wurde ebenso wenig als einst in Belgien die Hilfe der Demokraten verschmäht,
und nur darauf hingewiesen, daß sie schnell wieder unterdrückt werden
Mußten. Schon dachte man an ein selbständiges Reich der Rheinfranken
Unter Regierung eines baierischen Prinzen, und laut wurde daran erinnert,
Wie glücklich man in Cöln, Coblenz, Trier und Düsseldorf unter Wittels-
bacher Fürsten gewesen wäre. Auch in Belgien war die ultramontane Partei
thätig. Offen sprach man von einer Vereinigung der Rheinprovinz mit
Belgien, erinnerte an die glücklichen Zustände dieses Landes und die natür¬
liche Verbindung. Der heftigste Angriff erfolgte nun aber von Paris aus in
dem Buche: of ig, ?ruW6 et no hö. äomwa-lion sous les raMorts xoiitiHues
et roligikux, LWolalement äans les nouvelles xrovinees, welches zu Parks
Und Leipzig 1842 erschien und welches Cazalös, oder wie Andere sagen, einen
Polnischen hohen Adligen zum Versasser gehabt hat. In diesem Buche, welches
W Deutschland ein gewaltiges Aufsehen erregte, und mit der erbittertsten
Feindschaft gegen Preußen geschrieben ist, jedoch keineswegs der deutschen
ultramontanen Partei genehm war, wird Bündniß des Katholicismus mit
dem Demokratismus und Vermittelung durch Frankreich angerathen, damit
Erlösung aus dem Drucke der Fürsten, des Adels, der Beamten und der
äderen sonderrechtlichen Klassen erfolge. Zugleich wird angedeutet, daß eine
Bereinigung zwischen den Rheinlanden und Belgien nothwendig sei. Das
Buch, welches so viel mir bekannt, niemals übersetzt worden ist, hatte in den
^heinlanden insofern Anklang gefunden, als die Schwächen der preußischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/215>, abgerufen am 22.07.2024.